“Homöopathie neu gedacht” von Natalie GRAMS

Die Autorin vermittelt einen sehr persönlichen Zugang zu einer Fragestellung, die häufig recht heftige Kontroversen auslöst:
“Ist Homöopathie nun eine dringend notwendige Alternative zur seelenlosen Schulmedizin oder ein aufgeblähter Schwindel für esoterische Wundergläubige?”
Natalie Grams kann etwas in die Waagschale werfen, was die meisten Vertreter der jeweiligen Extremposition nicht können: Sie kennt sich auf beiden Seiten aus! Sie hat als Ärztin eine florierende homöopathische Praxis betrieben und hat aus dieser “Innenposition” heraus eine kritische Auseinandersetzung mit den Grundannahmen dieses Behandlungskonzeptes entwickelt. 

Daraus entstanden ist sowohl eine “Abrechnung” (mit den Märchen und Mythen rund um die Homöopathie) als auch ein Plädoyer für die Nutzung bestimmter Denk- und Behandlungsansätze.
Wie geht das?

Nun: Sie hat zunächst als Medizinerin ihr naturwissenschaftliches Herz (wieder-)entdeckt und macht unmissverständlich deutlich, dass homöopathische Medizin nicht über die verabreichten Mittel wirkt (wirken kann). Aus diesem irrationalen “Schwindel” wollte sie aussteigen.
Da sie aber bei ihren eigenen Patienten regelmäßig gute Heilerfolge erzielen konnte, ging sie  auf die Suche nach den tatsächlichen Wirkmechanismen – und wurde fündig! Ihre Analyse geht dabei über den allseits bekannten Placebo-Effekt weit hinaus und berücksichtigt vor allem die Faktoren, die in der therapeutischen Beziehung und in der spezifischen Gesprächsführung liegen.

Wer sich ein ganz klein wenig in diesem Bereich auskennt, kommt vielleicht doch relativ rasch auf die Idee, dass sie eigentlich über Psychotherapie redet, genauer gesagt über eine Mischung zwischen Gesprächstherapie und Kognitive Verhaltenstherapie. Sie selbst deutet das auch nach einer ganzen Weile an – ohne jedoch das Ausmaß der Übereinstimmung ganz erkennen zu können oder zu wollen.

Eine überraschende und irritierende Wendung nimmt dann das Buch an der Stelle, an der Frau Grams die homöopathische Praxis als eine Art Clearingstelle für das Gesundheitssystem bzw. für eine niederschwellige psychotherapeutische Basisversorgung nutzen will (“weil ja die echte Psychotherapie so schwer zu bekommen ist”).
Da wird es meiner Meinung nach dann doch ein wenig skurril – wenn auch das Anliegen verständlich ist.

Meine Bilanz: ein interessantes Buch, das ein paar neue Schneisen in das Unterholz der verfeindeten Lager schlägt, ohne in den Grundpositionen faule Kompromisse einzugehen.
Langfristig muss sich aber m. E. das Gesundheitssystem selbst verändern und die Teile der alternativen Medizin integrieren, die offensichtlich so dringend gebraucht und gewünscht werden. Aber bitte ohne Aufgabe der wissenschaftlichen und empirischen Maßstäbe (die uns allen übrigens unsere Lebenserwartung erheblich nach oben geschraubt haben).

(Zum Thema “Heilpraktiker” hier mehr)

“Am Ende aller Zeiten” von Adrian J. WALKER

Dieser Endzeit-Roman beschreibt die Situation einer kleinen Gruppe von Überlebenden nach einem Aufprall eines ganzen Asteroiden-Schwarms auf die nördliche Erdhalbkugel. Die Folgen für die gesamte Zivilisation erweisen sich als wahrhaft apokalyptisch.
Beschrieben wird der Versuch eines von seiner Familie getrennten Mannes, in einem eigentlich ausweglosen Unternehmen seine Angehörigen wiederzufinden.

