Unfassbar: Nach einem wirklich eindrücklichen heute-journal findet ein eine Talk-Runde statt, in der das Klima-Thema auf einmal unangefochten die Nummer 1 ist. Der Anlass: Extrem-Wetter im Westen von Deutschland!
Natürlich war das nicht meine Hoffnung, als ich vor zwei Tagen über die “fehlenden” lokalen Extrem-Ereignisse und die Auswirkung auf den Wahlkampf fabuliert habe. Es ist schockierend, wie schnell sich das verändern kann.
Man kann gespannt sein!
Wetter-Extreme am falschen Ort?
Es hat fast etwas Tragisches: Zwar weisen die aktuellen Hitzerekorde im westlichen Nordamerika (49,5 Grad) und in Finnland (33,5 Grad) in einer nie gekannten Eindeutigkeit auf die katastrophalen Auswirkungen der menschengemachten Klimaveränderung – aber ausgerechnet im Wahlkampfland Deutschland dämpft der insgesamt gemäßigte Sommer die Klima-Diskussion deutlich.
Das ist keine Nebensache: Man stelle sich nur einmal kurz vor, welche Bedeutung die Baerbock-Verfehlungen wohl hätten, wenn auch unser Land gerade mit einer Hitze- und Trockenheitsphase zu kämpfen hätte, wenn die Todeszahlen von Hitzeopfern die Corona-Toten längst in den Schatten gestellt hätten. Und wie anders dann mit dem halbherzigen Rumgedruckse der angeblich so klimabewussten anderen Parteien öffentlich umgegangen würde.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Natürlich wünsche ich mir so eine Lage – und die damit verbundenen Risiken – nicht herbei. Aber es macht schon traurig, wütend und ein Stück fassungslos, dass die Zufälligkeiten der diesjährigen globalen Wetter-Entwicklung letztlich darüber entscheiden, in welchem Ausmaß in den nächsten – extrem bedeutsamen – vier Jahren die überfällige Umsteuerung erfolgt.
Pech für die GRÜNEN? Nein: Pech für uns alle!
Jede/r weiß, dass die globale Bedeutung der Klima-Politik in Deutschland weit über den eigenen Anteil am CO2-Austausch (2%) hinausgeht. Der “Ruck”, der von beherzten und konsequenten Entscheidungen bei Energie, Verkehr, Landwirtschaft und Produktion ausgehen würde, wäre weltweit zu spüren.
Es hängt also tatsächlich etwas ab, von der Wahl im September. Sollte aus der angeheizten Anti-Baerbock-Kampagne am Ende das schlechteste Szenario entstehen – eine Regierungsbildung ganz ohne Beteiligung der GRÜNEN – dann wäre das für den Kampf gegen den Klimawandel ein massiver Rückschlag. Es geht also um mehr als um die Befindlichkeiten der GRÜNEN-Anhänger.
Wir sind spät dran! Auch wenn wir gerade keine 40 Grad haben und die Klima-Katastrophe nur am Bildschirm erleben!
Kleine “Verrücktheiten” am Rande
Ich hatte ja versprochen, dass meine Begleitung des GRÜNEN Wahlkampfes auch kritische Anmerkungen nicht aussparen würde. Diesmal geht es um eine Erfahrung auf meiner ersten (digitalen) Mitgliederversammlung.
Erstmal hat mich beeindruckt, wie engagiert die lokalen Parteivertreter an einem Freitagnachmittag (vor Ferienbeginn) bei der Sache sind, wie freundlich und zugewandt der Umgang ist und wie ernst auch die formalen Regeln genommen werden. Natürlich herrscht auch eine digitale Professionalität. Das Ergebnis: Abends gegen 22 Uhr waren noch ca. 60 Parteimitglieder online!
Gewöhnt habe ich mich inzwischen daran, dass Wortbeiträge immer paritätisch (abwechselnd) erfolgen müssen; eine Frau fängt immer an.
