“Dieses Buch verändert dein Leben für immer” von Martin WEHRLE

Bewertung: 2.5 von 5.

Der Journalist und Karriere-Berater WEHRLE hat schon eine ganze Reihe von erfolgreichen Büchern veröffentlicht, die bisher eher die Berufswelt zum Thema hatten. Mit dem hier vorgestellten Buch begibt sich der Autor auf den großen Markt der allgemeinen Lebenshilfe-Literatur; offenbar hat sich das ebenfalls für ihn gelohnt.

Zunächst fällt auf, dass dieses Buch aus 52 separaten Kurz-Beiträgen (sog. “Impulsen”) besteht, die nach einem wiederkehrenden Muster aufgebaut sind und jeweils nur einige Seiten umfassen. Es geht also kurz und knackig zur Sache. Jeder Veränderungs-Vorschlag steht für sich und könnte somit – theoretisch – mit jeder anderen Anregung beliebig kombiniert werden.
Der Autor verzichtet völlig auf einen verbindenden bzw. strukturierenden Rahmentext und entzieht sich dadurch der Aufgabe, die sehr heterogenen Anregungen bzgl. ihrer inneren Logik oder hinsichtlich der spezifischen Bedarfe bei der Leserschaft zu sortieren bzw. einzuordnen.

Inhaltlich bedient WEHRLE verschiedenste Ausgangslagen: Es geht um Menschen, die versagt sind, sich nichts zutrauen, in desolaten Beziehungen oder Berufssituationen stecken, es immer anderen recht machen wollen, in negativen Gedankenschleifen feststecken, keinen Blick für die Guten Seiten ihres Lebens haben, nie etwas Neues ausprobieren, immer alles aufschieben, immer Probleme und selten Lösungen sehen und sich nicht motivieren bzw. aktivieren können.
Also geht es irgendwie um uns alle…

Seine methodischen Anregungen holt sich der Autor vorwiegend bei der Positiven Psychologie und bei der Kognitiven Verhaltenstherapie. Tatsächlich geht es in den meisten Beiträgen um das “falsche” Denken – denn ein Schwerpunkt beider Ansätze liegt in der Bedeutung, die sie den (ungünstigen, dysfunktionalen) Gedanken beimessen. Immer wieder gipfelt das in so prägnanten Aussagen wie: “Egal, was in Ihrem Leben passiert, das Problem ist nie die äußere Wirklichkeit, sondern Ihre Bewertung.”

Der Autor holt sein Publikum nicht im psychotherapeutischen Wartezimmer oder im Forschungslabor ab: WEHRLE beginnt seine Kurz-Kapitel mit z.T. recht bekannten Geschichten aus historischen oder literarischen Quellen oder konstruiert selbst eine passende Ausgangssituation. Daraus destilliert der Autor dann den anvisierten Inhalt und bringt in in eine übersichtliche und prägnante Form. Er formuliert eine griffige Fragen und/oder gibt klare Hinweise bzw. Anweisungen; am Ende stehen jeweils “Drei Perlen” (also die die Quintessenz in Kurzform) und eine konkrete Beobachtungsaufgabe (“Mini-Challenge mit Maxis-Wirkung”).

Kommen wir zum Stil:
Bei WEHRLE wirkt alles wirkt sehr eindeutig und klar. Er ist kein Freund der Grautöne oder des “sowohl als auch”. Er macht gerne absolute Aussagen, gerne auch knackig zugespitzt.
Der Autor ist offensichtlich davon überzeugt, dass man Veränderungsmotivation am besten dadurch schafft, dass man Komplexität reduziert, pointiert formuliert und den Erfolg der jeweiligen Maßnahme als gesichert darstellt: Nur keinen Zweifel! Was man wirklich will, kann man auch schaffen! Jedes Problem hat auch gute Seiten! Mit der richtigen Art zu denken, bestimmen Sie ihr Glück selbst!
Für den Autor ist Zögern und Zaudern offenbar das größte Problem – stattdessen sollte man sich einfach entscheiden, das Richtige zu tun (also seine passenden Vorschläge einfach umzusetzen – er weiß ja, dass sie wirken).

