Ist unsere Zukunft prechtig oder (th)elendig?

Gestern war es endlich so weit; mein Wunsch ging in Erfüllung: Bei Lanz trafen PRECHT und THELEN aufeinander – mit der Erwartung, dass sie ihre unterschiedlichen Visionen über unsere Zukunft in einem kontroversen Dialog austragen.
Grundlage dafür waren ihre beiden jüngsten Veröffentlichungen (s. PRECHT, THELEN).

Eine gefühlte Ewigkeit musste man warten, bis eine unsägliche und total überflüssige Diskussion über den Nutzen von Masken bei der Corona-Bekämpfung endlich vorbei war.
Was dann geboten wurde, war mir viel zu kurz und eher oberflächlich.

Natürlich konnte THELEN seine Technik-Fantasien (“Hyperloop”) und seine Bewunderung für die großen Digital-Pioniere einbringen. PRECHT trat moderat und (etwas zu) defensiv auf. Er machte deutlich, dass es ihm weder um einen Feldzug gegen Amazon, Google & Co, noch um eine allgemeine Innovationsverweigerung geht. Er machte auf die Gefahren der enormen Machtkonzentration in den wenigen Mega-Konzernen aufmerksam, brachte Beispiele für “Big-Data” und verdeutlichte, dass er insgesamt weniger Heil von einer rein technologischen Zukunftsbewältigung erwartet.
Einig war man sich dann, dass es dringend Investitionen in eine deutsche bzw. europäische Digital-Offensive geben sollte – und zwar in Bereichen, die noch nicht “uneinholbar” besetzt sind. So war der Ausklang relativ harmonisch.

Was mir eindeutig gefehlt hat, war ein mutigeres Gegenmodell zum Steigerungs-Mindset von THELEN. Es reicht mir nicht, dass man auf den Zeitdruck und auf die zusätzliche Notwendigkeit von Einschränkungen und Verboten hinweist.
Wo blieb z.B. die Frage nach dem gesellschaftlichen und ökologischen Nutzen von all den Produkten, die THELEN und seine Szene “cool” finden? Wer redet darüber, dass es zuerst um die Grundversorgung der demnächst ca. 10 Milliarden Menschen gehen muss? Welches wirklich existenzielle Menschheitsproblem wird z.B. dadurch gelöst, dass man viele Milliarden in ein futuristisches Verkehrsmittel (Vakuum-Röhre) steckt, dass dann (nachdem unglaubliche Ressourcen verbraucht wurden) eine kleine Elite von Menschen weitgehend CO2-neutral mit 1400 km/h von X nach Y bringt?
Warum weist PRECHT nicht stärker darauf hin, dass Ziele und Prioritäten für unsere Zukunft doch möglichst durch geplante gesellschaftliche Entscheidungen zustande kommen sollten – und eben nicht durch Marktmechanismen bzw. durch das, was gerade technisch möglich erscheint.

Ganz offensichtlich kann PRECHT immer dann punkten, wenn er konkrete Vorschläge macht – z.B. bzgl. einer Sondersteuer auf den Online-Handel. Dann wird deutlich, dass THELEN zwar “im Prinzip” ähnliche Werte und Prinzipien vertritt (“es wäre schön, wenn die Städte nicht veröden würden”), aber eben keinen Gedanken darauf verschwendet, wie man die (unerwünschten) Folgen der Digitalisierung bändigen könnte. Dafür bleibt keine Zeit, denn da wartet ja das nächste coole Produkt und alle wollen es schnell haben…

Man hätte gerne mitdiskutiert…

Den relevanten Ausschnitt der Sendung gibt es hier.

(Das Wortspiel in meiner Überschrift finde ich übrigens “cool”)


Corana Mitte Oktober 2020

Warum muss man sich auch nach dieser langen Zeit, in der soviel Wissen und Erfahrung gesammelt wurde, in den Medien immer noch mit bestimmten Experten befassen, die permanent die Situation verharmlosen?

Seit Wochen muss man sich fast täglich anhören, dass ja “nur” die Infektionen steigen würden – und eben nicht die schweren Verläufe, die Intensiv-Behandlungen und die Todesfälle. Der Höhepunkt dieser Desinformation wart die Plasberg-Sendung am 05.10., in der warnende Lauterbach geradezu systematisch gemobbt wurde.

