Annalena Baerbock in Bochum

Der Himmel war gnädig und zeigte blaue Abschnitte, als sich heute ein paar hundert Leute vor dem Bergbaumuseum versammelten. Das Wetter passte zur Stimmung: das freundlich zugewandte Interesse erfasste schon die Sprecher/innen des Vorprogramms bzw. die lokale Mini-Band. Die Sicherheitsmaßnahmen waren kaum wahrzunehmen, Störer traten nicht in Erscheinung, man war unter sich.
Annalena (so wie sie ja in diesen Kreisen genannt und angesprochen wird) war sichtlich entspannt und gut gelaunt.

Der grüne Wahlkampftross war ja gerade gestartet (gestern in Hildesheim), am 25.09. werden es dann 100 Auftritte gewesen sein, die – überwiegend im Duett – abgeleistet wurden. Bochum gehörte also eindeutig in die Phase des Aufwärmens.

Die GRÜNE Kandidatin ist keine Lichtgestalt, sie ist keine charismatische Persönlichkeit. Es schleichen sich immer wieder kleine Versprecher ein. Sie wirkt aber motiviert und kämpferisch – keineswegs verzagt oder gar resignativ.
Annalenas Stärke liegt in der Übereinstimmung von inhaltlicher Botschaft und persönlichem Auftreten: Einer lebendig und locker wirkenden Frau der mittleren Generation nimmt man die Message von Aufbruch und Umsteuern einfach sehr viel eher ab als den seit Jahrzehnten bekannten und verbrauchten Politik-Gesichtern. Diese Frau muss niemanden davon überzeugen, dass sie die von ihr verkündeten Ziele tatsächlich anstrebt.
Warum sollte sie nicht in genau der Gesellschaft leben wollen, die im GRÜNEN Wahlprogramm schon recht konkret beschrieben wird? Als Person verkörpert sie diese Gesellschaft ja schon längst! Von welchem Spitzenpolitiker der anderen Parteien ließe sich das hinsichtlich der anstehenden Transformations-Aufgaben ohne Zögern sagen?

Die wesentlichen Themen werden routiniert und ohne besondere Überraschungen abgearbeitet. Natürlich fehlt der Bezug zum Ruhrpott und den hier geleisteten Veränderungsprozessen nicht.
Annalena erwähnt ihre Einbettung in das Team der GRÜNEN Partei und in eine weitergehende gesellschaftliche Aufbruchstimmung. Schade nur, dass ihr der Name Robert Habeck während ihres gesamten Auftritts nicht von den Lippen kommt – aus meiner Sicht die einzige Schwäche ihres Auftritts.

Persönlich punkten kann Annalena in der Fragerunde am Abschluss: Es wirkt geradezu spontan, wie sie die Bühne verlässt und sich in den abgegrenzten Raum der (wohl vorher ausgewählten bzw. kontrollierten) sitzenden Zuschauer begibt. Dialog auf Augenhöhe ist die Botschaft: “Ich bin eine von euch!”

Ich bin nach dieser Erfahrung noch motivierter, ein ganz klein wenig dazu beizutragen, dass die von Annalena repräsentierte Strömung eine maßgebliche Rolle in der nächsten Regierung spielen kann. Wer die GRÜNE Spitzenkandidatin wählt, bekommt auch Robert Habeck und erhöht die Sicherheit, dass keine Koalition ohne diese Partei gebildet werden kann.

Den Wahlkampf einstellen?

Konzentrieren wir uns mal auf drei Facetten der Wirklichkeit:
1) Auf die weltweiten Extrem-Wetter-Ereignisse der letzten Wochen
2) Auf den heute veröffentlichten, extrem alarmierenden Bericht des Weltklimarates
3) Auf die Tatsache, das nur die GRÜNEN einen wirklich ernstzunehmenden, kurzfristig wirkenden Aktionsplan zur Begrenzung des weiteren CO2-Ausstoßes haben

Auf dieser Grundlage stellt sich die Frage: Wozu noch einen wochenlangen Wahlkampf führen? Was gibt es noch zu entscheiden? Welche Alternativen sind denn vorhanden? Was muss noch abgewogen werden?
Also: Schluss mit dem Wahlkampf; es ist doch alles so total eindeutig!

