15.01.2020

Es sind sehr grundsätzliche Einstellungen und Bewertungen, die sich in den letzten Monaten und Jahren gewandelt haben. Manches, was noch vor kurzer Zeit selbstverständlich war, löst heute Kopfschütteln oder sogar Wut oder Fassungslosigkeit aus. Sehe ich heute rauchende Schlote von Kohlekraftwerken oder riesige Öltanker, kommt mir das geradezu pervers vor. Wie konnte man – so frage ich mich – diese Bilder einmal kritiklos als willkommenen Ausdruck wirtschaftlicher Prosperität interpretieren? Bestimmte Weltsichten sind wohl für alle Zeiten verloren gegangen. Hoffentlich nicht zu spät….

14.01.2020

Manchmal (ver)zweifelt man dann doch an den Menschen und ihren abstrusen Ideen. Z.B. an den Auswüchsen des Gender-Wahnsinns.

Da wird jetzt in bestimmten Kreisen (ernsthaft) darüber diskutiert, ob man öffentlich sagen darf, das Geschlechter-Unterschiede eine reale biologische Grundlage haben (und eben nicht nur oder überwiegend soziale und kulturelle Konstruktionen sind).

Die Harry-Potter-Autorin ROWLING steht deshalb seit einigen Wochen unter Beschuss einer bestimmten Gender-Szene. Sie sagte oder schrieb: “Sex is real”.

Wie abgedreht sowas diskutiert werden kann, kann man hier nachlesen. Ich bin über diese Sichtweise einfach nur fassungslos….

13.01.2020

Im Iran drücken sehr mutige Menschen ihren Protest gegen das erzreaktionäre Mullah-Regime unter Einsatz ihres Lebens aus.
Was tut Trump: Er twittert seine Unterstützung in der Landessprache Farsi.

Ein tolles Geschenk für die Mullahs! So können sie wunderbar behaupten, dass der Protest vom Ausland ferngesteuert ist und nur den Feinden des Staates nützt.

Das ist Trump im Zweifelsfall egal. Es bringt Punkte im Wahlkampf und lenkt von anderen Themen ab.

12.01.2020

Habe mich heute über die ZEIT geärgert. In einem längeren Artikel erfolgte eine “Analyse” der Politik von Macron. Diese sei eindeutig und in einem verwerflichen Umfang arbeitnehmerfeindlich und ausschließlich an den Interessen der Wirtschaft und der Reichen ausgerichtet.

Nun bin ich kein Fachmann für französische Sozialpolitik, zugegeben. Aber ich kann es im Jahre 2020 nicht mehr gut ertragen, wenn reflexartig und undifferenziert jede Korrektur auch an unlogischen, nicht mehr zeitgemäßen oder auf Dauer unfinanzierbaren Regelungen nur deshalb in Bausch und Bogen verdammt wird, weil irgendeine Gruppe von Arbeitnehmern oder Rentnern betroffen ist.

Wer zwanghaft jede Maßnahme ablehnt, die Privilegien von normalen Menschen (also nicht Reichen) betrifft und sie prinzipiell mit dem Kampfbegriff “Sozialabbau” (oder “FDP-Politik”) versieht, ist für mich im Scheuklappen-Denken des 19. Jahrhunderts stecken geblieben.

Ja, es kann auch ungerechtfertigte und dysfunktionale Regelungen für ärmere Gruppen geben. Es gibt sicher auch in Einzelfällen Überregulation und Überversorgung. Es gibt auch in unteren Schichten Egoismus und Schmarotzertum. Nicht jede Form von Transfer und Umverteilung ist unter allen Bedingungen sinnvoll, gerecht und logisch. Diese “alte” linke Sichtweise finde ich nicht mehr zeitgemäß.

Eine moderne linke Politik würde für mich bedeuten, dass es weniger um das Umverteilen von privatem Geld geht, sondern dass stattdessen der Staat für eine sehr gute öffentliche Infrastruktur in allen Bereichen sorgt. Bei Bildung, Gesundheit, Umweltschutz, Familienhilfen, Kultur, Verkehr, menschenfreundlichen Städten, usw.

Dafür darf er gerne noch stärker auf das Geld (sehr) reicher Leute zugreifen: durch eine vernünftige Vermögenssteuer, durch eine deutlich verschärfte Erbschaftssteuer und durch ausreichend Personal im Bereich Steuerprüfung und -fahndung.