Jeder denkende und rechende Mensch konnte seit Wochen wissen, dass die anderen Zahlen mit einiger Verzögerung nachziehen würden. Im Ausland war das schon zu beobachten, Tag für Tag, Land für Land.
Und jetzt scheint es tatsächlich auch bei uns zu passieren – welche Überraschung!

Hat den das Virus überhaupt keinen Respekt vor Deutschlands Schönredner-Experten?

Die 30-Jahr-Feier

Ich habe heute die Rede unseres Bundespräsidenten und ein wenig Rahmenprogramm gesehen.
Dabei habe ich überlegt, in wie vielen Staaten dieser Welt wohl eine vergleichbare Veranstaltung zu einem Ereignis von nationaler Bedeutung in dieser angenehmen Art abgelaufen wäre.

Es geht mir nicht darum, unser Land irgendwie hervorzuheben. Was ich ausdrücken will, ist meine Dankbarkeit über das Glück, in einem Staatswesen leben zu dürfen, in dem man sich weitgehend mit dem identifizieren kann, was sein oberster Repräsentant öffentlich sagt.
Man muss sich nicht schämen für pathetischen Nationalstolz, für säbelrasselnden Patriotismus oder für überhebliche Selbstbeweihräucherung. Hier muss kein Deutschland “great again” werden oder geworden sein. Alles ist maßvoll, abgewogen, selbstkritisch und uneitel. Niemand wird ausgegrenzt, niemand muss ich unverstanden fühlen, nichts wird glorifiziert.

Die musikalischen Beiträge, die ich gesehen habe, passten ins Bild. Es war ein modernes Deutschland, das sich da gezeigt hat – keine steife Hochkultur-Klassik, erst recht keine Marschmusik.

Wie sympathisch auch eine offizielle Feierstunde sein kann!

Ob den Menschen, die sich gerade so leidenschaftlich von unserem Gemeinwesen und deren Institutionen abgrenzen wollen, das alles bewusst ist?
In welcher Art Staat wollen sie leben?
Was wurde versäumt – dass es nicht gelungen ist, sie von den Stärken unserer Gesellschaft zu überzeugen?

Ich finde jedenfalls: So darf man feiern – so darf sich auch eine Nation mal feiern!
Mit dem Stil von Trump, Putin, Erdogan (und vielen anderen) hat das nichts zu tun.

YouTube macht klug

Für viele Digital-Kritiker (insbesondere aus meiner Generation) ist diese Aussage eine mittlere Provokation. Haben diese aufgeklärten Menschen doch inzwischen mitbekommen, welch kruder Schwachsinn und welche brandgefährlichen Inhalte in diesem größten Videokanal der Welt dargeboten werden. Spätestens wenn man erfahren hat, dass manche grell-geschminkten Teenies (sog. “influencer”) Millionen damit verdienen, dass sie Pakete mit bestimmten Kosmetik-Artikeln oder Textilien vor der Kamera auspacken, sollte man ja mit diesem Medium fertig sein – so die Schlussfolgerung.

Perspektivwechsel.
Als technik- und medienaffiner Mensch habe ich inzwischen so etwas wie eine persönliche Geschichte mit der Plattform “YouTube”.

Angefangen hat es wohl im Musik-Bereich. Während ich noch darüber nachdachte, wann ich wohl meine auf VHS-Bändern gesammelten Aufzeichnungen von irgendwelchen Rock-Konzerten digital archivieren könnte (das “Wie” war mir natürlich längst bekannt), stieß ich bei YouTube auf ein fast grenzenloses Angebot aus allen Epochen der 50-jährigen Rockgeschichte. Wahnsinn!
Dazu kam, dass bestimmte Musikstücke, die ich auf kleinem anderen Medium mehr finden konnte, oft auf YouTube präsent waren – einfach hinterlegt zu irgendeinem Standbild (meist dem Plattencover).

