
HÖFFE hat ein langes professorales Philosophen-Leben mit zahlreichen Veröffentlichungen hinter sich und hat sich in Fragen der Ethik auch als Berater der Politik einen Namen gemacht.
In diesem schmalen Buch, dessen Inhalt er selbst als “Essay” verstanden wissen will, versucht der Autor eine Art Gesamtwürdigung des Phänomens “Verzicht” und lotet den Begriff (den er weitgehend synonym mit “Selbstbeschränkung” benutzt) in wesentlichen Facetten aus.
Der philosophische Blick ist auf Weitwinkel eingestellt: HÖFFE betrachtet u.a. die Weisheiten der großen Denker des Altertums über das gute und tugendhafte Leben, die Verzichts-Leistungen im Rahmen von gesellschaftlichen Regeln und dem formalen Recht und zuletzt auch die Anforderungen an unsere Verzichtsbereitschaft angesichts der großen aktuellen Menschheits-Herausforderungen.
Der Autor bewegt sich zwischen zwei Welten: Da ist einmal die akademische Philosophie mit den Bezügen zu den ganz Großen (u.a. Aristoteles, Kant und Nietzsche), daneben betätigt sich HÖFFE als alltagsorientierter Vertreter der angewandten Philosophie, der nicht nur Sitte und Anstand definiert, sondern auch recht eindeutig zu gesellschaftlichen Fragen Stellung bezieht: Der Kapitalismus ist nicht wirklich böse! Wir müssen uns in der Klimafrage vor Panikmache schützen! Die öffentlichen Medien sollten sich von ihrer “Gutmenschen-Einstellung” befreien! Wir müssen die Freiheit gegen eine Öko-Diktatur verteidigen!”
Das kann man ja alles so denken und sagen – aber ist das Philosophie?
Vieles, was HÖFFE schreibt, hat eine gewisse – durchaus sympathische – Nähe zum “Gesunden Menschenverstand”: Es geht um Maß und Mitte, Vernunft und Toleranz. Verzicht bezieht sich in der Regel auf Extreme: auf extremen Egoismus, auf Gier, auf kurzfristigen Hedonismus – aber auch auf die anderen Extrempole: auf Selbstverleugnung, Leibfeindlichkeit oder Askese.
Insgesamt wird der Begriff “Verzicht” damit ein wenig überstrapaziert: Wenn jede Vermeidung von Übertreibungen und Einseitigkeiten als eine Selbstbeschränkung definiert wird, kann letztlich jedes beliebige maßvolle Handeln als Verzicht definiert werden.
Nicht jede/r Leser/in wird den stellenweise etwas altväterlichen Stil des Autors mögen. Manchmal spricht da eher ein gutmeinender, belesener und etwas selbstverliebter “Großvater” als der seriöse Philosoph. Die zahlreichen Stellen, an denen HÖFFE seine eigenen Überzeugungen in philosophische Gewänder kleidet, lassen den Wunsch nach Widerspruch entstehen.
Grundsätzlich ist die Notwendigkeit und Bereitschaft zum Verzicht sicherlich eine brandaktuelle gesellschaftliche Thematik. Auch wenn HÖFFE das in Bezug auf die Klima- und Umweltkrise dankenswerter Weise deutlich anspricht, erscheint der von ihm gewählte Zugang nur für eine eher kleine Zielgruppe geeignet zu sein. Jüngere Menschen, die sich nicht als Teil des klassischen Bildungsbürgertums verstehen, werden in diesem Essay vermutliche keine Erleuchtung finden.