“Kairos” von Jenny ERPENBECK

Bewertung: 3.5 von 5.

So ein internationaler Buchpreis macht neugierig!
Wenn die literarische Aufarbeitung innerdeutscher Zeitgeschichte sogar im englischsprachigen Ausland geehrt wird, dann muss ja wohl etwas dran sein…

Erzählt wird die Geschichte einer Liebesbeziehung zwischen einem verheirateten Kulturschaffenden (Hans) und einer (sehr viel) jüngeren Frau (Katharina). Nach einem furiosen Start gerät das Paar wegen einer kurzfristigen externen Liebelei der Frau in eine Dauer-Krise, die von extrem toxischen Verhaltensweisen des Betrogenen bestimmt wird, der selbst in seiner Ehe verbleibt.

Der geografische und zeitgeschichtliche Hintergrund wird durch das Endstadium der DDR gesetzt. Zahlreiche kulturelle, politische und soziale Bezüge, äußere Ereignisse und konkrete Inhalte der Handlung beziehen sich auf die Rahmenbedingungen der DDR-Endzeit.

Die beiden Hauptfiguren und der Handlungsfaden, den sich um sie bildet, sind doch ziemlich sperrig. Zunächst fällt es nicht gerade leicht, die grenzenlos-verliebte Anfangseuphorie des des bereits älteren Herren wirklich zu verstehen. Noch höhere Anforderungen an die Toleranz der Lesenden stellt die – geradezu endlose – Darstellung seiner fast sadistisch wirkenden (jedenfalls aber hochneurotischen) Bestrafungsrituale, die von Katharina in einer kaum zu ertragenden Unterwürfigkeit hingenommen werden. Kaum auszuhalten und in dieser Extremität nicht wirklich glaubwürdig.

Die Qualität dieses Romans liegt am ehesten in der Sprachkunst der Autorin und ihrer Fähigkeit, die historische Atmosphäre so geschickt mit der Handlung zu verweben, dass sie permanent spürbar wird. Leser/innen, die mit den damaligen Verhältnissen vertraut sind und die Anspielungen auf reale Personen, Institutionen und Vorgänge direkter interpretieren können, werden sicher noch einen größeren Gewinn aus dem Text ziehen können.

Empfehlenswert ist das Buch ganz sicher für literarisch und zeitgeschichtlich Interessierte. ERPENBECK hat alles andere als einen Durchschnittsroman geschrieben und man kann gut nachvollziehen, dass er in Kritikerkreisen aufgefallen ist.
Wer allerdings einen Beziehungsroman mit einer stringenten Handlung und mit psychologisch kohärenten Figuren sucht, die auch ein Identifikationspotential bieten, könnte durchaus eine gewisse Enttäuschung erleben.

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