(Ich gebe zu, dass dieses ironisch-zugespitzte Statement von vielen als extrem polemisch empfunden werden könnte. Ich höre schon die Vorwürfe, dass solche “platten” Sätzen eine unzulässige Verkürzung der komplexen Gesamtlage beinhalten würden.
Natürlich meine ich es nicht wörtlich; natürlich muss der Wahlkampf weiter gehen. Aber ich meine es inhaltlich genau so eindeutig.
Meine Einladung an euch: Lasst uns in fünf oder zehn Jahren nochmal darüber sprechen, wer die Zeichen (und Notwendigkeiten) der Zeit klarer erkannt hat: die Abwiegler, Kompromissler und Aufschieber – oder die Menschen, die jetzt für klare und konsequente Umsteuerung kämpfen. Seid ihr bei der Auswertung dabei?)

Zwei Tage später

Unfassbar: Nach einem wirklich eindrücklichen heute-journal findet ein eine Talk-Runde statt, in der das Klima-Thema auf einmal unangefochten die Nummer 1 ist. Der Anlass: Extrem-Wetter im Westen von Deutschland!
Natürlich war das nicht meine Hoffnung, als ich vor zwei Tagen über die “fehlenden” lokalen Extrem-Ereignisse und die Auswirkung auf den Wahlkampf fabuliert habe. Es ist schockierend, wie schnell sich das verändern kann.

Man kann gespannt sein!

Wetter-Extreme am falschen Ort?

Es hat fast etwas Tragisches: Zwar weisen die aktuellen Hitzerekorde im westlichen Nordamerika (49,5 Grad) und in Finnland (33,5 Grad) in einer nie gekannten Eindeutigkeit auf die katastrophalen Auswirkungen der menschengemachten Klimaveränderung – aber ausgerechnet im Wahlkampfland Deutschland dämpft der insgesamt gemäßigte Sommer die Klima-Diskussion deutlich.

Das ist keine Nebensache: Man stelle sich nur einmal kurz vor, welche Bedeutung die Baerbock-Verfehlungen wohl hätten, wenn auch unser Land gerade mit einer Hitze- und Trockenheitsphase zu kämpfen hätte, wenn die Todeszahlen von Hitzeopfern die Corona-Toten längst in den Schatten gestellt hätten. Und wie anders dann mit dem halbherzigen Rumgedruckse der angeblich so klimabewussten anderen Parteien öffentlich umgegangen würde.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Natürlich wünsche ich mir so eine Lage – und die damit verbundenen Risiken – nicht herbei. Aber es macht schon traurig, wütend und ein Stück fassungslos, dass die Zufälligkeiten der diesjährigen globalen Wetter-Entwicklung letztlich darüber entscheiden, in welchem Ausmaß in den nächsten – extrem bedeutsamen – vier Jahren die überfällige Umsteuerung erfolgt.

Pech für die GRÜNEN? Nein: Pech für uns alle!

Jede/r weiß, dass die globale Bedeutung der Klima-Politik in Deutschland weit über den eigenen Anteil am CO2-Austausch (2%) hinausgeht. Der “Ruck”, der von beherzten und konsequenten Entscheidungen bei Energie, Verkehr, Landwirtschaft und Produktion ausgehen würde, wäre weltweit zu spüren.

Es hängt also tatsächlich etwas ab, von der Wahl im September. Sollte aus der angeheizten Anti-Baerbock-Kampagne am Ende das schlechteste Szenario entstehen – eine Regierungsbildung ganz ohne Beteiligung der GRÜNEN – dann wäre das für den Kampf gegen den Klimawandel ein massiver Rückschlag. Es geht also um mehr als um die Befindlichkeiten der GRÜNEN-Anhänger.

Wir sind spät dran! Auch wenn wir gerade keine 40 Grad haben und die Klima-Katastrophe nur am Bildschirm erleben!

Kleine “Verrücktheiten” am Rande

Ich hatte ja versprochen, dass meine Begleitung des GRÜNEN Wahlkampfes auch kritische Anmerkungen nicht aussparen würde. Diesmal geht es um eine Erfahrung auf meiner ersten (digitalen) Mitgliederversammlung.

