“Das Institut” von Stephen KING

Nein – ich war nicht im zweiten Teil der Neuverfilmung von “ES”. Der erste Teil hat mir gereicht….

Aber ich habe KINGs neuen Roman gehört. Habe mal wieder etliche Stunden für einen Schriftsteller aufgewandt, dem ich hoch-ambivalent gegenüberstehe und von dem ich doch nicht lassen kann.

Es geht um eine recht abstruse Geschichte rund um ein geheimes Projekt, in dem Kinder mit besonderen (paranormalen) Fähigkeiten gegen ihren Willen dazu benutzt werden, bestimmte Effekte in der realen Welt zu bewirken. Der Roman beschreibt den Aufenthalt des 12-jährigen Protagonisten in diesem besonderen Institut, das von einer Truppe mehr oder weniger sadistisch veranlagten Aufseher, Betreuer und Ärzten betrieben wird.
Mehr Handlung soll nicht verraten werden.

KING schreibt schon seit Jahrzehnten wie ein Besessener. Er wird wohl zu Lebzeiten damit nicht aufhören. Er kann erzählen, kann Figuren entstehen lassen und Spannung erzeugen – damit hat er inzwischen viele Millionen verdient.
Auch diese Geschichte ist spannend – wenn man sich einmal eingelassen hat. Irgendwann beschließt man einfach, dass Hintergrund und Inhalt der Story eigentlich unwichtig sind. Man wird in die Geschichte gesogen und will wissen, wie sie ausgeht.
Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Der Gewalt- bzw. Horrorfaktor ist diesmal wirklich sehr dezent ausgefallen. Das habe ich sehr begrüßt. Allerdings nimmt die Erzählung einen recht gradlinigen und irgendwie vorhersehbaren Verlauf. Das könnte für KING-Fans etwas enttäuschend sein.

So ein Buch hinterlässt bei mir keinen Nachhall. Fertig ist fertig. Es geht um Unterhaltung und ein wenig Nervenkitzel. So ein Buch hat nichts mit dem eigenen Leben zu tun. Das finde ich schade – wo es doch so unendlich viele Alternativen gäbe, aus denen Erkenntnisse, Anregungen oder tiefes emotionales Berührtwerden gewonnen werden könnten.

Vielleicht war es doch der letzte KING – bis zum nächsten ….


Was auf uns zukommt…

Ich fand diese Werbung bemerkenswert.
Sie markiert für mich so etwas wie einen beginnenden Kulturkampf.

Natürlich haben wir uns im vergangenen Jahr bereits daran gewöhnt, dass es eine neue Trennlinie in unserer Gesellschaft gibt. Nach “links” vs. “rechts”, “arm” vs. “reich” und “Willkommenskultur vs. Abschottung” geht es spätestens seit Greta um “Klimaschutz” vs. “Klimaleugner”.
Nachdem das Thema monatelang die Talk-Shows, die Medien allgemein und die Esstische vieler Familie belagert hat, ist es jetzt im Zentrum unserer Gesellschaft angekommen: in der Werbung!

Es ist kaum zu glauben: Das demonstrative Festhalten an dem von Wissenschaftlern und Klimaaktivisten in Frage gestellten Lebensstil (SUV, Fliegen und Fleisch) wird gerade zu einem Markenzeichen für die “anderen” – für diejenigen, die sich nichts verbieten und nichts madig machen lassen wollen.
Nicht mit schlechtem Gewissen – nein mit stolz erhobenem Haupt bekennt man sich zu einer neuen Identität. Und diese Zielgruppe ist offenbar werbetechnisch relevant.

“Lass die Moralisten und Miesmacher über den Weltuntergang schwadronieren”, so hört man heraus, “wir wissen zu leben und wollen das auch nicht verstecken.”

Es wird einiges auf uns zukommen, in den nächsten Jahren. Auf jeden Fall eine Polarisierung. Sogar in der Werbung…

Systemsprenger

Ein ganz anderer Film. Eher eine Fortbildung als ein normaler Spielfilm.

