“Plädoyer für die Freiheit und gegen die Gleichheit” von Andreas EDMÜLLER

Bewertung: 3 von 5.

Das Cover dieses Buches wirkt fröhlich-verspielt, das Thema ist von großer Tragweite, der Stil ist (weitgehend) systematisch-analytisch, der Zugang ist philosophisch-politisch, die Positionierung ist extrem und provokant.
Es geht um das große Thema “Gerechtigkeit” – und dabei vor allem um die Frage, ob und wie weit organisierte Gesellschaften (Staaten) das Recht oder die Pflicht haben, Ungleichheiten zwischen ihren Mitgliedern durch Eingriffe in das “freie Spiel der Marktkräfte” auszugleichen.

In seinem sehr übersichtlich strukturierten Text nähert sich der Autor dem Thema, indem er zunächst über “objektive Normen” und mögliche Grundlagen einer philosophischen Staatstheorien nachdenkt. Es geht um “interessensgeleitete” Begründungen für die Übertragung von Macht an eine Zentralinstanz, die letztlich in “Vertragstheorien” der Staatsbildung münden.
EDMÜLLER wendet sich dann den etablierten Gerechtigkeitskonzepten der (von ihm aus betrachtet) “Gegenseite” zu, die vom Grundsatz her auf Ideen der Gleichheit basieren. Der Hauptteil seiner Darstellungen widmet EDMÜLLER nämlich der (vermeintlichen) Schwächung bzw. Widerlegung des Utilitarismus und der Ansätze von RAWLS und DWORKIN.
Der letzte Teil des Buches ist dann dem bevorzugten Gesellschaftsmodell gewidmet: dem libertären Minimalstaat, dessen Aufgabe es ist, die Freiheitsrechte des Einzelnen (insbesondere das Eigentumsrecht) auch weitestgehend gegen jegliche Ansprüche auf Nachteilsausgleich oder Gemeinwohlförderung zu verteidigen.

EDMÜLLER ist kein pauschalisierender Eiferer: Er vertritt seine – selbst als provokant und radikal eingeschätzte – Position auf der Basis einer differenzierten Argumentationslogik, die philosophische, formal-logische, politische und psychologische Aspekte berücksichtigt.
So baut er im Rahmen eines Systems von Axiomen und Grundüberzeugungen schrittweise ein Begründungsgerüst auf, das seinen Schlussfolgerungen den Anschein einer gewissen Zwangsläufigkeit verleihen soll.
Der Autor erweist sich dabei als guter Didaktiker: Er präsentiert seine Darstellungs- und Argumentationslinien auch auf der Meta-Ebene so transparent, dass die Leserschaft zu keinem Zeitpunkt die Orientierung verliert. Es gelingt im ausgezeichnet, die jeweiligen Kernpunkte der verschiedenen Konzepte fassbar zu machen. Das führt dazu, dass auch die von ihm inhaltlich abgelehnten Konzepte in einer bemerkenswerten Klarheit dargestellt werden. Allerdings spürt man dabei zunehmend die Konzentration auf die Aspekte, auf denen er sein Gegenmodell aufbauen will: Er arbeitet – mit bemerkenswerter Akribie – heraus, welche Begriffe sich als unzureichend definiert, welche Schlüsse als nicht solide abgeleitet und welche Konsequenzen als widersprüchlich oder unakzeptabel erweisen (jeweils aus seiner Sicht).

Für viele (potentielle) Leser/innen könnte sich so am Ende des Textes folgende Situation ergeben: Obwohl sich die Position des Autors (“Maximale individuelle Freiheit bei Verzicht auf jeden sozialen Gleichheitsanspruch”) scheinbar logisch zwingend aus der Argumentationskette ergibt, will man in dieser Gesellschaft, in der Ungleichheit geradezu als Inkarnation der Freiheit definiert wird, nicht wirklich leben! Irgendetwas fühlt sich extrem unstimmig an: Sollten sich doch in diesem so seriös und wissenschaftlich formulierten Text ein paar sehr subjektive Setzungen und Haltungen verbergen? Dient dieses ganze so formal und akkurat konstruierte Gebäude vielleicht letztlich doch nur dazu, ein extrem neo-liberales, auf dem Egoismus der Privilegierten fußendes Gesellschaftsmodell zu legitimieren?

