
Bei einem 10 Jahre alten naturwissenschaftlichen Sachbuch (erschienen 2015) stellt sich vorweg die Frage, ob nicht schon die mangelnde Aktualität gegen die Beschäftigung mit dieser Publikation spricht.
Ich will im Folgenden u.a. begründen, warum ich darauf mit “nein” antworte – und es deshalb auch nicht bereue, dieses Buch gelesen zu haben.
Der international bekannte Zoologe (spezialisiert auf Genetik und Evolutionsbiologie) legt in diesem durchaus schwergewichtigen Band (375 Textseiten) zunächst einmal eine Einführung in die allgemeine Genetik vor. Diese ist zwar für Laien gut verständlich geschrieben, geht aber hinsichtlich der Informationstiefe deutlich über einen wissenschaftsjournalistischen Standard hinaus. Das ist kein Text, in dem man zur Entspannung kurz vor dem Schlafengehen ein wenig schmökert.
Vermittelt wird solides Basiswissen in klassischer Genetik, das sich dann schrittweise auf die biologischen Grundlagen der Geschlechtlichkeit fokussiert. Auch hier geht es deutlich unter die Oberfläche: Der (durchaus komplizierte) Zusammenhang zwischen der Chromosomen-Ausstattung und der Entwicklung eines männlichen bzw. weiblichen Körpers wird in aller Differenziertheit betrachtet.
In einem weiteren Kapitel werden die – insgesamt sehr seltenen – Abweichungen und Ausnahmen erklärt, ebenso wie die Versuche, im Grauzonen-Bereich zu sinnvollen Entscheidungen zu kommen.
Die Leserschaft erfährt auch, wie genau sich weibliche und männliche Gene einen Wettbewerb um Dominanz in der Nachkommenschaft liefern, wie es um die biologischen Grundlagen von Monogamie bzw. Promiskuität bestellt ist und wie die biologischen Grundlagen von Attraktivität bei der Partnerwahl aussehen.
Der Erblichkeitsforschung nähert sich der Autor schwerpunktmäßig beim Thema “Intelligenz”, erklärt dabei auch methodische und statistische Grundlagen.
In den letzten Kapiteln des Buches stehen dann die Fragen rund um die biologische Verankerung von Geschlechtsunterschieden zwischen Männern und Frauen im Mittelpunkt.
Dem Autor ist nicht nur bewusst, dass er damit ein vermintes Gelände betritt, sondern er steigt ganz bewusst und engagiert in die gesellschaftlichen Kontroversen um die relative Macht von Biologie und Kultur ein. Seine Botschaft ist eindeutig: Er stellt sich konsequent dem Zeitgeist entgegen, verteidigt die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse gegen die Angriffe durch Wokeness-Aktivismus, stellt sogar ganz offen die wissenschaftliche Seriosität vieler “Gender-Studies” in Frage.
Auch in diesem Themenspektrum (Gender, Geschlechtsrollen, Transgender, Homosexualität, Gendermainstreaming) bezieht sich MEYER zwar über weite Teile auf Fakten und Befunde, geht in seinen gesellschaftlichen und politischen Schlussfolgerungen aber an einigen Punkten deutlich darüber hinaus. In diesen Momenten wird deutlich, was den Autor ganz persönlich umtreibt, was ihn motiviert hat, dieses Buch zu schreiben: Er will einerseits die wissenschaftlichen Standards in einem Bereich verteidigen, dem er seit Jahrzehnten seine Schaffenskraft gewidmet hat. Zusätzlich versteht er sich auch als politischer Mensch, der ganz direkt gesellschaftlichen Entwicklungen entgegentreten will, die er als ideologisch motiviert bewertet (z.B. einer umgekehrten Geschlechterdiskriminierung zum Nachteil von Männern).
Mit diesem Buch erhält man eine beachtliche Menge von gut aufbereitetem (Grundlagen-)Wissen über einen Themenkomplex, der – zusammen mit der digitalen KI-Revolution – die Zukunft unserer Spezies entscheidend prägen wird. Auch wenn hier nicht die neuesten Befunde der letzten Jahre eingegangen sind, eignet sich der Band als solide Informationsquelle über die grundlegenden Mechanismen der Genetik.
Mit der Fokussierung auf die Geschlechter-Frage berührt der Autor eine Diskussion, die seit der Veröffentlichung noch an Intensität zugenommen hat. Dass sich MEYER hier nicht mehr (nur) als neutraler Wissenschaftler zeigt, kann man verständlich, sympathisch oder vielleicht sogar notwendig finden. Man könnte es aber auch ein wenig bedauern, dass er es durch ein paar wenige – vielleicht etwas zu kämpferische – Formulierungen der “Gegenseite” erleichtert, ihn als “konservativen Antifeministen” zu brandmarken.
Es wäre tatsächlich sehr schade und extrem ungerecht, dieses extrem faktenreiche und (ganz überwiegend) differenzierte Werk in die Kulturkampf-Ecke zu verbannen.
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