Erstmal hat mich beeindruckt, wie engagiert die lokalen Parteivertreter an einem Freitagnachmittag (vor Ferienbeginn) bei der Sache sind, wie freundlich und zugewandt der Umgang ist und wie ernst auch die formalen Regeln genommen werden. Natürlich herrscht auch eine digitale Professionalität. Das Ergebnis: Abends gegen 22 Uhr waren noch ca. 60 Parteimitglieder online!

Gewöhnt habe ich mich inzwischen daran, dass Wortbeiträge immer paritätisch (abwechselnd) erfolgen müssen; eine Frau fängt immer an.
Aber es passieren auch Dinge, die für mir die Grenzen des “Gutgemeinten” eindeutig überschreiten – und ins “ungewollt Absurde” abgleiten: Wenn nämlich keine Wortmeldung einer Frau vorliegt, wird die Versammlung erst gefragt, ob es – unter diesen Vorzeichen – in Ordnung ist, dass (nur) eine (oder mehrere) männliche Stimmen gehört werden. Man könnte dem also offensichtlich widersprechen!

Gemildert wurde dieser etwas “fundamentalistische” Eindruck dann dadurch, dass es bei einer “Kampfabstimmung” möglich war, dass sich ein Bewerber ohne Migrationshintergrund gegen zwei Bewerber mit persönlicher Migrationsgeschichte durchsetzen konnte (offensichtlich gab es also keinen reflexartigen Automatismus).

Um es mal neutral auszudrücken: Die feministische Geschichte der GRÜNEN hat sich tief in die Grundstrukturen eingegraben. Ich will das gar nicht kritisieren; es lässt Neulinge nur manchmal stutzen….

Maja Göpel bedankt sich für den Erich-Fromm-Preis

Ich möchte mit diesem Beitrag dazu motivieren, ein YouTube-Video von 46 Minuten Dauer anzuschauen. Das ist eine Menge Zeit für Menschen, die in einen strukturierten Alltag eingebunden sind. Andererseits ist es nur ziemlich genau die Dauer einer Halbzeit eines EM-Fußballspiels…

Statt einen durchformulierten Text anzubieten (der euch nur wieder kostbare Zeit klaut), zähle ich nur ein paar Gründe auf, warum ich diese Rede von Maja Göpel so sehenswert finde:
– Es ist faszinierend, wie nah die Gedanken von Fromm (Stichwort “Haben oder Sein”) den aktuellen Fragestellungen um die Nachhaltigkeits-Transformation sind (wobei sich Göpel in ihrer Rede auf ein anderes Buch von Fromm bezieht).
– Es wird in einer – kaum zu übertreffenden Weise – deutlich, wie emotionale Präsenz mit analytischem Verstand und klaren Zielsetzungen verbunden sein kann.
– Um es anders auszudrücken: Göpel präsentiert hier eine Form von lebendiger Weiblichkeit, die ein Gefühl dafür entstehen lässt, warum es doch einen bedeutsamen Unterschied machen kann, ob Frauen auf allen Ebenen der Gesellschaft präsent sind. (Ja, ich weiß: Nicht alle Frauen sind toll und nicht alle Männer sind verkopfte Fachidioten).
– Die Rede motiviert – gerade weil sie so emotional und persönlich ist – zu einer eigenen Innenschau: “Wo stehe ich eigentlich in diesen Grundfragen? In welcher Welt möchte ich tatsächlich leben? Was für einen Mensch möchte ich sehen, wenn ich in den sprichwörtlichen Spiegel schaue?”

Ich persönlich finde es nach einer solchen Darbietung geradezu unmöglich, sich nicht angesprochen zu fühlen.

Alles GRÜN?

(Vorbemerkung: Dieser Beitrag bemüht sich ganz eindeutig nicht um sachliche und ausgewogene Formulierungen. Er lässt auch einen Einblick in die emotionale Beteiligung des Autors zu).

