
Dieses Buchprojekt erweckt von der ersten Seite ab einen persönlichen, privaten Eindruck. Hier denken zwei Gleichgesinnte über Wege nach, mit welchen Grundhaltungen man den Herausforderungen des menschlichen Daseins wohl am sinnvollsten begegnen könnte.
Angestoßen wurde dieses Vorhaben durch den offensichtlichen Widerspruch zwischen den realen Belastungen und existentiellen Zumutungen des Lebens (hier in Form einer Krebserkrankung) und den oft marktschreierischen Statements, mit denen der grenzenlose Glaube an die Machbarkeit von Erfolg, Glück und Selbstvervollkommnung propagiert wird.
Kurz gesagt: Das Autorenpaar glaubt nicht daran, dass mithilfe von Optimismus und Selbstsuggestion alles erreichbar ist, man sich also den unvermeidlichen tragischen Aspekten des Lebens durch das richtige Mindset entziehen kann.
Persönlich wirkt nicht nur der Zugang zum Thema, sondern auch die Form der Betrachtung. HIMPSEL und WERNER berühren zwar ein weites Spektrum von Inhalten aus den Bereichen Psychologie und Philosophie, handeln jedoch die vielfältigen Aspekte nicht im Stil einer systematischen Analyse ab, sondern durchstreifen die Landschaft der Einstellungen, Haltungen und Glaubenssätze im Rahmen einer langen, ruhig dahinfließenden Plauderstunde.
Dabei mixen sie Lebensweisheiten der angewandten Philosophie, wissenschaftliche Untersuchungsbefunde und persönliche Erfahrungen bzw. Erkenntnisse zu einem kohärenten roten Faden zusammen. Was dabei herauskommt, ist viel mehr als eine Abrechnung mit den Abstrusitäten der Positiven Psychologie: Letztlich entfalten die Autoren nichts weniger als eine Art ganzheitlichen “Lebensratgeber”.
Im Laufe des Parcours durch das Labyrinth der – letztlich toxischen – Haltungen und Erwartungen, die man dem Leben gegenüber entwickeln kann, lassen die beiden kaum einen Aspekt aus: Es geht um das Werben der Motivationstrainer (“anything goes”), um die Verantwortung für die eigenen Kognitionen (“du musst nur richtig denken”), um die Relativierung aller äußeren Geschehnisse (“wichtig ist nur, was du daraus machst”), um den unstillbaren Drang zur Perfektionierung und Selbstoptimierung (“man kann immer noch besser werden”), um die Manipulationstechniken des NLP, um die steigende Angst, etwas zu verpassen oder falsch zu entscheiden (“lebe das bestmögliche Leben”),
Dieser Welt des zwanghaften Optimismus und der permanenten Perfektionierung stellen die Autoren zunächst eine radikale Negation entgegen. Die Antithese heißt bei ihnen “Zynismus” (oder Skeptizismus). Ganz im Sinne der Dialektik führen sie aus, dass eine solche Lebenseinstellung (natürlich) auch nicht die Lösung sein kann.: Depressivität und Pessimismus haben ihren Preis.
Was dann zwangsläufig auf die Synthese, also die goldene Mitte hinausläuft: Die hat für die Autoren viel mit Realismus, Pragmatismus, Gelassenheit, Selbstbeschränkung, Rationalität, Wissenschaftlichkeit, Anerkennung von Begrenzungen und Endlichkeit, der Kunst der kleinen Schritte und alltäglichen Freuden zu tun.
Auf dem Weg dahin wird noch die ein oder andere Schleife durch die Philosophiegeschichte geflogen – Diogenes, Sokrates, Marc Aurel, Kierkegaard, Schopenhauer, Kant, Beauvoir, Hume, Nietzsche, Heidegger und viele andere lassen grüßen.
Im Schlusskapitel gewinnt dann doch eine – auf realistisches Maß reduzierte – optimistische Lebenssicht. Es gibt sie ja wirklich – die sich selbst erfüllende Prophezeiung. Und im Zweifel sollte man sie in positiver Richtung nutzen – aber mit Maß, Gelassenheit und Vernunft.
Wer sich gerne mal treiben lässt, sich vertrauensvoll in die Hände kundiger Reiseführer begibt und auch vor überraschenden Wendungen nicht bange ist – der kann es mit dem Autoren-Duo mal versuchen. Man muss die Mischung mögen und darf sich auch von einem zwischenzeitlichen Plauderton nicht abschrecken lassen.
HIMPSEL und WERNER bieten ihre Quintessenz im Umgang mit den großen Fragen des Lebens an. Anregend ist das auf jeden Fall.
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