“Wer bin ich und wenn ja, wie viele?” von Richard David PRECHT et al.

Bewertung: 3.5 von 5.

Viele werden sich erinnern: Das Ursprungs-Werk mit dem selben Titel hat 2007 die Karriere PRECHTs in Fahrt gebracht und ihn zum Star-Philosophen unserer Nation gemacht. Viele Bestseller und unzählige Medien-Auftritte später ist sein Renommee zwar nicht mehr ganz ohne Kratzer, einer Neuauflage seines Mega-Erfolges und einer Übertragung in das Genre der “Graphic Novel” stand das aber nicht im Wege.

Wenn man auch nur ein bisschen von PRECHTs Philosophie-Einstieg mitbekommen hat, wird man über den Inhalt dieses gezeichneten Potpourris aus Denkern und deren Ideen nicht überrascht sein. Auf der Suche nach dem ICH stolpert und poltert der Protagonist (der Autor ist wegen seiner unverwechselbaren Frisur unschwer zu erkennen) durch die Geschichte der Philosophie. Grundideen – wie Dualismus, Empirismus, das Unbewusste, Moral, Vernunft – werden genauso angesteuert wie eine illustre Reihe von Geistesgrößen (u.a. Platon, Kant, Descartes, Rousseau, Freud, Nietzsche).
Es reicht meist nur für kurze Begegnungen (Freud und Kant bekommen z.B. etwas mehr Text), aber eine gewisse Intensität kommt immer zustande.

Eines kann man diesem gezeichneten Philosophie-Trip ganz sicher nicht vorwerfen: dass er die andere Darstellungsform nur als Alibi-Begleitung für den textlichen Inhalt eingesetzt hätte. Im Gegenteil: Über weite Strecken des Buches wirkt die zeichnerische Ebene deutlich dominant. Das Zusammenspiel des Zeichners Martin MÖLLER und des Drehbuchautors Jörg HARTMANN hat eine dynamische und expressive Szenerie generiert, die insgesamt etwas Wildes, Rohes und Experimentelles ausstrahlt. Es wird weniger mit detaillierten Pinselstrichen als mit Aquarell-typischen großflächigen Darstellungen gearbeitet. Auf einer Reihe von Seiten findet sich überhaupt kein Text, nicht einmal eine ausgearbeitete Szenerie. Das Ganze ist monochrom gehalten und wirkt recht düster.

Ein Ersatz für die Textausgabe des Buches kann diese Graphic Novel ganz sicher nicht sein. Diesen Anspruch hat sie ganz sicher auch nicht. Die großen Fragen und Themen der Philosophie werden nur angerissen: die Zeitmaschine macht nur Stippvisiten.
Und doch erfährt der Reisende ein paar grundlegende Konzepte und bekommt einen Einblick in die verschiedenen Optionen der Selbsterkenntnis: Das eine, stabile und konsistente ICH scheint es eher nicht zu geben; dafür ist der Mensch wohl zu komplex und widersprüchlich…

In Bezug auf den Einstieg in die Philosophie kann dieses Buch eher neugierig machen, als dass es selbst befriedigende Antworten geben kann. Ob es als zeichnerisches Kunstwerk überzeugt, ist ganz sicher Geschmackssache. Da es sich ganz sicher nicht um einen gefälligen Zeichen-Stil handelt, wäre anzuraten, vor dem Kauf einen Blick ins Innere zu werfen. Sonst könnte die Abenteuerreise in die Denker-Welt von Anfang an erschwert werden.

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