Es gab für mich drei Anlässe, mich mal wieder stärker mit dem wohl öffentlichkeitswirksamsten deutschen Philosophen zu befassen:
– sein neues Buch (“Das Jahrhundert der Toleranz“)
– das Gespräch bei “Hotel Matze” vom 02.06.24
– den LANZ/PRECHT-Podcast vom 14.06.24
PRECHT ist in den letzten 2-3 Jahren vom Publikumsliebling zu einer ziemlich umstrittenen Person geworden. Auch ich habe im Zusammenhang mit gewissen Corona-Aussagen, mit seiner (überzogenen) Medienkritik (“Die vierte Gewalt”), mit seinem permanenten und schädlichen GRÜNEN-Bashing und mit bestimmten Aussagen zum Ukraine-Krieg eine zunehmende Distanz empfunden. Sein aktuelles Buch hat in diesem Prozess eine Art Höhepunkt gesetzt; entsprechend kritisch hab ich es beurteilt.
Ein wenig habe ich das bedauert, weil ich damit einen bis dahin hilfreichen Bezugspunkt für meine eigenen weltanschaulichen und politischen Gedanken verloren habe.
In dem über zweistündigen Gespräch mit “MATZE” ist das Befremden über bestimmte Haltungen nicht ausgeräumt worden. Trotzdem empfand ich es als ein Gewinn, PRECHTs Bewertungen und Überzeugungen hinsichtlich der GRÜNEN, der Stellung Deutschlands in der Welt und des Umgangs mit dem Ukraine-Krieg mal im Zusammenhang mit seiner persönlichen Biografie zu einordnen zu können.
Auf “persönlicher” Ebene ist er mir tatsächlich wieder etwas näher gekommen; die ruhige und sensible Gesprächsführung von MATZE hat es der abgewogenen und sympathischen Seite von PRECHT leichter gemacht, sich gegen seine besserwisserischen Arroganz durchzusetzen.
Wer Unterstützung für die Positionen sucht, die der militärischen Stärkung gegenüber Russland etwas diplomatisch-pazifistisches entgegensetzen will, bekommt das in diesem Gespräch sicher auf einem höheren Niveau als von Wagenknecht oder der AfD.
Wer allerdings konkrete Antworten darauf sucht, wie denn die imperialistische Strategie Putins ohne eigene Stärke “eingepflegt” werden könnte, wird auch bei PRECHT eher leer ausgehen.
Auch als Alternative zum Lesen seines aktuellen Buches über Außenpolitik eignet sich dieser Podcast durchaus; man bekommt einen guten Überblick.
Der aktuelle LANZ/PRECHT-Podcast ist ein echtes Medienereignis – vorausgesetzt man interessiert sich überhaupt für diese beiden meinungsmachenden Promis.
Wer in dieses Format schonmal reingehört hat, wird sich immer wieder gewundert haben, wie die beiden zusammenfinden und -bleiben. Für mich war das nur möglich, weil LANZ oft gar nicht zu verstehen scheint, wie weit PRECHTs Ansichten von seinen entfernt sind, und weil beide bereit sind, über Differenzen immer wieder eine Decke der Beschwichtigung zu legen.
Um es gleich zu sagen: Ich empfehle diese wöchentliche Podcast-Reihe keineswegs! Zu oft findet dort ein relativ niveauloses Geplauder zweier Schlaumeier statt, mit einem sehr begrenztem Erkenntnisgewinn.
Aber: Die Folge vom 14.06. lohnt sich, ist spannend und aufschlussreich. Es geht dem Titel nach um die Europawahl, tatsächlich aber um den Klimawandel und die GRÜNEN.
PRECHT tritt dort erfrischend klar und kämpferisch auf, zeigt sich als überzeugter Kämpfer gegen Ignoranz und Relativierung gegenüber der anrollenden Klimakatastrophe.
Wer schon immer mal an der Unfähigkeit von LANZ verzweifelt ist, bestimmte Zusammenhänge wirklich in sein Denken zu integrieren, bekommt hier ein spannendes Psychogramm.
Mich hat dieses Gespräch zu folgendem Kommentar (auf YouTube) motiviert:
Hier wird endlich mal für alle offensichtlich, wie unterschiedlich die beiden in diesem Bereich ticken.
PRECHT hat eine eindeutige Analyse und redet Klartext. Super! Allerdings sollte er mal erklären, warum er seit Jahren durch sein permanentes und oft geradezu vernichtendes GRÜNEN-Bashing dazu beiträgt, deren Einflussmöglichkeiten auf die Klima- und Umweltpolitik zu schwächen. Hier nimmt er als öffentlicher Intellektueller seine Verantwortung nicht wahr – nur weil er immer noch ein bisschen schlauer und konsequenter sein will als die – vermeintlich zu weichgespülten – Realpolitiker.
LANZ ist schlichtweg nicht in der Lage, die Dringlichkeiten zu begreifen. Sobald eine bestimmte Schwelle überschritten wird, wehrt er die notwendigen Schlussfolgerungen emotional ab: Seit Jahren nervt er mit dem Argument der “Moralisierung” – als ob es ein Makel wäre, das bestimmte Positionen (Klimaschutz) nun mal mit moralischen Zielsetzungen (lebenswerte Zukunft erhalten) übereinstimmen. LANZ will es einfach nicht wahrhaben, dass es in der Klimafrage keine zwei Seiten mit einer “neutralen” Mitte gibt, sondern jede Menge gut gesicherte Modelle, die nahezu in allen Bereichen von der Realität noch überholt werden. Obwohl er zwischendurch vernünftige Sachen sagt, kann er letztlich die Vorstellung offenbar nicht ertragen, dass die Lage wirklich so dramatisch ist und ein echtes Umsteuern erfordert. Und wenn es argumentativ eng wird, flüchtet er sich in Einzelfragen (Überschwemmungen), verwechselt Prognosen mit der Gegenwartsbeschreibung (Klima-Flüchtlinge) oder wettert zum zehnten Mal über das Moralisieren (das er mit der klaren Beschreibung einer von ihm gerne relativierten Realität gleichsetzt).
Das ist alles schwer auszuhalten…