Deutlich später nahm ich dann zur Kenntnis, dass YouTube eine nahezu unendliche Quelle für lebenspraktische Informationen ist. Ein Tipp kam von meinem Sohn, indem er mich darauf hinwies, dass man in seiner Welt das korrekte Knüpfen eines Krawatten-Knotens nicht mehr von seinem Vater sondern aus einem YouTube-Video lernen würde.
Seitdem habe ich mir immer mal wieder etwas demonstrieren lassen, was ich selbst nicht auf Anhieb verstanden bzw. hinbekommen habe (kleine Reparaturen, technische Funktionalitäten, usw.).

Natürlich wollte ich dieses Medium nicht nur passiv nutzen. Für jemanden, der seit Jahrzehnten private Videos (in gefühlt 12 verschiedenen Formaten) herstellte, lag es nahe, auch mal etwas Eigenes hochzuladen und dann als Teil des World Wide Web zu bestaunen. Das führte übrigens zu meiner ersten (und einzigen) Abmahnung, weil ich eine kurze Szene auf Langlauf-Skiern mit einem (recht unbekannten) Song unterlegt hatte.

YouTube bekam dann irgendwann auch die Funktion einer riesigen Mediathek, in der ich verpasste oder früheren TV-Inhalte wiederfand – bevor die offiziellen Mediatheken der Sendeanstalten zum selbstverständlichen Standard wurden.

Durch das Wiederaufleben meines Schlagzeug-Spielens (nach nur 40 Jahren Pause) wurde das mit der Musik und dem Erklären der Welt auf einmal sehr konkret: Ich konnte – total fasziniert – entdecken, dass für fast jeden halbwegs bekannten Songs Lehr-Videos zu finden waren, in denen Drummer ihr “Mitspielen” dokumentiert hatten (teilweise mit mehreren Kameras zum Nachvollziehen jeder Hand- und Fußbewegung). Irre!
Natürlich sind auch jede Menge didaktisch aufbereitete Unterrichtseinheiten zu finden.
(Wenn ich das mit 16 gehabt hätte, wäre vielleicht heute eine Sammlung von Goldenen Schallplatten an meiner Wand).

Jetzt komme ich zur Gegenwart und damit zum Thema:
Zwar wusste ich schon länger, dass sich Schüler/innen komplexe Unterrichtsinhalte (vorrangig Mathe) lieber von YouTubern als von ihren Eltern oder Geschwistern erklären lassen. Aber die ganz persönlichen Erfahrung der letzten Tage war doch sehr viel beeindruckender:
Ich habe mich (mal wieder) meinem Lieblings-Thema zugewandt: dem Zusammenhang zwischen Gehirnaktivitäten und Bewusstsein. Bei meinen Recherchen (z.B. auf Amazon – wo ich natürlich nur noch selten kaufe) stieß ich auf bestimmte Namen von Buchautoren. Auf Wikipedia fand ich dann Links zu Veröffentlichungen und zu Vorträgen, die – welche Überraschung – natürlich auf YouTube abgelegt sind.
Seitdem bewege ich mich in einer bisher verborgenen akademischen und wissenschaftlichen Welt und höre den besten Forschern und Hochschullehrern zu. Ich nehme Platz in Uni-Hörsälen und in Auditorien von wissenschaftlichen Kongressen. Und bei jedem Klick auf ein Video tauchen rechts Hinweise auf ähnlich interessante Beiträge auf.
Wo soll das enden?

Ja, ich weiß: YouTube ist auch voller Dummheit, billigem Kommerz und Hass.
Mich macht es aber gerade (ein wenig) schlauer.
Damit ich selbst Übersicht bewahren und für andere ein paar gezielte Anregungen geben kann, werde ich in nächster Zeit auf einer neuen Seite dieses Blogs eine kommentierte Übersicht meiner Lieblings-Videos posten und dann kontinuierlich pflegen.

Und was ist mit Corona?

Vor einigen Monaten war die Corona-Pandemie ein wesentlicher Grund dafür, dass es mir sinnvoll erschien, täglich einen Blogbeitrag zu posten: Wie sollte man sonst hinterherkommen, das alles erfassen und bewältigen?
Schon dieser kleine Rückblick macht deutlich, wie sehr sich die Situation und die Wahrnehmung derselben verändert hat.