Schauen wir uns ein Beispiel an: In EDMÜLLERs Angriff auf das bekannte Gerechtigkeitsmodell von RAWLS spielt die Unterscheidung zwischen “schicksalhaften” und “selbstverschuldeten” Ungleichheiten eine große Rolle. Geradezu süffisant macht der Autor darauf aufmerksam, dass es schließlich auf den “Eigenanteil” ankäme, mit dem jede/r auf die (tatsächlich ungleiche) Verteilung von Talenten und Privilegien reagieren könne.
Offenbar fehlt EDMÜLLER jegliches psychologisches Wissen bzw. Verständnis für den Umstand, dass auch solche Ressourcen wie Fleiß, Disziplin, Impulskontrolle, Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz nicht in der freien Verfügung von Menschen stehen, sondern ihrerseits von prägenden Faktoren abhängig sind – die ganz sicher nicht gleich und gerecht verteilt sind.
Später wird deutlich, dass der Autor gegenüber den Einschränkungen der Lebensziele privilegierter Menschen (den diese durch Beiträge zum Gemeinwohl erleiden müssen) eine wesentlich höhere Sensibilität zeigt, als er sie in Bezug auf tatsächlich benachteiligte Gruppen aufbringen kann.

Letztlich kommt die Idee auf, dass EDMÜLLER mit seinem Plädoyer (für Freiheit, gegen Gleichheit) vielleicht ungewollt ein starkes Gewicht für die – so heftig bekämpfte – Gerechtigkeitstheorie von RAWLS in die Waagschale geworfen hat: Man kann sich nämlich nicht vorstellen, dass der Autor unter Bedingungen, in denen er keine Informationen über seine persönlichen Voraussetzungen hätte, sich für die unerbittlichen Regeln seines Minimal-Staates entschieden hätte. Genau diesen “Schleier der Unwissenheit” fordert RAWLS aber in seinem berühmten Gedankenexperiment.
Letztlich kann daher dieses Buch – trotz aller formaler Stärken – inhaltlich nicht überzeugen. Ohne Zweifel bietet es aber interessantes und anregendes Trainingsmaterial für differenzierte Auseinandersetzungen in diesem Bereich der angewandten Philosophie.

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“Keine Zeit für Pessimismus” von Dirk ROSSMANN und Josef SETTELE

Bewertung: 4 von 5.

Der bekannte Unternehmer Dirk ROSSMANN ist ein umtriebiger Mensch, dem der Aufbau eines Drogerie-Imperiums als Lebensleistung ganz offensichtlich nicht ausreicht (auch das wird in diesem Buch zum Thema). Besonders öffentlichkeitswirksam wurden seine Aktivitäten durch 3 Umwelt-Thriller (die Oktopus-Reihe).
Mit seinem aktuellen Buch (2025) wechselt ROSSMAN das Genre: Dargeboten wird solider Wissenschaftsjournalismus in Form eines gut lesbaren Sachbuchs. Der Mitautor SETTELE (Biologe und Umweltforscher mit dem Spezialgebiet “Schmetterlinge”) ist dabei nicht als Ghostwriter tätig; stattdessen ergänzen sich offenbar die Textbeiträge beider Autoren.
Inhaltlich geht es beispielsweise um Mikroplastik, Mini-Wälder, Antibiotika-Forschung, Batterie-Optimierung und um ein Schulmodell. Insgesamt werden diese und andere Projekte in 10 Kapiteln vorgestellt; auch die Autoren gönnen sich jeweils ein Kapitel.

Von zahlreichen anderen Nachhaltigkeits-Büchern unterscheidet sich “Keine Zeit” insbesondere in einem Punkt: Hier werden die dargestellten Transformations-Ideen für Produkte, Herstellungsmethoden oder Zukunfts-Konzepte nicht als – mehr oder weniger austauschbare – Beispiele für bestimmte Trends angeführt. Durch die Breite und Tiefe der Präsentation bekommen die ausgewählten Themen bzw. Personen so etwas wie ein Eigenleben: Sie erheben sich aus der Masse von Initiativen, werden fassbar, bekommen Konturen und Individualität.
Ein weiterer Gewinn beinhaltet die gewählte Nah-Perspektive, in dem sie Motivationen, Prozesse und Strategien erkennbar macht: Die verschlungenen und kräftezehrenden Wege von einer Idee bis zur marktreifen Umsetzung werden so verstehbar; gleichzeitig entsteht ein Gefühl dafür, warum auch gute Ansätze oft scheitern.