Sicher findet jede/r in dem Sammelsurium von Einzeltipps Anregungen, die genau zu einem eigenen Thema passen. Ohne Zweifel finden sich eine Menge sinnvoller bzw. hilfreicher Tipps, die niemandem schaden und vielleicht genau den kleinen zusätzlichen Anschubs zu einer Entscheidung oder einer Verhaltensänderung geben, der bisher gefehlt hat. Und sicher ist es insgesamt eine gute Strategie, auf die Ressourcen (statt auf die Defizite) und auf die Lösungen (statt auf die Probleme) zu schauen. Optimismus kann motivieren!

Diese Form der Hau-Ruck-Lebenshilfe ist aber nicht frei von Unlogik, Risiken und Nebenwirkungen:
– Wenn Lösungen für das jeweilige Problem so klar auf der Hand liegen und für jedermann verfügbar sind, gibt es keinen akzeptablen Grund mehr, nicht zuzugreifen. Ein Problem zu behalten, für das es eine offensichtliche Lösung gibt, erscheint dann geradezu dumm oder zumindest unentschlossen. Wie fühlt sich das an?
– Hinter der Kernüberzeugung von WEHRLE, man könne sich jederzeit für andere Gedanken bzw. Verhaltensweisen entscheiden, steckt ein extrem vereinfachtes und objektiv falsches Menschenbild: Er tut so, als ob das Entscheiden bzw. Entscheiden-Können eine isolierte Fähigkeit wäre, die von biografischen Prägungen und Erfahrungs- bzw. Lerneinflüssen völlig unabhängig wäre. Als ob es nur das Lesen von ein paar Textseiten bedürfe, um fest in die Persönlichkeit und seine Neuronalen Netz eingewobene Muster zu durchbrechen und den Entscheidungs-Schalter mal eben in die andere Richtung zu kippen. Was muss ich für ein Versager sein, wenn ich das nicht hinbekomme?
– Wie es diese Art Selbsthilfe-Rezeptbücher gerne tun, greift auch dieser Autor immer wieder auf – mehr oder weniger spektakuläre – Einzelbeispiele zurück, in denen Menschen ihr (bis dahin schwieriges Schicksal) hinter sich lassen, ihr Leben mutig in die Hand nehmen und erfolgreich bzw. glücklich werden. Von den vielen anderen (sicher der Mehrheit), die diesen wundersamen Aufstieg aus desolaten Verhältnissen nicht schaffen, ist nie die Rede. Also mal wieder selbst schuld!
– Die Machbarkeits-Ideologie lässt den angemessenen Respekt vor schädigenden bzw. einschränkenden Lebensbedingungen und individuellen psychischen, emotionalen bzw. kognitiven Strukturen völlig vermissen. Alles ist ja relativ, eine Frage der Bewertung und durch Entscheidungen überwindbar. Auf welchen Knopf muss ich drücken, um z.B. eine durch Vernachlässigung erworbene Bindungsstörung zu überwinden? Woher bekomme ich die Zuversicht und die Entschlusskraft, mich z.B. in eine Therapie zu begeben?
– Auch die gebetsmühlenartig wiederholte These, dass jedes nach so große Unheil immer auch Chancen eröffne und sich letztlich sogar als Vorteil erweisen könne, wird der Dramatik und Tragik bestimmter Lebensereignisse und Schicksalsschläge nicht gerecht. Das absurdeste Beispiel: Ein überraschender Hinauswurf aus der geliebten Mietwohnung führt dazu, dass ich mich in dem daraufhin gekauften Haus dann noch wohler fühle. Genau so funktioniert unsere Welt…

Vermutlich weiß der Autor, das das Leben komplexer ist als seine Instant-Tipps. Manchmal deutet er auch an, dass Veränderungen Zeit und Mühe kosten. Aber die Entscheidung für einen neuen Weg ist – seiner Überzeugung nach – immer möglich.
Manche Menschen wird er mit diesem marktschreierischen Optimismus ohne Zweifel erreichen. Für die kann so ein Buch genau richtig sein.
Das Problem besteht wohl darin, dass sich viel andere nicht nur unverstanden fühlen, sondern sich selbst – und nicht unhaltbaren Versprechungen des Autors – die Verantwortung für ein Nichtgelingen zuschreiben könnten. Das wäre dann eine Ent- statt einer Ermutigung.

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