Dafür gehe auch ich gerne mal auf die Straße. Aber mit Sicherheit ohne gelbe Weste oder rote Fahne.

11.01.2020

Heute bin ich mal echt geplättet! Das hätte ich nicht für möglich gehalten.

Worum geht es? Die iranische Regierung musste heute einräumen, dass das ukrainische Flugzeug vom eigenen Militär versehentlich abgeschossen wurde. Ein offenbar zwangsläufiges Eingeständnis aufgrund klarer Beweislage.

Was passiert? Die Stimmung in der iranischen Bevölkerung kippt von einem Moment zum nächsten und wendet sich aus der einmütigen Solidarisierung gegen die USA in eine Protestwelle gegen den eigenen Lügen-Staat. Unglaublich!

Welch aufgestautes Frustpotential muss da unter der Oberfläche lauern! Die nächsten Tage und Wochen werden sicher extrem spannend. Hoffentlich kommt etwas Gutes dabei raus. Ein demokratischer Regimewechsel im Iran würde neue Vorzeichen für die ganze Region schaffen.

Aber das ist wohl noch ein Traum…

10.01.2020

Frank SCHÄTZING, der deutsche Erfolgsschriftsteller war gestern bei Markus LANZ. Seine Ausführungen zum Klimawandel waren klar, eindeutig und engagiert. Auch wenn ich sein letztes Buch nicht sehr mochte: Sein Auftritt hat mir wirklich gut gefallen. Vielleicht schaut ihr mal in die ersten Minuten rein

09.01.2020

Ich will nicht nur über Politik schreiben. Das Leben besteht auch aus anderen Facetten.

Z.B. Werbung: Seitdem ich meinen TV-Konsum ganz überwiegend aus den Mediatheken unserer öffentlichen-rechtlichen Sender bestreite, bin ich kaum noch mit Werbung konfrontiert. Ein echter Vorteil. Manchmal schalte ich dann aber doch mal auf heute oder Tagesschau.

Was passiert: Ich muss unmittelbar vor Sendungsbeginn die denkbar nervigste Werbung aller Zeiten (gefühlt) ertragen: Irgendwelche halbwegs sympathischen Menschen erzählen dort ganz euphorisch, wie sehr ihnen Kijimea-Reizdarm geholfen hat. In einer so schrecklich auf Natürlichkeit getrimmten Künstlichkeit, dass mir regelmäßig schlecht wird.

Warum muss man im Jahre 2020 noch so eine niveaulose und penetrante Reklame produzieren?

Ich weiß es natürlich: Es kommt nur auf den einhämmernden Wiederholungseffekt an…

Wenn ich mal solche Beschwerden haben sollte, werde ich in der Apotheke sagen: “Geben sie mir irgendwas, wenn es nur nicht Kijimea heißt!”

Was auf uns zukommt…

Ich fand diese Werbung bemerkenswert.
Sie markiert für mich so etwas wie einen beginnenden Kulturkampf.

Natürlich haben wir uns im vergangenen Jahr bereits daran gewöhnt, dass es eine neue Trennlinie in unserer Gesellschaft gibt. Nach “links” vs. “rechts”, “arm” vs. “reich” und “Willkommenskultur vs. Abschottung” geht es spätestens seit Greta um “Klimaschutz” vs. “Klimaleugner”.
Nachdem das Thema monatelang die Talk-Shows, die Medien allgemein und die Esstische vieler Familie belagert hat, ist es jetzt im Zentrum unserer Gesellschaft angekommen: in der Werbung!

Es ist kaum zu glauben: Das demonstrative Festhalten an dem von Wissenschaftlern und Klimaaktivisten in Frage gestellten Lebensstil (SUV, Fliegen und Fleisch) wird gerade zu einem Markenzeichen für die “anderen” – für diejenigen, die sich nichts verbieten und nichts madig machen lassen wollen.
Nicht mit schlechtem Gewissen – nein mit stolz erhobenem Haupt bekennt man sich zu einer neuen Identität. Und diese Zielgruppe ist offenbar werbetechnisch relevant.

“Lass die Moralisten und Miesmacher über den Weltuntergang schwadronieren”, so hört man heraus, “wir wissen zu leben und wollen das auch nicht verstecken.”

Es wird einiges auf uns zukommen, in den nächsten Jahren. Auf jeden Fall eine Polarisierung. Sogar in der Werbung…

Systemsprenger

Ein ganz anderer Film. Eher eine Fortbildung als ein normaler Spielfilm.