Aber es passieren auch Dinge, die für mir die Grenzen des “Gutgemeinten” eindeutig überschreiten – und ins “ungewollt Absurde” abgleiten: Wenn nämlich keine Wortmeldung einer Frau vorliegt, wird die Versammlung erst gefragt, ob es – unter diesen Vorzeichen – in Ordnung ist, dass (nur) eine (oder mehrere) männliche Stimmen gehört werden. Man könnte dem also offensichtlich widersprechen!
Gemildert wurde dieser etwas “fundamentalistische” Eindruck dann dadurch, dass es bei einer “Kampfabstimmung” möglich war, dass sich ein Bewerber ohne Migrationshintergrund gegen zwei Bewerber mit persönlicher Migrationsgeschichte durchsetzen konnte (offensichtlich gab es also keinen reflexartigen Automatismus).
Um es mal neutral auszudrücken: Die feministische Geschichte der GRÜNEN hat sich tief in die Grundstrukturen eingegraben. Ich will das gar nicht kritisieren; es lässt Neulinge nur manchmal stutzen….
Maja Göpel bedankt sich für den Erich-Fromm-Preis
Ich möchte mit diesem Beitrag dazu motivieren, ein YouTube-Video von 46 Minuten Dauer anzuschauen. Das ist eine Menge Zeit für Menschen, die in einen strukturierten Alltag eingebunden sind. Andererseits ist es nur ziemlich genau die Dauer einer Halbzeit eines EM-Fußballspiels…
Statt einen durchformulierten Text anzubieten (der euch nur wieder kostbare Zeit klaut), zähle ich nur ein paar Gründe auf, warum ich diese Rede von Maja Göpel so sehenswert finde:
– Es ist faszinierend, wie nah die Gedanken von Fromm (Stichwort “Haben oder Sein”) den aktuellen Fragestellungen um die Nachhaltigkeits-Transformation sind (wobei sich Göpel in ihrer Rede auf ein anderes Buch von Fromm bezieht).
– Es wird in einer – kaum zu übertreffenden Weise – deutlich, wie emotionale Präsenz mit analytischem Verstand und klaren Zielsetzungen verbunden sein kann.
– Um es anders auszudrücken: Göpel präsentiert hier eine Form von lebendiger Weiblichkeit, die ein Gefühl dafür entstehen lässt, warum es doch einen bedeutsamen Unterschied machen kann, ob Frauen auf allen Ebenen der Gesellschaft präsent sind. (Ja, ich weiß: Nicht alle Frauen sind toll und nicht alle Männer sind verkopfte Fachidioten).
– Die Rede motiviert – gerade weil sie so emotional und persönlich ist – zu einer eigenen Innenschau: “Wo stehe ich eigentlich in diesen Grundfragen? In welcher Welt möchte ich tatsächlich leben? Was für einen Mensch möchte ich sehen, wenn ich in den sprichwörtlichen Spiegel schaue?”
Ich persönlich finde es nach einer solchen Darbietung geradezu unmöglich, sich nicht angesprochen zu fühlen.
Alles GRÜN?
(Vorbemerkung: Dieser Beitrag bemüht sich ganz eindeutig nicht um sachliche und ausgewogene Formulierungen. Er lässt auch einen Einblick in die emotionale Beteiligung des Autors zu).
Nun liegen sie vor – die Programme der Mitbewerber.
Außer den Klima-Ignoranten von der AfD reklamieren alle Parteien für sich, eine irgendwie bessere, intelligentere und bequemere Klimapolitik anzubieten, als es die GRÜNEN tun.
Das, was tatsächlich von der sog. bürgerlichen Parteienseite geliefert wird (SPD und LINKE nehme ich hier mal aus), ist allerdings so katastrophal und peinlich, dass es einem fast die Sprache verschlägt.
Zunächst zum Allgemeinen:
Das größte politische Ziel und damit die Ausgangsbasis für alle anderen Überlegungen von FDP und CDU/CSU ist ganz eindeutig die Vermeidung von Steuererhöhungen!