Corona hat seinen unmittelbaren Schrecken verloren, es ist kalkulierbar geworden, man kennt die Parameter, mit deren Hilfe man es managen kann. Die Berichte und Kommentare beziehen sich kaum noch auf das Virus und seine Eigenschaften, sondern auf die unterschiedlichen Schutzmaßnahmen bzw. die damit verbundenen Konflikte und auf die wirtschaftlichen Folgen bzw. die Versuche deren Linderung.

Kann sich noch jemand an die Tage erinnern, in denen man durchaus ernsthaft darüber nachdenken konnte, wie weit wohl der Zusammenbruch von Versorgungssystemen gehen könnte? Für welchen älteren Menschen ist noch das unmittelbare Bedrohungsgefühl präsent, das von den ersten Schätzungen der Todesraten ausging?

Wir haben inzwischen eine Situation, in der wieder deutlich mehr Kontrollgefühl besteht. Viele Menschen verringern ihr Infektionsrisiko auf eine selbstverständliche und ganz leise Art: Sie meiden Menschenmengen und überhaupt Kontakt zu (fremden) Menschen in (engen) Räumen, tragen Masken und halten Abstand (ja, sie waschen auch noch die Hände; aber das ist vergleichsweise nebensächlich).
Im Gegensatz zu dem social distancing der ersten Wochen haben die meisten inzwischen erweiterte Bezugsgruppen gebildet, innerhalb derer sie sich wieder halbwegs normal bewegen – wenn auch vielleicht mit weniger direktem Körperkontakt. Das kann die erweiterte Familie sein, die engsten Freunde oder vertraute Arbeitskollegen. Dabei gilt oft eine unausgesprochene Hoffnung bzw. Erwartung: “Wir sind ja alle vorsichtig und verhalten uns auch in unseren anderen Bezügen verantwortlich.”

Für diese Gruppe von Mitbürgern ist Corona sicher auch lästig und manchmal auch eine Zumutung – aber eine zumutbare Zumutung: “Wenn das der Preis dafür sein sollte, dass wir die Intensivstationen und Friedhöfe weitgehend schonen können, dann haben wir doch letztlich Glück gehabt!”
Genau dieser Gruppe von (eher älteren) Menschen haben wir es alle zu verdanken, dass die Zahlen so sind, wie sie sind. Und dass einige andere sich den Luxus leisten können, etwas leichtsinniger zu sein.

Anfangs erschien es so, als ob der Virus die ältere Generation extrem benachteiligen würde, wegen des höheren Risikos schwerer Verläufe. Heute könnte man sagen: Es gibt so etwas wie einen Ausgleich. Von den (immer noch bestehenden) Einschränkungen sind nämlich junge Leute (im Durchschnitt) deutlich mehr betroffen: bei Veranstaltungen und Konzerten, beim Ausgehen, beim Daten, beim Reisen.
Man kann es wirklich nicht bestreiten: einem 60- oder 70-jährigen Menschen fällt in der Regel ein corona-konformes Alltagsleben deutlich leichter als einem 25-jährigen.

Was zu meiner persönlichen Bilanz am Ende dieses Corona-Sommers führt: Ich bin dankbar und recht zuversichtlich bzgl. der eigenen Situation.
Zu den politischen und gesellschaftlichen Tendenzen äußere ich mich demnächst.

Das Ende der Sommerpause (in eigener Sache)

Einige werden fragen: “Welche Sommerpause? Wir sind doch von Rezensions-Links förmlich überschwemmt worden!”

Das stimmt, ich habe viel gelesen. Aber es sind viele Wochen ins Land gegangen, ohne dass ich mich zu gesellschaftlichen oder politischen Themen geäußert habe. Noch nicht mal zu Corona! Kaum jemand wird das vermisst haben (das ist für mich vielleicht ein wenig traurig – aber wahr).

Meine Motivation, jetzt wieder einzusteigen, kommt von innen. Sie hat damit zu tun, dass dieser Blog auch so etwas wie ein Tagebuch des Zeitgeschehens darstellt. Ich bin kein Journalist, ich werte keine irgendwie versteckten Quellen aus, ich weiß nicht mehr als andere, die sich in den Mainstream-Medien (von der neuen Rechten und aktuellen Demo-Elite auch gerne “Lügenpresse” genannt) auf dem Laufenden halten.