Es fehlt noch ein Bezug zum Titel: Die Autoren wollen Pessimismus vertreiben und Optimismus säen. Das entspricht nicht nur ihrer persönlichen Grundhaltung, sondern hat ganz pragmatische Ziele: Der Glaube daran, dass eine bessere Zukunft möglich ist, schafft Motivation, weckt Tatendrang und wirkt sozial ansteckend. Auch deshalb gehen sie so in die Tiefe: Es soll deutlich werden, auf welchen psychologischen Mechanismen leidenschaftliches Engagement entstehen kann.
Auf dieser Basis wird dann auch ein wenig Kritik an den Weltuntergangs-Aktivisten (meine Formulierung) formuliert.

Die Autoren schaffen es in diesem Buch vorbildlich, den Weg zur Nachhaltigkeitswende aus dem Bereich der immer gleichen Schlagworte zu befreien und in lebendiger Form zu konkretisieren.
Angesichts dieser Leistung ist es sicher tolerierbar, dass die beiden älteren Herren am Ende des Buches ein wenig (selbstverliebte) Eigenwerbung betreiben. Man darf z.B. ruhig ein wenig stolz darauf sein, wenn man mit den Gewinnen seines Unternehmens eine ganze Reihe von gesellschaftlich relevanten Projekte unterstützt (statt sich einen Privatjet zu leisten).
Wenn man insbesondere an inhaltlichem und strukturellem Sachwissen interessiert ist, wird man vermutlich das ein oder andere private Detail oder bestimmte Anekdoten für verzichtbar halten. Dass dieses Buch andere – eher strukturelle und politische – Facetten der Nachhaltigkeits-Thematik weitgehend auslässt, kann kein ernsthafter Kritikpunkt sein: Der Anspruch auf eine umfassende Darstellung wird an keiner Stelle erhoben (und wäre auch eher unrealistisch).
Anders als bei den Oktopus-Thrillern (Bd. 1 / Bd. 2 / Bd. 3) kann hier jedenfalls eine uneingeschränkte Empfehlung ausgesprochen werden.

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“Adams Apfel und Evas Erbe” von Axel MEYER

Bewertung: 4 von 5.

Bei einem 10 Jahre alten naturwissenschaftlichen Sachbuch (erschienen 2015) stellt sich vorweg die Frage, ob nicht schon die mangelnde Aktualität gegen die Beschäftigung mit dieser Publikation spricht.
Ich will im Folgenden u.a. begründen, warum ich darauf mit “nein” antworte – und es deshalb auch nicht bereue, dieses Buch gelesen zu haben.

Der international bekannte Zoologe (spezialisiert auf Genetik und Evolutionsbiologie) legt in diesem durchaus schwergewichtigen Band (375 Textseiten) zunächst einmal eine Einführung in die allgemeine Genetik vor. Diese ist zwar für Laien gut verständlich geschrieben, geht aber hinsichtlich der Informationstiefe deutlich über einen wissenschaftsjournalistischen Standard hinaus. Das ist kein Text, in dem man zur Entspannung kurz vor dem Schlafengehen ein wenig schmökert.

Vermittelt wird solides Basiswissen in klassischer Genetik, das sich dann schrittweise auf die biologischen Grundlagen der Geschlechtlichkeit fokussiert. Auch hier geht es deutlich unter die Oberfläche: Der (durchaus komplizierte) Zusammenhang zwischen der Chromosomen-Ausstattung und der Entwicklung eines männlichen bzw. weiblichen Körpers wird in aller Differenziertheit betrachtet.
In einem weiteren Kapitel werden die – insgesamt sehr seltenen – Abweichungen und Ausnahmen erklärt, ebenso wie die Versuche, im Grauzonen-Bereich zu sinnvollen Entscheidungen zu kommen.
Die Leserschaft erfährt auch, wie genau sich weibliche und männliche Gene einen Wettbewerb um Dominanz in der Nachkommenschaft liefern, wie es um die biologischen Grundlagen von Monogamie bzw. Promiskuität bestellt ist und wie die biologischen Grundlagen von Attraktivität bei der Partnerwahl aussehen.
Der Erblichkeitsforschung nähert sich der Autor schwerpunktmäßig beim Thema “Intelligenz”, erklärt dabei auch methodische und statistische Grundlagen.

