
Das Buch der Journalistin, Autorin und Podcasterin STARKEN erschien wenige Tage vor der Bundestagswahl 2025. Es darf bezweifelt werden, dass dies der ursprüngliche Zeitplan war; da kam wohl das Ampel-Aus in die Quere.
Aber das Buch wurde auch sicherlich nicht mit dem primären Ziel der Beeinflussung einer Wahlentscheidung geschrieben: Das Motiv lag in der Bedürfnis, eine vertiefende Analyse eines gesellschaftlichen Trends vorzulegen: der verstärkten Zuwendung zu rechtspopulistischem Gedankengut und der dieser Stimmung repräsentierenden Partei.
Die Publikation bewirbt sich auf der Buchrückseite und auf dem Klappentext als Reise in die rechten Randzonen von Deutschland und als Ergebnis eigener Erkundungen und Gespräche. Das ist auch nicht verkehrt, weil von solchen Kontakten (natürlich) auch berichtet wird.
Überraschend ist allerdings die Gewichtung: Der Austausch mit Experten, der Bezug auf Forschungsergebnisse bzw. Veröffentlichungen und eigene strukturierende Betrachtungen nehmen einen weit größeren Raum ein, als das zu erwarten gewesen wäre.
Das macht das Buch nicht weniger wertvoll, aber ein bisschen Mogeln ist schon dabei.
Jedenfalls rechtfertigt die insgesamt doch recht geringe Zahl an geschilderten Einzel-Kontakten nicht die in Aussicht gestellte Besonderheit dieses Buches. Es ist in weiten Teilen eben doch eine politisch-soziologische Analyse – auf der Basis von persönlichen Eindrücken, Expertengesprächen und Datenmaterial.
Inhaltlich ist der Text ohne Zweifel sehr informativ und auf der Höhe des gesellschaftlichen und medialen Diskurses. Die Autorin versteht es gut, die unterschiedlichen Facetten des Themenbereiches einzufangen, zu ordnen und nachvollziehbar in gut verständlicher Sprache darzustellen. Insgesamt wirkt der Text eher wie ein journalistisches Sachbuch, als dass der persönliche Erlebnischarakter im Vordergrund stände.
Sie strukturiert ihre Betrachtungen nach Themenbereichen wie der zeitlichen, geografischen und demographischen Entwicklung, spricht die erfolgreiche Social-Media-Strategie, die zentrale Bedeutung des Migrationsthemas und das Phänomen des Protest-Wählertums an. Am Ende geht es um Strategien für Gespräche mit Menschen, die man noch nicht an den rechten Rand “verloren” wähnt. In diese Kapitel sind dann jeweils beispielhafte Begegnungen mit realen Gesprächspartnern eingestreut.
In Bezug auf die eigene Position und das politische Ziel des Buches lässt die Autorin kein Zweifel entstehen: Es geht hier nicht um eine neutrale wissenschaftliche Publikation. Der Text richtet sich an Gleichgesinnte, die auch ganz selbstverständlich geduzt werden. Das gemeinsame Ziel, den Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus zu bekämpfen, wird vorausgesetzt.
Die Autorin ist ganz eindeutig darum bemüht, keine unüberwindbare Mauern aufzubauen; sie stellt offene Fragen, ihr geht es um ein echtes Verständnis von Sichtweisen, die ihr in ihrem privaten Alltag nicht vertraut sind. Sie dämonisiert nicht, sie wertet nicht ab. Sie sucht nach Antworten, die es nur geben kann, wenn man sich auf das Bezugssystem des Gegenübers einlässt.
Was man jedoch auch durchweg spürt: Bestimmte Haltungen (z.B. zur Migration) sollen und können zwar verstanden und biografisch bzw. sozial eingeordnet werden; die Möglichkeit, dass sie auch “richtig” (angemessen, sachgerecht) sein könnten, schimmert aber an keiner Stelle durch. Man darf in diesem Buch nicht erwarten, dass das Weltbild der Autorin an irgendeiner Stelle auch nur ein bisschen ins Wanken kommt.
Man darf leider auch nicht erwarten, dass der mögliche Anteil von links-progressiv-aktivistischen Forderungen bzw. Einflussnahmen an der Rechtsverschiebung des gesellschaftlichen Klimas (selbst)kritisch analysiert wird. Wenn STARKEN auch so ziemlich jede Spur von möglicher Verursachung verfolgt: Den Blick für eine Mitverantwortung durch eine mögliche Überforderung der Mehrheitsgesellschaft hinsichtlich des zugemuteten Wandels (z.B. bei der Berücksichtigung diverser Minderheitsgruppen) hat sie nicht.
Was bleibt ist ein informatives Sachbuch – mit einem persönlichen Touch – zu einem gesellschaftlich extrem relevanten Thema. Letzteres wird sich vermutlich leider – dieser Text wurde am 23.02.25 vor der Bekanntgabe der Ergebnisse der Bundestagswahl geschrieben – nicht so schnell verändern.