Man mache sich das wirklich einmal bewusst: Nach einer dramatischen Ausnahmesituation (Corona-Krise) und angesichts einer globalen existentiellen Herausforderung (Klimawandel) fällt zweien unser „staatstragenden“ Parteien nichts Wichtigeres ein, als die Wohlhabenden und Reichen in diesem Land davor zu schützen, einen etwas größeren Beitrag zur Bewältigung dieser (und anderer) gesellschaftlichen Aufgaben zu leisten.
Ist das nicht wirklich armselig und schockierend zugleich?
Jetzt zur Klimapolitik:
Da traut man sich, dem transparenten und durchgerechneten Vorschlag der GRÜNEN alles Mögliche vorzuwerfen (von Beliebigkeit bis Öko-Diktatur), um dann selbst nur heiße Luft zu liefern.
Aber konkret: Die FDP sagt letztlich, dass alles über die Deckelung des CO2-Ausstoßes funktionieren könnte. Eine entsprechende Bepreisung würde allein über marktwirtschaftliche Mechanismen dafür sorgen, dass man weder den Ingenieuren noch der Wirtschaft irgendetwas vorschreiben, noch den Bürgern etwas Unbequemes zumuten müsse. Lindner und Konsorten lassen aber die spannende Frage offen, wie hoch denn der Preis dann getrieben würde, wenn die Emissionsgrenze langsam näher rückt. Damit bleibt die Sache eine (mit Sicherheit extrem unsoziale) Luftnummer!
Auch die Union hat eine Universal-Antwort parat. Achtung, bitte festhalten (sonst haut einen die Überraschung um): WIRTSCHAFTSWACHSTUM! Ja, es ist ernst gemeint; Laschet hat es gestern im Fernsehen erklärt! Wenn die Wirtschaft nur munter genug wächst, dann geht alles wie von selbst: Steuereinnahmen sprudeln und die Verschuldung kann gleichzeitig abgebaut werden. Wie praktisch, dass ja Wachstum durch eine möglichst geringe Steuerlast begünstigt wird: So wird die Schonung von Vermögenden und Spitzenverdienern zur willkommenen Rettungsmaßnahme für die gesamte Gesellschaft, geradezu zur Notwendigkeit. Wer wollte gegen so viel Vernunft und Logik etwas sagen?
By the way: Wie war das nochmal mit dem Zusammenhang zwischen (grenzenlosem) Wirtschaftswachstum und so kleinen Problemchen wie Umweltzerstörung, Artensterben, Ressourcenverbrauch, Vermüllung der Weltmeere, usw.?
Es dreht sich alles um zwei Punkte: Man will die eigene Klientel nicht belasten und man will ganz bewusst die Stimmung erzeugen, auf die man sich dann als fürsorgliche Politiker beruft. Das Motto heißt: „Man darf die Menschen nicht überfordern, man muss sie mitnehmen, die Leute wollen keine Vorschriften und Verbote.“ Indem man dieses Mantra unaufhörlich wiederholt, vergrößert und verfestigt man eben genau dieses Gefühl, dass da (angeblich) finstere Mächte drohen könnten. Statt Verantwortung und Führung zu übernehmen, redet man den Ängsten und Bequemlichkeiten der Menschen nach dem Munde – weil es Stimmen verspricht!
Man merkt: Es ist wirklich alles solide GRÜN, hier im Lande – wir brauchen die GRÜNE Partei gar nicht mehr! Frohes Erwachen im September 2021!
Diversität
Heute ist der offizielle Tag der Diversität. Damit wird auch ein Herzstück GRÜNER Politik thematisiert, denn keine andere relevante Partei verbindet wohl ihre eigene Identität in einem solchen Ausmaß an die positive Haltung zu Vielfalt und Buntheit in unserer Gesellschaft.
In den klassischen GRÜNEN Milieus stellt dieses Thema einen Selbstläufer dar. Der Kampf gegen Diskriminierungen wegen Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe, Religion, Gesundheitsstatus, Alter oder sexueller Orientierung verbindet Alt- und Neu-GRÜNE, Realos und Fundies.
Mit der aktuellen Öffnung zur bürgerlichen Mitte kommt allerdings an einigen Punkten etwas Sand ins Getriebe: Nicht jede/r klimaengagierte potentielle Wähler/in ist so eindeutig mit allen Facetten der Gendersprache verschwestert, der ein oder die andere findet die Differenzierung in mehr als vier oder fünf sexuell-identitäre Subgruppen ein wenig mühsam.