Strukturell betrachtet geht es um das schwierige und oft leidvolle Dreieck von Familie, Jugendhilfe und Psychiatrie. Es geht um die mehr oder weniger hilflosen Versuche, die “passsende” Maßnahme für ein Kind zu finden, das nicht zu Hause leben kann. In einer Situation, in der kein Angebot wirklich passen kann.
Auf individueller Ebene wird eindrucksvoll die verzweifelte Suche eines neunjährigen Mädchens nach Liebe, Bindung und Halt in aufrüttelnde Bilder übersetzt. Das lässt niemanden kalt.

Dieses Mädchen sprengt alle Systeme, weil die zuständigen Systeme (Jugendhilfe und Psychiatrie) nur Pseudo-Lösungen anbieten; zumindest für dieses Mädchen.
Bei ihr kommen mehrere Faktoren zusammen: Die abgrundtiefe Enttäuschung über eine Mutter, die für sie nicht Mutter sein kann; eine untherapierte Traumatisierung, die immer wieder zu unkontrollierbaren Impulsdurchbrüchen führt und eine unbändige Lebensenergie, die tragischer Weise immer wieder destruktive Ausdrucksformen findet.
Gemeinsam halten diese Bedingungen eine Dynamik aufrecht, die alle beteiligten Institutionen und Personen überfordert. So werden dann in Hilfeplangesprächen immer wieder neue Lösungen gesucht – wo doch alle Beteiligten wissen, dass jedes Scheitern die Möglichkeiten einer Verbesserung erschweren. Hilflose Helfer in einem hilflosen System.
Die einzige Erfahrung von Macht und Kontrolle, die dieses Mädchen in diesem Leben erleben kann, ist das kompromisslose Aufbegehren: Wenn ihr schon die Erfahrung zeigt, dass niemand sie wirklich auf Dauer aushalten kann, dann sich wenigstens als die fühlen, die Auslöser und Zeitpunkt bestimmt!

Der Film versucht zu zeigen, was so ein Kind wirklich sucht und braucht; welche Not und welche ungestillten Bedürfnisse und Sehnsüchte hinter dem hemmungslosen Ausagieren von Wut und Enttäuschung stecken.
Dabei geht es einmal um die endlosen Versuche, doch noch zur mütterlichen Liebe zu finden, sie letztlich zu erzwingen. Ohne Erfolg.
Es gibt aber einen Lichtblick: Ein cooler, tougher Schulbegleiter lässt sich von dem Mädchen anrühren und schlägt eine Individualmaßnahme vor, die er sonst nur für die harten Jungs anbietet: ein paar Tage in einer abgeschiedenen Hütte im Wald.
Hier entsteht sie dann doch: die wirkliche Beziehung, das bedingungslose Aushalten in einer Begegnung ohne Ausweichmöglichkeit. Das Mädchen spürt Halt, wird weich, kann sich fallen und tragen lassen.
Letztlich scheitert auch dieser Hoffnungsschimmer an den Grenzen der beteiligten Personen unter den gegebenen Bedingungen.

Genug zur Handlung.
Hat dieser aufrüttelnde Film besondere Stärken oder Schwächen?
Eigentlich steht diese Frage angesichts der dramatischen Inhalte eher im Hintergrund.
Um es kurz zu sagen: Der Film ist ohne Zweifel sehr gut gemacht. Die kindliche Darstellerin spielt absolut faszinierend. Passend, aber glücklicherweise relativ sparsam, werden filmische Effekte eingesetzt, um bestimmte Bewusstseinszustände des Mädchens darzustellen. Ansonsten spricht die Handlung für sich.
Natürlich findet man nicht jede einzelne Szene stimmig: So ist es schon ein wenig klischeehaft, dass nach einem Scheitern einer Maßnahme das Mädchen ihre in Tränen zusammengebrochene Sozialarbeiterin tröstet. Auch die Tatsche, dass das weggelaufene Mädchen ohne weitere Suchmaßnahmen eine Nacht im winterlichen Wald verbringt, ist vielleicht nicht ganz realistisch.
Aber auf solche Details kommt es letztlich nicht an.