Strukturell betrachtet geht es um das schwierige und oft leidvolle Dreieck von Familie, Jugendhilfe und Psychiatrie. Es geht um die mehr oder weniger hilflosen Versuche, die “passsende” Maßnahme für ein Kind zu finden, das nicht zu Hause leben kann. In einer Situation, in der kein Angebot wirklich passen kann.
Auf individueller Ebene wird eindrucksvoll die verzweifelte Suche eines neunjährigen Mädchens nach Liebe, Bindung und Halt in aufrüttelnde Bilder übersetzt. Das lässt niemanden kalt.

Dieses Mädchen sprengt alle Systeme, weil die zuständigen Systeme (Jugendhilfe und Psychiatrie) nur Pseudo-Lösungen anbieten; zumindest für dieses Mädchen.
Bei ihr kommen mehrere Faktoren zusammen: Die abgrundtiefe Enttäuschung über eine Mutter, die für sie nicht Mutter sein kann; eine untherapierte Traumatisierung, die immer wieder zu unkontrollierbaren Impulsdurchbrüchen führt und eine unbändige Lebensenergie, die tragischer Weise immer wieder destruktive Ausdrucksformen findet.
Gemeinsam halten diese Bedingungen eine Dynamik aufrecht, die alle beteiligten Institutionen und Personen überfordert. So werden dann in Hilfeplangesprächen immer wieder neue Lösungen gesucht – wo doch alle Beteiligten wissen, dass jedes Scheitern die Möglichkeiten einer Verbesserung erschweren. Hilflose Helfer in einem hilflosen System.
Die einzige Erfahrung von Macht und Kontrolle, die dieses Mädchen in diesem Leben erleben kann, ist das kompromisslose Aufbegehren: Wenn ihr schon die Erfahrung zeigt, dass niemand sie wirklich auf Dauer aushalten kann, dann sich wenigstens als die fühlen, die Auslöser und Zeitpunkt bestimmt!

Der Film versucht zu zeigen, was so ein Kind wirklich sucht und braucht; welche Not und welche ungestillten Bedürfnisse und Sehnsüchte hinter dem hemmungslosen Ausagieren von Wut und Enttäuschung stecken.
Dabei geht es einmal um die endlosen Versuche, doch noch zur mütterlichen Liebe zu finden, sie letztlich zu erzwingen. Ohne Erfolg.
Es gibt aber einen Lichtblick: Ein cooler, tougher Schulbegleiter lässt sich von dem Mädchen anrühren und schlägt eine Individualmaßnahme vor, die er sonst nur für die harten Jungs anbietet: ein paar Tage in einer abgeschiedenen Hütte im Wald.
Hier entsteht sie dann doch: die wirkliche Beziehung, das bedingungslose Aushalten in einer Begegnung ohne Ausweichmöglichkeit. Das Mädchen spürt Halt, wird weich, kann sich fallen und tragen lassen.
Letztlich scheitert auch dieser Hoffnungsschimmer an den Grenzen der beteiligten Personen unter den gegebenen Bedingungen.

Genug zur Handlung.
Hat dieser aufrüttelnde Film besondere Stärken oder Schwächen?
Eigentlich steht diese Frage angesichts der dramatischen Inhalte eher im Hintergrund.
Um es kurz zu sagen: Der Film ist ohne Zweifel sehr gut gemacht. Die kindliche Darstellerin spielt absolut faszinierend. Passend, aber glücklicherweise relativ sparsam, werden filmische Effekte eingesetzt, um bestimmte Bewusstseinszustände des Mädchens darzustellen. Ansonsten spricht die Handlung für sich.
Natürlich findet man nicht jede einzelne Szene stimmig: So ist es schon ein wenig klischeehaft, dass nach einem Scheitern einer Maßnahme das Mädchen ihre in Tränen zusammengebrochene Sozialarbeiterin tröstet. Auch die Tatsche, dass das weggelaufene Mädchen ohne weitere Suchmaßnahmen eine Nacht im winterlichen Wald verbringt, ist vielleicht nicht ganz realistisch.
Aber auf solche Details kommt es letztlich nicht an.