Nun liegen sie vor – die Programme der Mitbewerber.
Außer den Klima-Ignoranten von der AfD reklamieren alle Parteien für sich, eine irgendwie bessere, intelligentere und bequemere Klimapolitik anzubieten, als es die GRÜNEN tun.
Das, was tatsächlich von der sog. bürgerlichen Parteienseite geliefert wird (SPD und LINKE nehme ich hier mal aus), ist allerdings so katastrophal und peinlich, dass es einem fast die Sprache verschlägt.

Zunächst zum Allgemeinen:
Das größte politische Ziel und damit die Ausgangsbasis für alle anderen Überlegungen von FDP und CDU/CSU ist ganz eindeutig die Vermeidung von Steuererhöhungen!
Man mache sich das wirklich einmal bewusst: Nach einer dramatischen Ausnahmesituation (Corona-Krise) und angesichts einer globalen existentiellen Herausforderung (Klimawandel) fällt zweien unser „staatstragenden“ Parteien nichts Wichtigeres ein, als die Wohlhabenden und Reichen in diesem Land davor zu schützen, einen etwas größeren Beitrag zur Bewältigung dieser (und anderer) gesellschaftlichen Aufgaben zu leisten.
Ist das nicht wirklich armselig und schockierend zugleich?

Jetzt zur Klimapolitik:
Da traut man sich, dem transparenten und durchgerechneten Vorschlag der GRÜNEN alles Mögliche vorzuwerfen (von Beliebigkeit bis Öko-Diktatur), um dann selbst nur heiße Luft zu liefern.

Aber konkret: Die FDP sagt letztlich, dass alles über die Deckelung des CO2-Ausstoßes funktionieren könnte. Eine entsprechende Bepreisung würde allein über marktwirtschaftliche Mechanismen dafür sorgen, dass man weder den Ingenieuren noch der Wirtschaft irgendetwas vorschreiben, noch den Bürgern etwas Unbequemes zumuten müsse. Lindner und Konsorten lassen aber die spannende Frage offen, wie hoch denn der Preis dann getrieben würde, wenn die Emissionsgrenze langsam näher rückt. Damit bleibt die Sache eine (mit Sicherheit extrem unsoziale) Luftnummer!

Auch die Union hat eine Universal-Antwort parat. Achtung, bitte festhalten (sonst haut einen die Überraschung um): WIRTSCHAFTSWACHSTUM! Ja, es ist ernst gemeint; Laschet hat es gestern im Fernsehen erklärt! Wenn die Wirtschaft nur munter genug wächst, dann geht alles wie von selbst: Steuereinnahmen sprudeln und die Verschuldung kann gleichzeitig abgebaut werden. Wie praktisch, dass ja Wachstum durch eine möglichst geringe Steuerlast begünstigt wird: So wird die Schonung von Vermögenden und Spitzenverdienern zur willkommenen Rettungsmaßnahme für die gesamte Gesellschaft, geradezu zur Notwendigkeit. Wer wollte gegen so viel Vernunft und Logik etwas sagen?
By the way: Wie war das nochmal mit dem Zusammenhang zwischen (grenzenlosem) Wirtschaftswachstum und so kleinen Problemchen wie Umweltzerstörung, Artensterben, Ressourcenverbrauch, Vermüllung der Weltmeere, usw.?

Es dreht sich alles um zwei Punkte: Man will die eigene Klientel nicht belasten und man will ganz bewusst die Stimmung erzeugen, auf die man sich dann als fürsorgliche Politiker beruft. Das Motto heißt: „Man darf die Menschen nicht überfordern, man muss sie mitnehmen, die Leute wollen keine Vorschriften und Verbote.“ Indem man dieses Mantra unaufhörlich wiederholt, vergrößert und verfestigt man eben genau dieses Gefühl, dass da (angeblich) finstere Mächte drohen könnten. Statt Verantwortung und Führung zu übernehmen, redet man den Ängsten und Bequemlichkeiten der Menschen nach dem Munde – weil es Stimmen verspricht!

Man merkt: Es ist wirklich alles solide GRÜN, hier im Lande – wir brauchen die GRÜNE Partei gar nicht mehr! Frohes Erwachen im September 2021!