Meine Eindrücke zu dem Buch sind zwiespältig: Es gibt einen Spannungsbogen, ein paar mit einiger Sorgfalt gezeichnete Akteure und ein sehr eindrückliches Endzeit-Szenario. Es gibt viel Beschreibung von Zerstörung und Gewalt – in einem für mich noch gerade akzeptablen Ausmaß (ich bin da eher empfindlich).
In der ersten Hälfte des Buches war ich eher enttäuscht, weil es nur wenige über die reine Handlung hinausreichenden Themen und Denkanstöße gab. Das verändert sich aber im zweiten Teil, so dass hier auch die Leser zu ihrem Recht kommen, denen es nicht nur um das Einlassen auf die Geschichte selbst sondern eher um die durch sie ausgelösten existentiellen und philosophischen Überlegungen geht.

Habe mich jedenfalls nicht geärgert das Buch ausgewählt zu haben.
Als Schulnote würde ich sowas wie eine 2- oder 3+ geben.

“Alexander von Humboldt” von Andrea WULF

Dieses Buch verführt zu Superlativen.
Das liegt an dem Thema – es geht um eine sehr herausragende Person – und an der literarischen Umsetzung – die wirklich sehr beeindruckend ist.

Normalerweise ist mein Interesse am Leben und an dem Schaffen einer einzelnen geschichtlichen Person nicht so groß, dass es mich zum Lesen einer so umfangreichen und detaillierten Darstellung motiviert. Dieses Buch bildet also eine Ausnahme und ich bin geradezu dankbar dafür, der Empfehlung (meines Schwagers) gefolgt zu sein.

Nach dem Lesen dieser Biografie habe ich das tolle Gefühl, einem der wohl facettenreichsten und zeitgeschichtlich bedeutsamsten Wissenschaftler und Naturforscher wirklich näher gekommen zu sein und Zugang zu seinen grundlegenden und bahnbrechenden Erkenntnissen und Einsichten zu haben.

Man kann nur absolut (Superlative!) beeindruckt sein von einer Persönlichkeit, bei der sich ein geradezu übermenschlicher Tatendrang mit einer universalistischen Begabung und einem so fortschrittlichen Welt- und Menschenbild vereint. Es ist wirklich kaum zu glauben!

Natürlich wiederholen sich auf über 400 Seiten bestimmte Aspekte der Darstellung von Humboldts Eigenschaften und Erkenntnissen. Für mich war das aber an keiner Stelle störend. Einerseits, weil nur in der Wiederholung der Umfang und die Bedeutung seines Lebenswerkes überhaupt fassbar werden kann. Andererseits gelingt es der Autorin auch, nicht nur eine chronologische Abfolge zu vermitteln sondern auch immer neue inhaltliche Schwerpunkte und zeitgeschichtliche Bezüge auf anregende Weise zu vermitteln.

Egal ob der Bezugspunkt in der wissenschaftliche Neugier, im abenteuerlichen Entdeckertrieb, in der intellektuellen Genialität, in der leidenschaftlichen Grenzenlosigkeit, im ganzheitlichen Blick auf die Natur, im ökologischen Bewusstsein oder in den humanistischen Überzeugungen liegt – eine Beschäftigung mit diesem Mann und diesem Buch ist absolut gewinnbringend!

“Helix: Sie werden uns ersetzen” von Marc ELSBERG

Während Autoren wie HARARI, LESCH oder AL GORE uns  mit ihren faktenreichen Sachbüchern auf die großen Entwicklungstrends der nächsten Dekaden einstimmen, nutzen andere den Weg über die eher leichte Lektüre: Sie spinnen rund um das Thema eine mehr oder weniger spannende Handlung und schaffen so die Möglichkeit, Aktualität und Wissensvermittlung mit Unterhaltung zu verbinden.

Neben dem ebenfalls hier besprochenen “Mirror” trifft dieser Anspruch auch dieses Buch von Elsberg zu. Es geht dabei hier um die Zukunftsvisionen der Humangenetik am Beispiel der Designer-Babys.