In den letzten Kapiteln des Buches stehen dann die Fragen rund um die biologische Verankerung von Geschlechtsunterschieden zwischen Männern und Frauen im Mittelpunkt.
Dem Autor ist nicht nur bewusst, dass er damit ein vermintes Gelände betritt, sondern er steigt ganz bewusst und engagiert in die gesellschaftlichen Kontroversen um die relative Macht von Biologie und Kultur ein. Seine Botschaft ist eindeutig: Er stellt sich konsequent dem Zeitgeist entgegen, verteidigt die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse gegen die Angriffe durch Wokeness-Aktivismus, stellt sogar ganz offen die wissenschaftliche Seriosität vieler “Gender-Studies” in Frage.

Auch in diesem Themenspektrum (Gender, Geschlechtsrollen, Transgender, Homosexualität, Gendermainstreaming) bezieht sich MEYER zwar über weite Teile auf Fakten und Befunde, geht in seinen gesellschaftlichen und politischen Schlussfolgerungen aber an einigen Punkten deutlich darüber hinaus. In diesen Momenten wird deutlich, was den Autor ganz persönlich umtreibt, was ihn motiviert hat, dieses Buch zu schreiben: Er will einerseits die wissenschaftlichen Standards in einem Bereich verteidigen, dem er seit Jahrzehnten seine Schaffenskraft gewidmet hat. Zusätzlich versteht er sich auch als politischer Mensch, der ganz direkt gesellschaftlichen Entwicklungen entgegentreten will, die er als ideologisch motiviert bewertet (z.B. einer umgekehrten Geschlechterdiskriminierung zum Nachteil von Männern).

Mit diesem Buch erhält man eine beachtliche Menge von gut aufbereitetem (Grundlagen-)Wissen über einen Themenkomplex, der – zusammen mit der digitalen KI-Revolution – die Zukunft unserer Spezies entscheidend prägen wird. Auch wenn hier nicht die neuesten Befunde der letzten Jahre eingegangen sind, eignet sich der Band als solide Informationsquelle über die grundlegenden Mechanismen der Genetik.
Mit der Fokussierung auf die Geschlechter-Frage berührt der Autor eine Diskussion, die seit der Veröffentlichung noch an Intensität zugenommen hat. Dass sich MEYER hier nicht mehr (nur) als neutraler Wissenschaftler zeigt, kann man verständlich, sympathisch oder vielleicht sogar notwendig finden. Man könnte es aber auch ein wenig bedauern, dass er es durch ein paar wenige – vielleicht etwas zu kämpferische – Formulierungen der “Gegenseite” erleichtert, ihn als “konservativen Antifeministen” zu brandmarken.
Es wäre tatsächlich sehr schade und extrem ungerecht, dieses extrem faktenreiche und (ganz überwiegend) differenzierte Werk in die Kulturkampf-Ecke zu verbannen.

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“Gar es ohne Bares” von Sebastian MAAS

Bewertung: 4.5 von 5.

Um in dem unüberschaubaren Markt der Kochbücher auf sich aufmerksam zu machen, muss man schon irgendein Alleinstellungsmerkmal liefern. Sebastian MAAS macht es über die Low-Budget-Schiene. Ihm kommt dabei der segensreiche Umstand zupass, dass er bei SPIEGEL-online eine Kolumne hat (die dort “Kochen ohne Kohle” heißt.

Doch es geht dem Redakteur und Hobby-Koch nicht nur um den Nachweis, dass auch eine extrem knappe Haushaltskasse eine kreative und abwechslungsreiche Ernährung ermöglicht. Auch unabhängig von der Knete zeigt MAAS ein Herz für seine Zielgruppe: junge Leute, die in ihren WGs die ersten Verselbständigungs-Schritte in Richtung Selbstversorgung machen.
Der Autor schafft einen entsprechenden Kontext, in dem er seine Rezepte in kleine Geschichten aus dem Studenten- und WG-Alltag einbettet. Dabei kann er immer wieder aus dem Fundus eigener Erfahrungen schöpfen: Der Koch-Lehrer kommt daher als Szene-sicher und authentisch rüber.

