“No Way HOME” von T.C. BOYLE

Bewertung: 4 von 5.

T. C. BOYLE gehört zu den Gegenwartsautoren, die es schaffen, gesellschaftlich brisante Themen in erzählerisch dichte, sprachlich kraftvolle Literatur zu verwandeln. Sein Stil ist unverkennbar: ironisch unterlegt, mit hohem Tempo, bildstarker Sprache und einem sicheren Gespür für das Abgründige im Alltäglichen. Immer wieder widmet er sich Figuren, die am Rand der Gesellschaft stehen oder an ihren eigenen Idealen scheitern – getrieben, widersprüchlich, oft zugleich lächerlich und berührend. Auch No Way Home reiht sich hier ein: ein psychologisch vielschichtiger Roman, der existenzielle Fragen aufwirft – mit einer erzählerischen Kraft, für die BOYLE seit Jahrzehnten geschätzt wird.

Erzählt wird von drei jungen Leuten, die durch eine herausfordernde Konstellation miteinander verbunden sind. Im Mittelpunkt steht eine schillernde Frau (Bethany), die sowohl das Leben des Assistenzarztes Terry durcheinanderbringt, als auch bei ihrem EX-Freund Jesse so tiefe Spuren hinterlassen hat, dass dieser sie einfach nicht aufgeben will.
Eigentlich lebt und arbeitet Terry in Los Angeles, muss sich aber nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter um das geerbte Haus in Boulder City kümmern – einer vergleichsweise provinziellen Stadt am berühmten Hoover-Stausee im Umfeld von Las Vegas. Bethany und Jesse verbringen dort ein eher oberflächliches Mainstream-Leben zwischen Job und (möglichst vielen) Vergnügungen. Natürlich spielen dabei Alkohol, Drogen und Sex eine wesentliche Rolle.
Der Plot dreht sich um die beziehungsmäßigen Komplikationen zwischen den drei Protagonisten, die im Laufe von einigen Monaten eine unheilvolle Dynamik zu entwickeln scheinen…

Der Autor macht es einem mit der Auslegung seiner Figuren nicht ganz leicht: Während Terry (zumindest zunächst) einen halbwegs konsistenten Charakter aufweist, zeigen sich Jesse und Bethany eher zerrissen: Beide decken ein erstaunliches Spektrum an Empfindungen und Verhaltensweisen ab, das – insbesondere bei Jesse (der immerhin als Pädagoge arbeitet) – weit in ein „kriminelles“ Bereich hineinragt. Die beiden geraten immer wieder in Situationen, die sie „eigentlich“ so nicht wollten. Sie haben ihre Impulse nicht gut im Griff, werden von ihren momentanen Bedürfnissen getrieben – nicht von Prinzipien oder längerfristigen Zielen. Es ist auf Dauer ein wenig anstrengend, immer wieder dabei zuzuschauen, dass gute Vorsätze nur eine minimale Halbwertszeit haben.
Schließlich gerät auch Terry in einen Strudel, der seiner ursprünglich stabile bürgerlich-geradlinige Welt ins Wanken bringt.

Die Story kann als eine Art Milieustudie für das Leben in der modernen amerikanischen Freizeitgesellschaft betrachtet werden, wie es sich irgendwo zwischen urbanem und ländlichen Ambiente abspielt. Es gibt keine Werte oder Ziele neben Konsum und Vergnügen; man geht aus, trinkt, solange das Geld reicht und dreht sich letztlich nur um sich selbst. Moralische Maßstäbe sind entweder nicht vorhanden oder schnell vergessen – und die Grenzen zu kriminellen Handlungen ist fließend.

BOYLE gibt seinen Figuren viel Raum, lässt die Dinge eskalieren, urteilt nicht. Er lässt durchblicken, dass hinter all den Schwächen und Gleichgültigkeiten doch so etwas wie „echte“ Bedürfnisse verborgen sind: der Wunsch nach Anerkennung und Liebe, nach tieferer Bindung, vielleicht sogar nach Sinn.  

So bietet BOYLE zumindest denjenigen ein lohnende Leseerlebnis, die sich weder durch die vermeintliche Oberflächlichkeit von Handlungen und Personen, noch von den manchmal nur schwer verdaulichen Verhaltensextremen abschrecken lassen.

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