
Die letzten beiden Romane (Die Wurzeln des Lebens, Erstaunen) des Vielschreibers POWERS boten grandioses Lesevergnügen für Hirn und Herz. Kann das neue Buch hier mithalten?
POWERS geht mit gewohnter sprachlicher Kraft und kompromissloser Detailliertheit an seine aktuellen Themen heran. Er verbindet in einer kunstvollen Konstruktion diesmal fünf große Komplexe:
– die Bedeutung, Schönheit und Gefährdung des Lebensraumes Ozean,
– die Sehnsucht nach einer naturverbundenen, menschenfreundlichen Lebensform,
– die Faszination und die Risiken der allumfassenden Digitalisierung bzw. der KI-Revolution,
– den Stellenwert, den Freundschaft und Beziehung in dieser Welt (noch) haben kann,
– das Nachlassen geistiger Kräfte im Rahmen einer Demenzerkrankung.
Was in Form separater Plots beginnt, verwebt sich im Laufe des Romans zu einem weitläufigen Erzählteppich, in dem die Themen und Erkenntnisse ineinander verlaufen und letztlich in einem geradezu philosophischen Finale enden.
Natürlich sind die Handlungen an bestimmte Protagonisten gekoppelt: Da gibt es eine leidenschaftliche Taucherin, die ihr ganzen Leben der Unterwasserwelt verschreibt (und trotzdem eine erfüllte Ehe führt). Da sind zwei Freunde – der eine weiß, der andere schwarz – die verzweifelt um ihre Beziehung kämpfen. Da ist der geniale Digital-Visionär, den seine Social-Media-Plattform steinreich macht. Und da sind die Bewohner eines abgelegenen Atolls im Südpazifik, die zum zweiten mal Bekanntschaft mit der kapitalistischen Verwertungslogik machen.
Die magischen Momente dieses Buches liegen aber nicht in der komplexen Konstruktion des Handlungsgerüstes, sondern in den üppigen, überschwänglichen und facettenreichen Detailschilderungen maritimer Lebensformen. Die sprachliche Vermittlung dieser grandiosen, für die allermeisten Menschen völlig unzugänglichen Welt erzeugt eine Dichte und Intensität, die selbst die technisch perfektesten Videoaufnahmen nicht generieren könnte. In Live-Bildern könnte man – so der Eindruck – diese Vielfalt und Differenziertheit gar nicht sehen und erfassen; erst die Versprachlichung kann die dafür notwendigen Wahrnehmungskanäle öffnen. So vollbringt POWERS das kleine Wunder, dass er uns mit Worten die Augen auf ein verborgenes (und bedrohtes) Paradies öffnet.
Der Konflikt zwischen Ursprünglichkeit und Fortschritt spielt sich – wie angedeutet – auf einer kleinen Tropeninsel ab. Auch hier geht POWERS mit Akribie zur Sache und lässt der Ambivalenz der Betroffenen, in der private und gesellschaftliche Aspekte sich treffen, sehr viel Raum.
Das Titel-Grundmotiv “Spiel” taucht an verschiedenen Stellen des Buches in ganz unterschiedlichen Kontexten auf: Das Spielen verbindet Menschen und Tiere untereinander und miteinander; man kann es in Lebensläufen und Beziehungen erkennen – und wenn man will, sogar als kosmisches Prinzip, das über allem steht.
POWERS gibt es nur als volle Dröhnung; mit gebremster Kraft kann dieser sprachgewaltige und detailverliebte Mensch nicht schreiben. Das führt dazu, dass sicher manche/r Leser/in an mancher Stelle mal überfordert fühlen könnte – angesichts von Quantität und Intensität des Materials.
Das breite Spektrum der dargebotenen Perspektiven auf unsere Welt und unser Leben wird und kann nicht in allen Aspekten für alle passen; das gilt u.a. auch für die Schlussbetrachtungen.
Insgesamt ist die Fülle und die Tiefe der in diesem Roman enthaltenen Anregungen bzw. Denk- und Fühlanstößen über jeden Zweifel und jede Kritik erhaben.
Es ist wieder ein großer Roman!
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