Doch auch auf der Informationsebene macht MAAS zusätzliche Zielgruppen-affine Angebote: Seine Handlungsanweisungen sind ausführlich und setzen keine Grundkenntnisse voraus. Darüber hinaus definiert er die notwendige Küchen-Minimalausstattung, gibt Hinweise für Einkauf, Lagerung und Resteverwertung.
Auch an die Ästhetik wird gedacht: Farbfotos von Zutaten und/oder dem fertigen Gericht sind vorhanden. Das erhöht nicht nur die Motivation, sondern schafft auch zusätzliche Sicherheit und gibt Anregungen für die Darbietung der Speisen.

Da Geld eine zentrale Rolle spielt, vermeidet MAAS weitgehend exotische Zutaten aus der Feinkost-Ecke. Das hindert ihn aber nicht daran, seine Rezepte breit aufzustellen und international auszurichten. Schnell wird der Leserschaft deutlich, dass Sparen auch etwas mit Selbermachen zu tun hat: So wird dann schonmal der Teig für Fladenbrote oder Scherennudeln in Eigenarbeit hergestellt.
Als kleinen Gag erlaubt sich der Autor, die Rezepte nach dem Portionspreis zu sortieren: Die Ein-Euro-Gerichte gibt es am Ende des Monats (kurz bevor das nächste Bafög kommt).

Insgesamt kann man das Projekt von der Idee und Umsetzung als sehr gelungen bewerten. Man merkt dem Text auf jeder Seite an, dass der Autor nicht nur praktische Lebenshilfe, sondern auch Spaß am Selberkochen vermitteln wollte.
Ein tolles Geschenk zum Einzug in die erste eigene Bude!

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“Der Krake, das Meer und die tiefen Ursprünge des Bewusstseins” von Peter GODFREY-SMITH

Bewertung: 4 von 5.

Wenn ein Philosoph ein naturwissenschaftliches Interesse an den biologischen Quellen des Bewusstseins hat und nebenher noch leidenschaftlicher Taucher mit einem Schwerpunkt in der Kraken-Erforschung ist – dann kann es unter günstigen Umständen zu einem Buch wie diesem kommen! Und zwar genau dann, wenn dieser Tausendsassa auch noch das Talent hat und die Motivation aufbringt, seine Erlebnisse, Erkenntnisse und Schlussfolgerungen in allgemeinverständlicher Form zu vermitteln.

GODFREY-SMITH webt seinen literarischen Stoff aus folgenden Einzelfäden:
– Wir bekommen eine Einführung in die Systematik der biologischen Stammbäume und werden so im Turbotempo durch die Geschichte des Lebens geleitet.
– Der Autor berichtet von diversen Unterwasser-Begegnungen mit einer der interessantesten und geheimnisvollsten Tiergattungen, den Kraken. Die spannendste Frage dabei: Findet Kommunikation zwischen zwei Arten statt, deren Entwicklungs-Wege sich vor ca. 600 Millionen Jahren getrennt haben?
– Wir lernen diese so fremd wirkenden Kreaturen sowohl aus evolutionsbiologischer Perspektive, als auch in ihrem natürlichen Verhalten kennen und erfahren insbesondere, dass die Natur hier einen ganz anderen Weg gewählt hat, Intelligenz zu erzeugen. Dabei greift GODFREY-SMITH (natürlich) auch auf allgemeine Ergebnisse der Kraken-Forschung zurück.
– Der Autor nimmt uns mit in seine grundsätzlichen Überlegungen zum Entstehen von verschiedenen Bewusstseins-Stufen: Für ihn gibt es fließende Übergänge zwischen ersten Formen des Fühlens in einfachen Organismen und dem selbstreflexiven Bewusstsein der Primaten.

Es ist eine ungewöhnliche Mischung von Themen und Zugangswegen: Auch innerhalb der Kapitel finden immer wieder mal ein Wechsel von Perspektiven statt: Gerade noch geht es um hoch-abstrakte Bewusstseins-Theorien – und schon findet ein neuer Tauchgang statt, in dem es um ehr konkrete Verhaltensbeobachtungen geht.