Ein echtes Problem lässt sich auch orten: Die GRÜNEN befürworten einen Gesetzentwurf, in dem für (auch für) Jugendliche die Schwelle zu einer Geschlechtsanpassung massiv gesenkt werden soll. Frei nach dem Motto: “Jeder soll die Geschlechtsidentität frei wählen, verändern und leben dürfen, die dem eigenen Wunsch und Empfinden entspricht.
Das ist sicher erstmal gut gemeint und würde für eine kleine Gruppe von hochbelasteten jungen Menschen eine Entlastung bringen. Und natürlich entspricht es dem modernen Zeitgeist, sich von möglichst vielen Einschränkungen zu befreien, die einer freien Entfaltung der Individualität im Wege stehen.
Also weg mit bürokratischen Hemmnissen, her mit der Selbstbestimmung!?
Man darf da anderer Meinung sein! Denn es geht nicht nur um die (nachvollziehbare) Empathie mit der Leidensgeschichte von jungen Menschen, die sich schon sehr früh und sehr eindeutig “falsch” in ihrem Körper gefühlt haben. Es geht auch um einen Trend, um eine Mode, um einen Hype – rund um das Spiel mit sexueller Identität: da genügt ein Blick ins Internet. Und es geht auch um Menschen, die aus ganz anderen Gründen emotional beeinträchtigt sind und die in dem Transgender-Thema eine Art Anker zu finden meinen (man spreche mal mit – männlichen oder weiblichen – Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten).
Und ein bisschen geht es vielleicht auch um eine Machbarkeits-Ideologie, die in anderen Bereichen durchaus schon kritisch reflektiert wird.
Da sowohl hormonelle, als auch erst recht operative Eingriffe in die biologischen Grundlagen der Geschlechtlichkeit ganz bestimmt nicht mit Piercing, Tattoos oder Schönheitsoperationen zu vergleichen sind, verlangt dieses Thema Vorsicht, fachliches Abwägen und Differenziertheit. Hier kann und darf es nicht darum gehen, die Schwellen für entsprechende Behandlungen so niedrig wie möglich zu machen – selbst wenn das in der lauten bunt-diversen Szene noch so gut ankommen sollte.
Ich erwarte von “meiner” GRÜNEN Partei verantwortungsvolle Entscheidungen auch bei solchen Themen, die so eindeutig positiv besetzt sind wie die Diversität.
Sicher nicht nur aus wahltaktischen, sondern aus inhaltlichen Gründen.
Fairerweise ist anzumerken, dass es in dem aktuellen Gesetzentwurf vorrangig um die rechtlichen Aspekte der Bestimmung des eigenen Geschlechts (inkl. des Vornames) geht.
Trotzdem heißt es dort auch:
Das Recht auf freie Entwicklung der Persönlichkeit entsprechend der Geschlechtsidentität umfasst das Recht, über die Durchführung medizinischer Maßnahmen zur Modifizierung des eigenen Körpers im Hinblick auf Erscheinung und körperliche Funktionen bei vollumfassender vorheriger medizinischer Aufklärung und Einwilligungsfähigkeit selbstbestimmt zu entscheiden.
Es ist gerade so viel GRÜN hier…
Es knubbelt sich ein wenig, Es herrscht Aufregung. Die Themen überschlagen sich.
Eins sollte aber klar sein: Das alles ist nur ein Vorgeschmack!
Schon Anfang der Woche gab es einen Schocker: Die CDU hat das Wahlprogramm der GRÜNEN als heimtückischen Fliegenpilz entlarvt!
Da hat man doch – keiner konnte es ahnen – tatsächlich bei genauerem Studium herausgefunden, dass ein GRÜNES Programm auch GRÜNE Inhalte und Forderungen beinhaltet. Ein echter Skandal!
Da stehen tatsächlich Dinge drin, die nicht alle in der CDU/CSU toll finden!