Was mich trotzdem umtreibt, sind vor allem folgende Bedürfnisse:
– Ich drücke meine Meinung gerne schriftlich aus (weil sie dann klarer und konturierter wird).
– Ich zeige mich und meine Überzeugungen gerne und mich reizt die Möglichkeit, andere (euch) von bestimmten Sichtweisen zu überzeugen oder Rückmeldung (am besten kritische Bestätigung) zu erfahren.
– Ich finde es spannend, durch den Filter meiner subjektiven Perspektive auf vergangene Ereignisse zurückzuschauen (“so hast du das also damals zu Beginn gesehen”).

Einige von euch haben mir die Erlaubnis gegeben, auf meine Posts jeweils mit einem Link hinzuweisen. Ich werde das in einem Umfang tun, wie ich es einigermaßen stimmig und vertretbar empfinde. Ich werde also filtern – inhaltlich und quantitativ. Wem es zuviel wird, möge sich bei mir melden (oder die Links einfach ignorieren); wer öfters was von mir hören möchte, kann sich gerne auch selbst auf meinem Blog umsehen; in der Regel ist dort mehr zu finden als es in den von mir gesendeten Links zum Ausdruck kommt).

Soweit die Vorrede; morgen geht’s dann los. Vermutlich mit Corona…

Darf man die Serben nicht mögen?

Meine Betrachtung kommt ein paar Tage zu spät. Angesichts der zeitgeschichtlichen Zusammenhänge erscheint mir das akzeptabel.

Es gab mal wieder einen dieser Gedenktage. Es ging um die Greueltaten serbischer Milizen an tausenden Bosnischen Männern unter den Augen von UNO-Soldaten in Srebrenica vor 25 Jahren.

Es geht mir nicht um die Vergangenheit. Ich spüre Unverständnis und Befremden gegenüber der Unfähigkeit “der Serben”, zu bedauern, zu trauern, zu bereuen oder sonst auf irgendeine Weise Verantwortung zu übernehmen. Statt dessen fanden aufgeheizte und gewalttätige Demonstrationen gegen die eigene Regierung statt, die (endlich) nach politischen Lösungen der Kosovo-Frage sucht.

Ich weiß: Es gibt keinen “Volkscharakter”. Es gibt mit Sicherheit jede Menge vernünftige, friedfertige und liebenswerte Menschen in Serbien. Vielleicht zeichnet die Berichterstattung über dieses Land auch ein einseitiges Bild. Kann alles sein.

Was ich sagen kann: Alles, was bei mir in den letzten Jahrzehnten über die Mentalität und die politische Kultur in diesem Land angekommen ist, wirkt auf mich zutiefst unsympathisch (nationalistisch, militaristisch, dogmatisch). Und deshalb spüre ich Vorbehalte und gehe auf Distanz.

Ich mag wohl die Serben nicht besonders. So richtig schlimm finde ich das nicht. Für mich ist es auch okay, wenn jemand “die Deutschen” nicht mag.

Serbien soll in die EU aufgenommen werden. Manche begründen das damit, dass man dieses “schwierige” Land dann besser “einbinden” könne. Ich bin nicht ganz sicher, ob wir nicht schon genug schwierige Mitglieder haben.

Aber das sollen andere entscheiden. Mein Bauchgefühl kann da wohl nicht helfen.

Schicksalsfragen…

Ich bin ja – wie sicher alle Leser/innen wissen – ein leidenschaftlicher Sportbanause. Und auch die zahlreichen diffizilen Aspekte des Transgendertums gehören nicht zu meinen Lieblingsthemen. Gerade habe ich gemerkt, wie sich das anfühlt, wenn die beiden Bereiche zusammenfließen.

Auf ZEIT-online wurde ich mit den offensichtlich existenziell bedeutsamen Problemen und Konflikten konfrontiert, die sich nach einer Geschlechtsanpassung für den Spitzensport ergeben: Werden “normale” (das sagt man natürlich nicht) weibliche Sportlerinnen benachteiligt, wenn sie mit ursprünglich männlichen Konkorrentinnen zu tun bekommen? Oder werden die (inzwischen) weiblichen Athletinnen diskriminiert, weil sie in den Frauenwettbewerben nicht zugelassen werden (weil noch biologische männliche “Vorteile” in ihnen stecken)?. Darüber wird in den USA schon erbittert gestritten – auch vor Gericht.