Immer wieder spürbar ist dabei die ganz einzigartige Faszination, die von einem Lebewesen ausgeht, dessen Welt- und Selbsterfahrung schon auf basaler biologischer Ebene eine solch prinzipielle Andersartigkeit aufweist: Da ist ein dezentrales Nervensystem, das den Krakenarmen eine erstaunliche Autonomie ermöglicht; da gibt es die Fähigkeit der Krakenhaut zu spektakulären Farbenspielen (die von den Tieren selbst offenbar gar nicht wahrgenommen werden können); da gibt es den irritierenden Umstand, dass diese so differenzierten und vielseitigen Organismen nur eine sehr kurze Lebenserwartung haben; da gibt es erstaunlich raffinierte Verhaltensweisen, die Kraken unter den Bedingungen einer Gefangenschaft zeigen.
Eine Sehnsucht bleibt offenbar unerfüllt: Kraken zeigen Menschen gegenüber kein Spiel- und soziales Bindungsverhalten, wie dies z,B. zwischen Delfinen und Menschen zu beobachten ist. Das Welterleben der Kraken scheint deutlich “autistischer” zu sein als man es sich bei so intelligenten Kreaturen wünschen würde; kommunikative Aspekte spielen in Begegnungen meist nur eine kurze, oberflächliche Rolle.

So ist man am Ende des Buches auf mehreren Ebenen schlauer geworden: Man weiß mehr über Evolution, über Kraken, über Unterwasserforschung und über Bewusstsein.
Man hätte diesen Erkenntnisgewinn sicher auch auf getrennten Wegen erlangen können. Dass uns der Autor diese besondere Mischung verabreicht, ist vor allem dann ein attraktives Angebot, wenn man sich für alle diese Inhalte interessiert.
Umgekehrt gilt: Wer sich in erster Linie mit dem Thema “Bewusstsein” beschäftigen will, dem wird es sicher irgendwann zu viel mit der Kraken-Beobachtung…


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“Philosophie für alle” von Christian TIELMANN

Bewertung: 3.5 von 5.

Dieses Buch wurde unter dem Titel “Meilensteine der Philosophie” schon im Jahr 2009 erstmals veröffentlicht. Für die Inhalte dieser Publikation spielt Aktualität allerdings keine Rolle.

Die Konzeption dieser Heranführung an den wuchtigen Gegenstand “Philosophie” lässt sich wie folgt beschreiben:
In 20 Kapiteln werden 18 große Denker (es sind alles Männer) aus der gesamten (abendländischen) Philosophiegeschichte vorgestellt. Zwei weitere Kapitel widmen sich einer Thematik: dem sog, Universalienstreit und der Willensfreiheit.
In diesen Texten wird weitgehend darauf verzichtet, eine zusammenfassende Darstellung bzw. Bewertung der jeweiligen Denkschule zu präsentieren. Was ebenfalls entfällt, sind Hinweise auf Bezüge und Querverbindungen zwischen den Kapiteln oder eine Einordnung hinsichtlich der übergreifenden Grundfragen der Philosophie. TIELMANN legt auch keinen Fokus darauf, die vorgestellten Denker und ihre Theorien in einen zeitgeschichtlichen Bezug zu stellen.
Was bekommt man stattdessen?
Der Autor konzentriert sich darauf, einen exemplarischen Teilaspekt der jeweiligen Lehre herauszugreifen und ihn einer Feinanalyse zu unterziehen. Dabei “übersetzt” und hinterfragt TIELMANN die Vorannahmen, die Klarheit von Definitionen, die Stichhaltigkeit von Argumenten und Widerspruchsfreiheit von Schlussfolgerungen. Er führt also vor, wie einzelne philosophische Aussagen geradezu mikroskopisch seziert werden können.
Dabei hält sich der Autor mit seinen eigenen fachlichen Bewertungen nicht zurück, zeigt also auch, dass Philosophie keine streng objektive Wissenschaft sein kann.

Da sich das Buch an philosophische Anfänger richtet, irritiert gelegentlich die Auswahl der betrachteten Aspekte. Zwar liegt es nahe, dass Platons Ideenlehre und Aristoteles Ausführungen zum glücklichen Leben zum Thema werden; dass TIELMANN sich allerdings ausgerechnet die Musiktheorie von Adorno vornimmt oder sich damit beschäftigt, wie Foucault “Autorenschaft” definiert, macht ein wenig ratlos.
Mit dem Abschlusskapitel über “Willensfreiheit” begibt sich der Autor in einen interdisziplinären Bereich und versucht sich an der philosophischen Bewertung neurowissenschaftlicher Experimente und Theorien (u.a. von Singer und Roth). Hier wirkt seine Schlussfolgerung – die erwartungsgemäß zugunsten der Willensfreiheit ausfällt – doch ein wenig oberflächlich und subjektiv; so wird z.B. die Frage der psychologischen Determiniertheit kaum gestreift.