Gut, dass sie jetzt die Bevölkerung warnen. Die hätte sonst vielleicht geglaubt, es handele sich um das als vermisst gemeldete Programm der Union…
Gemein ist außerdem: Die GRÜNEN bringen es offenbar fertig, völlig beliebig und unkonkret zu sein – und gleichzeitig Dinge zu fordern, die den Untergang des Abendlandes einläuten könnten. Das scheint ein verhexter Fliegenpilz zu sein! (Kein Wunder, bei dem Frauenanteil….).
Fertig mit Satire.
Habeck hat sich getraut, die Thema GRÜN/ROT/ROT anzusprechen. Der Knackpunkt ist natürlich die Regierungsfähigkeit der LINKEN, die sich insbesondere im Bereich der Außenpolitik entscheidet. An diesem Punkt geht es ums Eingemachte, weil die Strategie aller anderen Parteien sich darauf konzentrieren wird, die tiefe Abneigung des bürgerlichen Lagers gegenüber den LINKEN zu nutzen.
Das Ziel ist klar: Man will die Optionen der GRÜNEN so weit einschränken, dass die Leute aus Sorge vor einem Chaos bei der Regierungsbildung gleich etwas anderes wählen.
Fallen die LINKEN aus, bliebe (außer dem unsicheren Jamaika) nur GRÜN/Schwarz (oder Schwarz/GRÜN). Hier hat die CSU sinniger Weise heute die Zange von der anderen Seite angesetzt: Wenn die CSU sich nämlich weigert, in eine GRÜN geführte Koalition einzutreten, hoffen sie darauf, dass dann die Wähler lieber die CDU/CSU stark machen (was dann ja Schwarz/GRÜN ermöglichen würde). Das ist übrigens ziemlich ungeheuerlich: Eine Koalition davon abhängig zu machen, dass man der stärkere Partner wird. So macht man ein Land tatsächlich unregierbar!
Zurück zum Anfang: Die GRÜNEN können gar nichts anderes tun, als den LINKEN klare Bedingungen zu stellen (vielleicht sogar mit der klammheimlichen Hoffnung, dass diese nicht erfüllt werden…).
Bleibt Boris Palmer.
Ich will jetzt nicht darüber schreiben, wann Rassismus anfängt. Da bin ich vermutlich vom GRÜNEN Mainstream ein bisschen entfernt. Mir geht es eher um (Selbst-)Disziplin.
Kann man/frau nicht in einer solch politisch so bedeutsamen Situation erwarten, dass beteiligte Menschen sich auch dann zurücknehmen, wenn sie sich uneingeschränkt im Recht fühlen (und es vielleicht sogar in Teilaspekten auch sind)?
Geht es vielleicht gerade um größere Fragen!? Um die Chance, die deutsche Politik stärker zu prägen, als dies für viele bisher vorstellbar war!?
Man wird nicht jeden Widerspruch lösen können, man muss auch mal Ungereimtheiten ertragen, man muss auch mal was runterschlucken – zumindest öffentlich.
Palmer hat seiner eigenen Sache keinen Dienst erwiesen; er hat (durch geplante Provokation oder große Unbedarftheit) dafür gesorgt, dass die Fronten sich verhärten und sich auch die Leute mit der Parteiführung solidarisieren, die eigentlich eine differenzierte Meinung haben.
Schade, so geht eine mögliche Diskussionsebene leider verloren.
Unruhige Zeiten stehen bevor.
Die GRÜNEN und Deutschland
Es ist wohl die nackte Panik, die andere Parteien dazu treibt, sich schon im Vorfeld mit parteiinternen Änderungsanträgen zum Wahlprogramm zu befassen.
So gibt es jetzt tatsächlich eine ganze Reihe von Anträgen, den Begriff “Deutschland” aus dem Titel des Programms (“Deutschland – Alles drin”) zu streichen. Diese Tatsache wird jetzt als Beleg angeführt, dass es den GRÜNEN an einem klaren und positiven Bekenntnis zu ihrer Nation mangele.