Was soll man tun? Die Geschlechtergrenzen ganz aufheben oder den jeweils individuellen Hormonstatus erheben und den Körperbau vermessen? Wo sollen dann die Grenzen liegen?

Fragen über Fragen, alle bisher offen und ungelöst…

Eins kann ich am dieser Stelle schon verraten: Die Antworten darauf interessieren mich nicht im geringsten…

Vielleicht stimmt das nur zum Teil: Vom sportlichen Aspekt wäre mir das wirklich völlig egal. Allerdings wäre ich aus eher grundsätzlichen Erwägungen etwas irritiert, wenn man (mal wieder) wegen einer winzigen Minderheit alle bisherigen Selbstverständlichkeiten in Frage stellen würde…

Die Rechtspopulisten warten nur auf solche Beispiele, um sich als Garanten des “gesunden Menschenverstandes” in Szene zu setzen…

Easy Rider?

Es geht mal wieder um die Freiheit. Oder darum, was wir darunter verstehen. Man könnte auch fragen: um wessen Freiheit eigentlich?

Motorradfahrer demonstrieren für ihr Recht, ohne Einschränkungen ihrem Hobby nachgehen zu können. Der auf Toleranz getrimmte Bürger denkt: “Man kann ja auch nicht alles verbieten…”
Viele Menschen in landschaftlich attraktiven Gebieten (kurvige Straßen in grüner Umgebung) wünschen sich auch Freiheit: von Lärm, Abgasen und völlig überflüssigem Verkehr.

Wie soll eine demokratische Gesellschaft solche Konflikte lösen? Sind immer die, die auf eine Fehlentwicklung hinweisen, die Doofen, weil sie den anderen “den Spaß” verderben? Droht in einer “Verbotsgesellschaft” die Diktatur des Langweiler-Mainstreams? Oder ist die freiheitsverliebte Toleranz-Gesellschaft dem Untergang geweiht?

Die entscheidende Frage scheint mir zu sein, ob wir uns trauen, gesellschaftlich relevante Ziele auch zu verfolgen. Bzw. ob wir irgendwann kapieren, dass sich eine gewünschte oder gar notwendige Entwicklung nicht von selbst ergibt.
Wir müssen tatsächlich entscheiden, wie wir in Zukunft leben wollen!

Geht’s auch ein wenig konkreter? Was würde ich denn vorschlagen?

Nun, für mich wäre erstmal klar, dass das “Fahren als Selbstzweck” in einer nachhaltigen Gesellschaft, die der drohenden Klima-Katastrophe etwas entgegensetzen möchte, nicht (mehr) zu den “geschützten” Lebensinhalten gehört. Mobilität ist ein hohes Gut – egal aus welchen Gründen man von A nach B gelangen möchte. Wenn man aber von A nach A möchte, weil der Weg das Ziel ist, sieht das anders aus.

Daraus folgt: Wir sollten uns für alle Mobilitäts-Konzepte einsetzen, die nicht die Art des Fortbewegens zum Fetisch bzw. Genussmittel macht, sondern die Funktionalität des Ankommens – bei minimaler Belastung von Umwelt und Mitmenschen.
Damit wären alle Arten von Hobby- und Statusgeräten raus, die in den meisten Fällen einzig den Zweck haben, die Jugendträume großer Jungs zu erfüllen: hochgezüchtete PS-Protzmaschinen mit zwei, drei oder vier Rädern (natürlich auch alle Wasserfahrzeuge, deren einziger Sinn es ist, Adrenalin beim Nutzer und Ohrenschmerzen bei den unfreiwilligen Zuhörern zu erzeugen).

Wie setzt man sowas durch? Richtig: durch Umsteuern, Anreize und Einschränkungen!
Man muss es nur wollen, genauso wie das Rauchverbot oder eine grüne Landwirtschaft.