Diversität

Heute ist der offizielle Tag der Diversität. Damit wird auch ein Herzstück GRÜNER Politik thematisiert, denn keine andere relevante Partei verbindet wohl ihre eigene Identität in einem solchen Ausmaß an die positive Haltung zu Vielfalt und Buntheit in unserer Gesellschaft.
In den klassischen GRÜNEN Milieus stellt dieses Thema einen Selbstläufer dar. Der Kampf gegen Diskriminierungen wegen Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe, Religion, Gesundheitsstatus, Alter oder sexueller Orientierung verbindet Alt- und Neu-GRÜNE, Realos und Fundies.

Mit der aktuellen Öffnung zur bürgerlichen Mitte kommt allerdings an einigen Punkten etwas Sand ins Getriebe: Nicht jede/r klimaengagierte potentielle Wähler/in ist so eindeutig mit allen Facetten der Gendersprache verschwestert, der ein oder die andere findet die Differenzierung in mehr als vier oder fünf sexuell-identitäre Subgruppen ein wenig mühsam.

Ein echtes Problem lässt sich auch orten: Die GRÜNEN befürworten einen Gesetzentwurf, in dem für (auch für) Jugendliche die Schwelle zu einer Geschlechtsanpassung massiv gesenkt werden soll. Frei nach dem Motto: “Jeder soll die Geschlechtsidentität frei wählen, verändern und leben dürfen, die dem eigenen Wunsch und Empfinden entspricht.

Das ist sicher erstmal gut gemeint und würde für eine kleine Gruppe von hochbelasteten jungen Menschen eine Entlastung bringen. Und natürlich entspricht es dem modernen Zeitgeist, sich von möglichst vielen Einschränkungen zu befreien, die einer freien Entfaltung der Individualität im Wege stehen.
Also weg mit bürokratischen Hemmnissen, her mit der Selbstbestimmung!?

Man darf da anderer Meinung sein! Denn es geht nicht nur um die (nachvollziehbare) Empathie mit der Leidensgeschichte von jungen Menschen, die sich schon sehr früh und sehr eindeutig “falsch” in ihrem Körper gefühlt haben. Es geht auch um einen Trend, um eine Mode, um einen Hype – rund um das Spiel mit sexueller Identität: da genügt ein Blick ins Internet. Und es geht auch um Menschen, die aus ganz anderen Gründen emotional beeinträchtigt sind und die in dem Transgender-Thema eine Art Anker zu finden meinen (man spreche mal mit – männlichen oder weiblichen – Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten).
Und ein bisschen geht es vielleicht auch um eine Machbarkeits-Ideologie, die in anderen Bereichen durchaus schon kritisch reflektiert wird.

Da sowohl hormonelle, als auch erst recht operative Eingriffe in die biologischen Grundlagen der Geschlechtlichkeit ganz bestimmt nicht mit Piercing, Tattoos oder Schönheitsoperationen zu vergleichen sind, verlangt dieses Thema Vorsicht, fachliches Abwägen und Differenziertheit. Hier kann und darf es nicht darum gehen, die Schwellen für entsprechende Behandlungen so niedrig wie möglich zu machen – selbst wenn das in der lauten bunt-diversen Szene noch so gut ankommen sollte.

Ich erwarte von “meiner” GRÜNEN Partei verantwortungsvolle Entscheidungen auch bei solchen Themen, die so eindeutig positiv besetzt sind wie die Diversität.
Sicher nicht nur aus wahltaktischen, sondern aus inhaltlichen Gründen.


Fairerweise ist anzumerken, dass es in dem aktuellen Gesetzentwurf vorrangig um die rechtlichen Aspekte der Bestimmung des eigenen Geschlechts (inkl. des Vornames) geht.
Trotzdem heißt es dort auch:
Das Recht auf freie Entwicklung der Persönlichkeit entsprechend der Geschlechtsidentität umfasst das Recht, über die Durchführung medizinischer Maßnahmen zur Modifizierung des eigenen Körpers im Hinblick auf Erscheinung und körperliche Funktionen bei vollumfassender vorheriger medizinischer Aufklärung und Einwilligungsfähigkeit selbstbestimmt zu entscheiden.