Es wird dabei so getan, als sei jede Partei dazu verpflichtet, den Begriff “Deutschland” in der Überschrift zu nennen – und ein Abweichen von dieser “Norm” wäre eine grobe Verfehlung.
Für mich erstmal eine abstruse Haltung.
Nun kann man natürlich argumentieren, dass es schon eine Aussage machen würde, wenn man den einmal vorhandenen Begriff in Frage stellt bzw. streichen möchte.
Das stimmt natürlich: Es überrascht tatsächlich nicht, dass es in einer Partei, deren DNA für Internationalismus und gegen Deutschtümelei programmiert ist, kritische Stimmen gegen eine so plakative Hervorhebung der Nation laut werden.
Darüber kann und darf man streiten.
Taktisch klug ist dieser Konflikt sicher nicht. Aber in dieser Zeit, in der jeder Mucks in der Partei von den Rivalen darauf überprüft wird, ob er Wahlkampfmunition bietet, würde die alleinige Ausrichtung auf die Außenwirkung jede Diskussion verunmöglichen.
Persönlich halte ich das Wahl-Motto eher für klug und passend.
Es macht deutlich, dass die GRÜNEN den Begriff “Deutschland” nicht den anderen überlassen. Es macht tatsächlich auch inhaltlich Sinn, dem Motto der AfD (“Deutschland. Aber normal.”) das “Deutschland. Alles drin.” entgegenzusetzen. Es betont Vielfältigkeit, Integration, Zukunftsoffenheit, Chancen, Zuversicht.
Ich vermute, der Wahlparteitag wird sich für die Beibehaltung des Slogans entscheiden.
Dass darüber diskutiert und abgestimmt wird, ist kein Problem.
Ich vermute mal, dass in den Änderungsanträgen bei den Parteitagen der Mitbewerber spektakulärere und bedrohlichere Inhalte zu finden wären…
Brauchen wir die GRÜNEN jetzt noch?
Das Bundesverfassungsgericht hat ein historisches Urteil gefällt. Die Implikationen dieser grundsätzlichen Neubestimmung des Freiheits-Begriffes sind kaum zu überschätzen.
Man könnte auch sagen: Wir leben seit gestern in einer anderen Republik, in einer anderen Epoche.
Zu dick aufgetragen?
Etwas weniger pathetisch könnte man es so beschreiben: Das höchste deutsche Gericht hat die Argumentation der jungen Klima-Aktivisten (“Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut”) schlichtweg in gültiges Recht gegossen.
Wir – die jetzt bestimmende Erwachsenen-Generation – haben eben nicht die Freiheit, durch unser Tun und durch unsere Unterlassungen die Freiheit der nächsten (und übernächsten) Generation zu beschneiden. So einfach, so richtig!
Damit fällt das ganze unsägliche Gejammere über die Freiheitsbedrohung durch eine konsequente Klimapolitik in sich zusammen. Es erweist sich als das, was es immer schon war: heiße Luft!
Die echten Freiheits-Killer lauern eben nicht in dem Umsteuern bei Energie, Verkehr, Ernährung, Bauen und Industrie. Es sind nicht die Auflagen, Regeln und Preiserhöhungen, die uns einer Horde von Öko-Diktatoren ausliefern. Es ist genau umgekehrt: Mit jedem Versäumnis, mit jedem Abwarten schränken wir die Freiheit derjenigen ein, die dann später die Zeche zahlen müssen – mit ihrer Gesundheit, ihrer Lebensqualität und ihrem Geldbeutel.
Was heißt das konkret?
Im ersten Schritt müssen jetzt gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die Anstrengungen und Kosten der Klimaziele für 2050 nachvollziehbar und gerecht auf die Generationen verteilt.
Das soll angeblich jetzt ganz kurzfristig geschehen.
Haben damit die GRÜNEN quasi ausgedient, weil ihre Agenda schon vor der Wahl in Gesetzestext vorliegen wird?