Meine spontane Liste:
– allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzungen auch auf Autobahnen
– PS- und Lärmgrenzen für alle zukünftigen Autos und Zweiräder
– Verbot reiner “Spaßgeräte” (Quads, Jet-Ski, Kleinstflugzeuge)
– Sperrung von typischen “Raserstrecken” für Motorräder
– konsequente Besteuerung von Fahrzeugen nach Lärm, Verbrauch und Schadstoffausstoß
– Ausbau und stärkere Subventionierung moderner Verkehrskonzepte
– (weitgehend) autofreie Innenstädte

Und dann? Einfach nur immer den Leuten was wegnehmen? Wo ist die Perspektive?

Ich hätte kein Problem damit, zukünftig bestimmte Gebiete bereitzustellen, in denen Menschen ihre Lust nach dynamischer Fortbewegung ausfahren können. Voraussetzung wäre natürlich, dass dabei kein CO2 emittiert würde (erste E-Motorbikes gibt’s schon, fehlt nur noch der regenerative Strom). Gerne sollte mit dem Eintritt in diese Raserzonen auch das zusätzliche Risiko für Unfall-Behandlungskosten abgedeckt werden.

Es geht mir also nicht um das Verbieten als Selbstzweck. Es geht um die Prioritäten und darum, dass die Kosten der individuellen “Freiheit” nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.

Es nervt mich zusehends, dass jede perverse Extrementwicklung der letzten 20 Jahre als Maßstab für die zu verteidigende Freiheit definiert wird! Das gilt für Energieverbrauch, PS-Wahnsinn, Hyperkonsum, Flug- und Kreuzfahrttourismus, Massentierhaltung oder Lebensmittelverschwendung.
Ist es nicht das denkbar größte Freiheitsziel, dass auch unsere Kinder und Enkel diesen Planeten noch bewohnen können?

Nicht wichtig, aber bemerkenswert…

Es sind oft die kleinen Nachrichten, die besonders berühren.
Wer wird heutzutage noch über den 386. Schwachsinn eines bekannten Präsidenten irritiert oder staunt gar über das systematische Abfackeln des Regenwaldes als offizielle Regierungspolitik?!

Liest man aber, dass zum ersten Mal seit über 50 Jahren eine neue Single der Rolling Stones den ersten Platz der deutschen “Hitparade” (so hieß das früher) innehat, so gerät man doch kurz ins Stutzen. Bei mir ist das ein angenehmes Stutzen…

Ist es nicht irre – so denke ich – dass inzwischen ein Großteil der (noch) lebenden deutschen Mitbürger (heute muss man ja ergänzen “und Mitbürgerinnen”) eine Welt ohne Rolling Stones gar nicht kennen, gar nicht erlebt haben!? Das sie so etwas wie ein selbstverständlicher Teil des Lebens sind: Meist nicht präsent, aber doch irgenwie immer da, Im Hintergrund, wie das Bundesverfassungsgericht oder die Versorgung mit Coca Cola.

Für die meisten Menschen sind solche “Institutionen” weder besonders wichtig noch besonders bewusst. Aber sie prägen unser Leben wie ein Grundrauschen, das man erst wahrnimmt, wenn es plötzlich verschwindet.

Wegen mir dürfen die Stones gerne noch ein bisschen dabeibleiben. Auch sie geben mir und meinem Leben eine innere Struktur, schaffen Heimatgefühle und sind ein Teil meiner ganz persönlichen Identität.
Dazu muss ich die beteiligten Personen nicht besonders sympathisch finden oder es toll finden, dass sie so reich geworden sind. Es reicht, dass sie da sind. Wie beruhigend: Es gibt noch Stabilität im Leben!

Nachbemerkung:
Eh’ ich es vergesse: Die Stones haben (nicht nur aus meiner Sicht) ein beeindruckendes musikalisches Lebenswerk hinterlassen. Ich könnte ohne mühe einen ganzen Abend damit bestreiten, nur die Titel zu hören, die ich wirklich bedeutsam finde (musikalisch und emotional).
Die neue Single (“Ghost Town“) finde ich auch gelungen…
(Nochmal 50 Jahre schaffen sie nun tatsächlich nicht mehr…)