
Wer bin ich – dass ich mich mal eben an meinen Laptop setze
und eines der bekanntesten literarischen Werke der zweiten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts rezensieren will.
Darf ich das einfach so – als ob es eine beliebige Neuerscheinung wäre? Oder
sollte ich mich vorher schlau machen, andere Rezensionen oder literaturwissenschaftliche
Aufsätze (oder wenigstens Wikipedia) studieren?
Nein, ich bleibe standhaft! Ich mache es wie immer und schreibe einfach
drauflos. Wer etwas anderes möchte, kann sich gleich an die anderen Quellen
wenden…
Seit meinem ersten (und letzten) Lesen des bekanntesten Kundera-Buches sind deutlich mehr als 30 Jahre vergangen. Zu gerne wüsste ich, was ich damals beim Lesen empfunden und gedacht habe. Wie sehr gleichen sich Reaktionen auf Bücher nach einem Generations-Zeitraum?
Was mir heute als erstes auffällt: Wie deutlich es von der
ersten Seite an wird, dass man „echte“ Literatur (als Kunstform) in den Händen
hält. Kundera erzählt keine Geschichte (das tut er natürlich auch), der Autor
spielt mit der Sprache: mit den Erzähl-Ebenen, mit Metaphern, mit Assoziationen,
mit Selbstbetrachtungen, mit Bezügen auf andere Kunstwerke, mit philosophischen
Aussagen über existentielle Fragen, usw.
Als verbindendes Motiv taucht – immer mal wieder – die Metapher von der „Leichtigkeit“
des Lebens aus dem Untergrund auf. Diese Leichtigkeit wird ersehnt, kann aber
letztlich doch nicht dauerhaft gelebt („ertragen“) werden.
Auf der inhaltlichen Ebene geht es um zwei Themen: die Liebe und die Politik.
Erzählt wird die Geschichte einer eigentlich verzweifelten,
unlebbaren, alles andere als „normalen“ Liebe zwischen einem notorischen Frauenhelden (Tomas)
und seiner Frau Teresa, die sich unablässig und erfolglos bemüht, die amourösen
Abenteuer ihres Mannes „leicht“ zu nehmen.
Mit etwas kritischem Abstand würde man diesen Tomas wohl heute „sexsüchtig“
nennen; er braucht nahezu täglich (mindestens) eine sexuelle Erfahrung (mit
möglichst vielen verschiedenen Frauen). Dabei verzweifelt er daran, dass die
von ihm erlebte Trennung zwischen Sex und Liebe anderen Menschen – insbesondere
Teresa – nicht gelingt. Doch ist auch diese – durchaus echte – gegenseitige
Liebe nicht ganz ohne Zauber und Perspektive…
Erzählt wird aber auch die Geschichte von der Niederschlagung
der sogenannten „Prager Frühlings“ durch die sowjetischen Besatzer und die
Auswirkung dieser Intervention auf die tschechischen Menschen (besser gesagt:
auf die intellektuellen und politisch engagierten Kreise).
Der klare historische Bezug zu dieser Entlarvung des „realen“ Sozialismus
russischer Prägung war sicher der bedeutsamste Grund, warum aus diesem Roman
ein weltweit beachtetes literarisches Ereignis wurde.
Es geht um Standhaftigkeit und Opportunismus, um die zersetzende Wirkung von Einschränkungen
und Bedrohungen, um Achtung und Selbstachtung.
Verraten sei an dieser Stelle, dass der Protagonist (Tomas) den Weg der
Selbstachtung wählt – dabei aber nicht ohne Ambivalenzen bleibt.
Ansonsten steckt das Buch voller anregender, kluger, provozierender und manchmal auch skurriler Exkurse: Es geht um Zufall, um Kitsch, um Kunst, um die Liebe zum Tier und immer wieder um den menschlichen Körper (oft, aber nicht nur als Objekt der Begierde).
Die Bilanz:
Kundera kann man nicht so im Vorbeigehen lesen. Er schreibt durchaus auch sperrig bzw. assoziativ.
Und natürlich merkt man dem Buch an, dass es aus einer anderen Zeit stammt. Wenn man zu dem zeitgeschichtlichen Hintergrund gar keinen Bezug hat, fällt es vielleicht schwer, diesen Teil der Botschaft in ihrer Tragweite nachzuvollziehen.
Für mich hat es sich gelohnt. Am liebsten würde ich alle für mich irgendwann bedeutsamen Bücher noch einmal lesen – aber was wird dann mit den Neuen?!
(Hinweis: Der Roman wurde auch verfilmt, durchaus erfolgreich).