Insgesamt präsentiert TIELMANN eine Einführung in die Philosophie, die eine nachvollziehbare Auswahl prägender Denker vorstellt und einen praktischen Einblick in die Methode der Text- und Theorieanalyse verschafft. Es gelingt ihm immer wieder, Begrifflichkeiten und Konzepte aufzuschlüsseln und zu hinterfragen und so einen vertieften Einblick in die Denk- und Argumentationsstrukturen zu geben. So sammeln sich Mosaiksteinchen, die eine grobe Idee davon vermitteln, was Philosophie inhaltlich und methodisch ausmacht.
Man sollte aber als Leser/in nicht erwarten, dass sich aus diesen Einzelstücken ein gut erkennbares Gesamtbild ergibt: Dafür fehlt es an Passungen und Verbindungen zwischen den Elementen. Auch muss man bei dieser Betrachtungsweise in kauf nehmen, dass keine Einbettung in kulturelle, wirtschaftliche oder politische Rahmenbedingungen erfolgt.

So kann zwar “Philosophie für alle” einen sinnvollen Beitrag zur Annäherung an dieses Menschheitsthema leisten, sollte aber um Quellen ergänzt werden, die weniger episodenhaft und exemplarisch, sondern eher verbindend und strukturiert vorgehen.

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“Die Enkelin” von Bernhard SCHLINK

Bewertung: 4 von 5.

Der Autor wurde 1995 mit dem Roman “Der Vorleser” zu einer internationalen literarischen Größe und bekam auch für seine nachfolgenden Werke viel Anerkennung.
In “Die Enkelin” gelingt ihm eine grandiose Verknüpfung zwischen der einfühlsamen Schilderung einer ungewöhnlichen familiären Konstellation und einer brisanten gesellschaftlichen Herausforderung,

Erzählt wird die Geschichte des Buchhändlers Kaspar, der erst im Seniorenalter erfährt, dass seine verstorbene Frau Birgit vor ihrer Flucht zu ihm in den Westen eine Tochter geboren hatte. Während im ersten Teil des Romans die – von biografischen Bürden und Sprachlosigkeit belastete – Ehe zwischen Kaspar und Birgit im Mittelpunkt steht, geht es im Hauptteil des Plots um den schwierigen Aufbau und die hindernisreiche Gestaltung der Beziehung eines spätberufenen “Stief-Opas” zu seiner “Stief-Enkelin” Sigrun.

SCHLINK begnügt sich aber nicht mit der sensibel und psychologisch dicht beschriebenen Familien- und Beziehungsdynamik auf dem Hintergrund des geteilten Deutschlands. Indem er die jugendliche Enkelin in ein völkisch-nationales Milieu versetzt, eröffnet er eine extrem spannende Frage: Wie können späte Familienbande wachsen, wenn nicht nur ein komplizierter biografischer Rahmen, sondern auch noch ein extrem breiter ideologischer Graben den Prozess erschweren.

Die – von Zweifeln und Ambivalenzen durchzogenen – Anstrengungen des Großvaters, dem Mädchen trotz Widerstand ihrer rechtslastigen Eltern ein verlässliches Beziehungsangebot zu machen, werden transparent und nachfühlbar gemacht. Literatur und Musik sind letztliche die entscheidenden Verbindungsglieder, die weltanschauliche Hürden (zeitweise) überwinden können.
Der wohlmeinende, liberale und großzügige Bildungsbürger Kaspar wird immer stärker zu einer Identifikationsfigur; bei Birgit werden wir Zeuge ihrer inneren Zerrissenheit. Dem Tanz dieser beiden Figuren zuzuschauen, bereitet echtes Lesevergnügen.

Der Roman spricht Intellekt und Emotionen gleichermaßen an. Zwar konstruiert der Autor eine extrem spezielle Ausgangssituation, siedelt in ihr aber eine ganze Reihe thematische Fragestellungen von prinzipieller Bedeutung an. Dabei geht es auch um den Preis, den das “Nichtgesagte” in einer Beziehung haben kann, um die Möglichkeit einer Liebe unter schwierigsten Bedingungen und eben um das relative Gewicht von Weltbildern und Bindung.
Die entscheidende Botschaft SCHLINKs: So persönlich kann das Politische sein, so politisch das Persönliche!

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