Ich will gar nichts über die Geschichte selbst sagen und mich auf eine zusammenfassende Bewertung konzentrieren:
Sicher hätte man auf die ein oder andere spektakuläre Effekthascherei verzichten können und so dem Text ein wenig mehr Seriosität verschaffen können. Wenn man aber darüber milde hinweg sieht, schafft es “Helix” m. E. sehr gut, sowohl an die sich abzeichnenden Potentiale der Genmanipulation heranzuführen als auch die anstehenden Grundsatzfragen sehr plastisch zu veranschaulichen.
Im Vergleich zum “Mirror” wird hier der Blick ein wenig weiter und spekulativer in die Zukunft geworfen: dies stellt aber die Relevanz der angeschnittenen Themen nicht in Frage.
Meine Meinungsbildung in dieser Frage ist jedenfalls durch die Lektüre sicher differenzierter geworden.

Wer sich vor Übertreibungen und gewissen Plausibilitätsdefiziten nicht fürchtet, bekommt hier eine anregende Lektüre (auch wenn es manchmal des Guten etwas zu viel erscheint).

“Das Labyrinth der Lichter” von Carlos Ruiz ZAFÓN

Man muss schon etwas Mut aufbringen, um sich kritisch mit einem Buch dieses gefeierten Schriftstellers auseinanderzusetzen. Er hat sich in den letzten Jahren als DER Autor für das Thema “Barcelona im Spanischen Bürgerkrieg” etabliert.
Auch für sein neues Buch hagelt es euphorische Rezensionen. (4,5 von 5 Sternen bei Audible).

Um es kurz zu sagen: Ich fand das Buch so schlecht, dass ich nach der Mitte abgebrochen habe.

Das lag nicht daran, dass ich den Schreibstil oder das Thema nicht wertschätzen kann; ich habe frühere Bücher durchaus mit Gewinn gelesen.

Das aktuelle Buch hat mich aus zwei Gründen geärgert:
Es enthält für meinen Geschmack ein Übermaß an Schilderungen von sadistischer Brutalität. Und zwar in einer Detailbesessenheit, die sicher nicht als literarisches Mittel benötigt wird, um einen realistischen Eindruck von der historischen Situation zu verschaffen.
Darüber hinaus wird extrem viel Mühe darauf verwandt, zwischen den Hauptpersonen ein komplexes System von Verbindungen, Abhängigkeiten und Intrigen zu spinnen. Dabei entstand für mich irgendwann der Eindruck, dass es weniger um eine spannende Handlung oder die Vermittlung von zeitgeschichtlichen Einblicken geht, sondern die “kunstvolle” Konstruktion dieser Verstrickungen sozusagen zum Selbstzweck des Buches geworden ist.
Dies wird spätestens an der Stelle deutlich, an der dem Autor offenbar gar nichts anderes übrig bleibt, als dieses System einmal im Zusammenhang  – eingewoben in einen Dialog – systematisch auseinanderzuklamüsern.
Bei mir entstand der Eindruck: Es ist einfach zuviel des Guten; die Qualität eines Buches bemisst sich nicht an der Raffinesse des Beziehungs-Plots.

Schade – ich kann jedenfalls nur abraten!

“Mirror” von Karl OLSBERG

In dem Roman (etwas Krimi, etwas Science Fiction) geht es um die potentiellen Risiken, die mit der technischen Weiterentwicklung des Smartphones und der sozialen Netzwerke verbunden sein könnten. Die Geschichte ist dabei der Gegenwart nur um einige Jahre – keineswegs Jahrzehnte – voraus.

Das Buch bietet eine unterhaltsame Möglichkeit, sich mit den digitalen Zukunfts-Szenarien auf eine leichte und unangestrengte Art auseinanderzusetzen. Es ist weder vom Inhalt noch vom Schreibstil anspruchsvoll und durchaus auch für ältere Jugendliche schon zu empfehlen (zumal ein junges Paar zu den Hauptpersonen gehört).
Eine nette Urlaubslektüre für Leute, die sich auch in der Freizeit gerne mit aktuellen Trends und Fragen auseinandersetzen.

Wer so etwas ähnliches für das Thema Genmanipulation sucht, ist hier gut bedient.