Und die Systemfrage? Können Jugendhilfe und Psychiatrie einpacken, wenn das Urbedürfnis nach bedingungsloser Annahme durch die Eltern oder Ersatz-Bezugspersonen nicht erfüllbar ist?
Sicher nicht. Aber der Film zeigt, dass in bestimmten Konstellationen wirklich alle therapeutischen und pädagogischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, wenn es eine Chance auf eine gute Entwicklung geben soll. Wird ein Baustein – hier die Traumatherapie – weggelassen, kracht die Hilfskonstruktion vielleicht immer wieder ein.
Der Grundbotschaft des Filmes kann man sicher nicht widersprechen: Nur ein auf Dauer verlässliches Beziehungsangebot kann so ein Kind ansatzweise “heilen” – und allzu oft scheitert dies an den Systemgrenzen.

Der Film weckt keine Hoffnungen. Das ist vielleicht insgesamt eine realistische Sichtweise.
Trotzdem ist es natürlich ein wenig schade, dass es kein Beispiel für ein Gelingen gibt. Natürlich gibt es auch positive Verläufe, in denen hoch-engagierte Fachkräfte in Therapie, Individualbetreuungen, professionellen Pflegestellen oder Auslandsmaßnahmen eine tolle Arbeit machen.
Aber das wäre dann vielleicht ein anderer Film….


Der Distelfink (nach einem Roman von Donna Tartt)

Es ist ein aktueller Film; er läuft noch in den Kinos (Stand 30.09.19).
Ich rate: Schaut ihn euch an!

Ist es sinnvoll – so könnte man sich fragen -, einen Film zu sehen, dessen Handlung man schon zweimal als Hörbuch genossen hat?

Ja, es ist sinnvoll. Literaturverfilmungen leben davon, sich an einer Vorlage zu orientieren. Für viele Menschen entsteht die Motivation zum Kinobesuch genau aufgrund der vorherigen Leseerfahrung. Man weiß, was kommt und wie es ausgeht. Aber man ist gespannt auf die filmische Umsetzung und darauf, wie eigene Fantasien mit den realen Kinobildern korrespondieren.
Aber natürlich haben auch diese Filme den Anspruch, für sich selbst zu stehen und einen Genuss auch für diejenigen zu schaffen, die unvorbereitet kommen.

Ich fand das Buch “Distelfink” grandios und habe das an anderer Stelle auch begründet. Auf den Film war ich entsprechend gespannt, habe aber versucht meine Erwartung in Grenzen zu halten. Man will ja allzu großen Enttäuschungen vorbeugen. Nach wenigen Minuten war klar, dass es nicht darum gehen würde, Frustration zu managen, sondern Begeisterung und Ergriffenheit.

An diesen Film stimmt (fast) alles. Die Atmosphäre, die Figuren, die emotionale Dichte, die Botschaft.
Und obwohl das Buch so unglaublich treffend wiedergegeben wird, hat man das Gefühl, dass das Medium Film voll zur Geltung kommt. Statt “nur” einen abgefilmter Roman zu betrachten, darf man eine eigene Kunstform genießen. Das gelingt insbesondere dadurch, dass der Aufbau der Geschichte in stark veränderter Form dargeboten wird: Aus der weitgehenden Chronologie der literarischen Vorlage wird ein durch Zeitsprünge kunstvoll aufgebautes Puzzle. So wird aus dem vermeintlichen Nachteil des Mediums (der Verkürzung und Komprimierung) ein geniales Stilmittel, mit dem man schrittweise in die inhaltlichen Zusammenhänge eingeführt wird.

Distelfink ist ein leiser Film. Es geht darum, die emotionale Dynamik der Figuren sichtbar und verstehbar zu machen.
Da ich die Versuchung des Mediums kenne, visuelle Effekte zu nutzen und zu zelebrieren, habe ich mit einiger Sorge den Handlungssequenzen entgegen gesehen, die sich dafür angeboten hätten.
Volle Punktzahl! Alles, was hätte Action-Kino werden können, wurde auf das zum Verständnis notwendige Minimalmaß reduziert. Sehr beeindruckend!

Ich bin kein Fachmann für Schauspieler oder Regie-Details. Mein Maßstab ist die Gesamt-Wirkung.
Ich kann nur sagen: Wer das Buch liebt (oder lieben würde), der/die wird auch diesen Film mögen. Sie sind aus gleichem Holz geschnitzt.

Leider kann ich nicht beurteilen, was dieser Film auslöst, wenn man nicht schon vorher so tief in die Distelfink-Welt eingetaucht war.
Ich würde es aber gerne von euch erfahren (z.B. durch einen Kommentar an dieser Stelle).