Es ist gerade so viel GRÜN hier…

Es knubbelt sich ein wenig, Es herrscht Aufregung. Die Themen überschlagen sich.
Eins sollte aber klar sein: Das alles ist nur ein Vorgeschmack!

Schon Anfang der Woche gab es einen Schocker: Die CDU hat das Wahlprogramm der GRÜNEN als heimtückischen Fliegenpilz entlarvt!
Da hat man doch – keiner konnte es ahnen – tatsächlich bei genauerem Studium herausgefunden, dass ein GRÜNES Programm auch GRÜNE Inhalte und Forderungen beinhaltet. Ein echter Skandal!
Da stehen tatsächlich Dinge drin, die nicht alle in der CDU/CSU toll finden!
Gut, dass sie jetzt die Bevölkerung warnen. Die hätte sonst vielleicht geglaubt, es handele sich um das als vermisst gemeldete Programm der Union…
Gemein ist außerdem: Die GRÜNEN bringen es offenbar fertig, völlig beliebig und unkonkret zu sein – und gleichzeitig Dinge zu fordern, die den Untergang des Abendlandes einläuten könnten. Das scheint ein verhexter Fliegenpilz zu sein! (Kein Wunder, bei dem Frauenanteil….).

Fertig mit Satire.
Habeck hat sich getraut, die Thema GRÜN/ROT/ROT anzusprechen. Der Knackpunkt ist natürlich die Regierungsfähigkeit der LINKEN, die sich insbesondere im Bereich der Außenpolitik entscheidet. An diesem Punkt geht es ums Eingemachte, weil die Strategie aller anderen Parteien sich darauf konzentrieren wird, die tiefe Abneigung des bürgerlichen Lagers gegenüber den LINKEN zu nutzen.
Das Ziel ist klar: Man will die Optionen der GRÜNEN so weit einschränken, dass die Leute aus Sorge vor einem Chaos bei der Regierungsbildung gleich etwas anderes wählen.
Fallen die LINKEN aus, bliebe (außer dem unsicheren Jamaika) nur GRÜN/Schwarz (oder Schwarz/GRÜN). Hier hat die CSU sinniger Weise heute die Zange von der anderen Seite angesetzt: Wenn die CSU sich nämlich weigert, in eine GRÜN geführte Koalition einzutreten, hoffen sie darauf, dass dann die Wähler lieber die CDU/CSU stark machen (was dann ja Schwarz/GRÜN ermöglichen würde). Das ist übrigens ziemlich ungeheuerlich: Eine Koalition davon abhängig zu machen, dass man der stärkere Partner wird. So macht man ein Land tatsächlich unregierbar!
Zurück zum Anfang: Die GRÜNEN können gar nichts anderes tun, als den LINKEN klare Bedingungen zu stellen (vielleicht sogar mit der klammheimlichen Hoffnung, dass diese nicht erfüllt werden…).

Bleibt Boris Palmer.
Ich will jetzt nicht darüber schreiben, wann Rassismus anfängt. Da bin ich vermutlich vom GRÜNEN Mainstream ein bisschen entfernt. Mir geht es eher um (Selbst-)Disziplin.
Kann man/frau nicht in einer solch politisch so bedeutsamen Situation erwarten, dass beteiligte Menschen sich auch dann zurücknehmen, wenn sie sich uneingeschränkt im Recht fühlen (und es vielleicht sogar in Teilaspekten auch sind)?
Geht es vielleicht gerade um größere Fragen!? Um die Chance, die deutsche Politik stärker zu prägen, als dies für viele bisher vorstellbar war!?
Man wird nicht jeden Widerspruch lösen können, man muss auch mal Ungereimtheiten ertragen, man muss auch mal was runterschlucken – zumindest öffentlich.
Palmer hat seiner eigenen Sache keinen Dienst erwiesen; er hat (durch geplante Provokation oder große Unbedarftheit) dafür gesorgt, dass die Fronten sich verhärten und sich auch die Leute mit der Parteiführung solidarisieren, die eigentlich eine differenzierte Meinung haben.
Schade, so geht eine mögliche Diskussionsebene leider verloren.

Unruhige Zeiten stehen bevor.