Nun, wenn die CDU/CSU schlau ist, wird sie versuchen, die Situation in diesem Sinne auszunutzen: GRÜNE Politik hat ja sowieso Verfassungsrang bekommen – dann können das ja ruhig die “bewährten” Leute umsetzen…
Das wird aber nicht funktionieren! Ich glaube an den umgekehrten Effekt: Man wird die notwendigen Ideen und deren Verwirklichung am ehesten denen zutrauen, die seit vielen Jahren genau für die Maßnahmen kämpfen, die jetzt unvermeidlich sein werden.
Gegenüber denen, die bis gestern gebremst haben, wird es ein gesundes Misstrauen geben.
Also: Die GRÜNE Wende hat noch einen zusätzlichen Schwung bekommen. Oder, sagen wir es klimaaffin: Der Wind bläst von hinten!
Manchmal bewegt die “Dritte Gewalt” (die Judikative) mehr als die eigentlich zuständige Politik. Ein Grund zur Freude!
Übrigens: Die GRÜNEN machen nicht nur Klima-Politik! Ihre Politik-Ansätze werden auch in anderen Bereichen gebraucht.
Ist Habeck ein Weichei und ein schlechter Verlierer?
Kandidatenkür und ZEIT-Interview liegen zwar schon eine Woche zurück, noch immer wird aber breit diskutiert, ob sich Robert Habeck irgendwie “falsch” verhalten hat.
Hat er zu deutlich gesagt, dass er auch wollte? Hätte er sich und seine Gefühle wegen der enttäuschten Perspektiven nicht so wichtig nehmen dürfen? Wäre es nicht wichtig gewesen, Baerbock als die “eindeutig Bessere” darzustellen? War es nicht schofelig, die Wahl seiner Konkurrentin so eindeutig mit ihrem Geschlecht zu verbinden? Hätte er nicht einfach im Hintergrund bleiben müssen? War es zu forsch, davon auszugehen, dass er aufgrund seiner Qualifikationen und des Vorlaufs ein Teil der Regierungsmannschaft sein würde (einen Wahlsieg vorausgesetzt)?
Sechs Fragen, auf die ich sechsmal mit einem klaren “Nein” antworten würde!
Für mich war es stimmig, dass sich der oder die Andere nach der Entscheidung zu Wort meldet. Gehört es denn nicht zu dem angebotenen “neuen Politikstil”, dass auch die Sichtweise des Unterlegenen authentisch kommuniziert werden darf? Wenn ein Rennen so knapp ausgeht, wenn so viele Monate Energie und Herzblut geflossen sind, ist es für mich sowohl legitim als auch öffentlichkeitsrelevant, wie mit einem “Zurückstehen” umgegangen wird. Hätte man dieses Recht Baerbock nicht ganz selbstverständlich zugestanden?
Man will bei und von den GRÜNEN einen “anderen” Typ von Mann. Und der soll dann ausgerechnet im Moment der Entscheidung cool sein und keine Gefühle zeigen?
Jede/r weiß, dass es für die feministisch geprägten GRÜNEN ein Unding gewesen wäre, gegen zwei Männer einen weiteren Mann ins Rennen zu schicken. Das schließt nicht aus, dass Baerbock auch unabhängig davon eine gleichwertige oder sogar bessere Wahl gewesen wäre. Habeck war auch an diesem Punkt einfach nur ehrlich: Die Geschlechterfrage war ein zentraler Grund. So sind die GRÜNEN, dafür stehen sie, dafür schämen sie sich nicht. Als GRÜNER Mann trägt man das mit – was nicht heißt, dass es sich in jedem einzelnen Moment toll anfühlt. So what?
Warum hätte er denn verschweigen sollen, dass ihn seine politischen und administrativen Erfahrungen dafür prädestinieren, in einer GRÜN geprägten Regierung zur Kernmannschaft zu gehören? Wollte oder sollte das jemand bezweifeln? Hätte das im umgekehrten Fall jemand Baerbock streitig gemacht? Wohl kaum!
Für mich war die Stellungnahme von Habeck eine passende Abrundung des gemeinsamen Weges an diesem Punkt. Jetzt ist Sache allerdings durch. Das alles kann und darf einmal gesagt werden, aber ganz sicher kein Dauerthema werden.
Wird es auch nicht – wetten?