
Der Autor wurde 1995 mit dem Roman “Der Vorleser” zu einer internationalen literarischen Größe und bekam auch für seine nachfolgenden Werke viel Anerkennung.
In “Die Enkelin” gelingt ihm eine grandiose Verknüpfung zwischen der einfühlsamen Schilderung einer ungewöhnlichen familiären Konstellation und einer brisanten gesellschaftlichen Herausforderung,
Erzählt wird die Geschichte des Buchhändlers Kaspar, der erst im Seniorenalter erfährt, dass seine verstorbene Frau Birgit vor ihrer Flucht zu ihm in den Westen eine Tochter geboren hatte. Während im ersten Teil des Romans die – von biografischen Bürden und Sprachlosigkeit belastete – Ehe zwischen Kaspar und Birgit im Mittelpunkt steht, geht es im Hauptteil des Plots um den schwierigen Aufbau und die hindernisreiche Gestaltung der Beziehung eines spätberufenen “Stief-Opas” zu seiner “Stief-Enkelin” Sigrun.
SCHLINK begnügt sich aber nicht mit der sensibel und psychologisch dicht beschriebenen Familien- und Beziehungsdynamik auf dem Hintergrund des geteilten Deutschlands. Indem er die jugendliche Enkelin in ein völkisch-nationales Milieu versetzt, eröffnet er eine extrem spannende Frage: Wie können späte Familienbande wachsen, wenn nicht nur ein komplizierter biografischer Rahmen, sondern auch noch ein extrem breiter ideologischer Graben den Prozess erschweren.
Die – von Zweifeln und Ambivalenzen durchzogenen – Anstrengungen des Großvaters, dem Mädchen trotz Widerstand ihrer rechtslastigen Eltern ein verlässliches Beziehungsangebot zu machen, werden transparent und nachfühlbar gemacht. Literatur und Musik sind letztliche die entscheidenden Verbindungsglieder, die weltanschauliche Hürden (zeitweise) überwinden können.
Der wohlmeinende, liberale und großzügige Bildungsbürger Kaspar wird immer stärker zu einer Identifikationsfigur; bei Birgit werden wir Zeuge ihrer inneren Zerrissenheit. Dem Tanz dieser beiden Figuren zuzuschauen, bereitet echtes Lesevergnügen.
Der Roman spricht Intellekt und Emotionen gleichermaßen an. Zwar konstruiert der Autor eine extrem spezielle Ausgangssituation, siedelt in ihr aber eine ganze Reihe thematische Fragestellungen von prinzipieller Bedeutung an. Dabei geht es auch um den Preis, den das “Nichtgesagte” in einer Beziehung haben kann, um die Möglichkeit einer Liebe unter schwierigsten Bedingungen und eben um das relative Gewicht von Weltbildern und Bindung.
Die entscheidende Botschaft SCHLINKs: So persönlich kann das Politische sein, so politisch das Persönliche!
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