Und die Systemfrage? Können Jugendhilfe und Psychiatrie einpacken, wenn das Urbedürfnis nach bedingungsloser Annahme durch die Eltern oder Ersatz-Bezugspersonen nicht erfüllbar ist?
Sicher nicht. Aber der Film zeigt, dass in bestimmten Konstellationen wirklich alle therapeutischen und pädagogischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, wenn es eine Chance auf eine gute Entwicklung geben soll. Wird ein Baustein – hier die Traumatherapie – weggelassen, kracht die Hilfskonstruktion vielleicht immer wieder ein.
Der Grundbotschaft des Filmes kann man sicher nicht widersprechen: Nur ein auf Dauer verlässliches Beziehungsangebot kann so ein Kind ansatzweise “heilen” – und allzu oft scheitert dies an den Systemgrenzen.

Der Film weckt keine Hoffnungen. Das ist vielleicht insgesamt eine realistische Sichtweise.
Trotzdem ist es natürlich ein wenig schade, dass es kein Beispiel für ein Gelingen gibt. Natürlich gibt es auch positive Verläufe, in denen hoch-engagierte Fachkräfte in Therapie, Individualbetreuungen, professionellen Pflegestellen oder Auslandsmaßnahmen eine tolle Arbeit machen.
Aber das wäre dann vielleicht ein anderer Film….


Danke, AfD!

Die AFD hat sich gerade vorgenommen, ihre zukünftige Politik auf die Unsinnigkeit des Klimaschutzes zu konzentrieren, also auf den Kampf gegen den Versuch, die (sich bereits entwickelnde) Klimakatastrophe noch irgendwie zu begrenzen.

Das ein wertvoller Beitrag zur politischen Kultur.

Wer sich noch unklar darüber war, in welchem Ausmaß diese politische Strömung eine sinnvolle Erweiterung des bürgerlichen Parteien-Spektrums sein könnte, hat jetzt eine klare Orientierung.

Es ist die Partei des Irrationalismus und des grenzenlosen Egoismus.

Auf der rationalen Ebene ist das Leugnen des menschengemachten Klimawandels inzwischen eine völlig haltlose Extrem-Haltung, die geradezu im Wochentakt durch immer besser abgesicherte Erkenntnisse ad absurdum geführt wird.
Dagegen immun zu sein, setzt schon fast eine Neigung zu Verschwörungstheorien voraus; zumindest aber ein klares Bekenntnis gegen Wissenschaft und beobachtbare Fakten als Erkenntnisquellen.
Damit dürfte es halbwegs vernunftbegabten Menschen tatsächlich deutlich schwerer fallen, sich zu dieser Partei zu bekennen. Gleichzeitig könnte es einen Hinweis darauf geben, dass vielleicht auch andere Überzeugungen dieser Partei  nicht eine wackelige Grundlage haben, sondern vielleicht auch besorgniserregende Folgen in sich tragen könnten..

In Bezug auf den Egoismus bietet diese Programmatik keine neue, aber eine bestätigende Botschaft.
Während sich anfangs in der Euro-Bekämpfung die Haltung ausdrückte, dass man den deutschen Reichtum nicht mit anderen europäischen Ländern teilen wollte, wurde beim Migrations-Thema diese Haltung noch einmal verschärft: Wie können unsere Politiker nur unseren deutschen Wohlstand zugunsten von Asylanten oder Flüchtlingen nutzen?!
Die die Haltung zur Klimafrage verlagert jetzt diesen Egoismus auf die Generation-Ebene: Was haben wir heute mit den Katastrophen in 30 oder 50 Jahren zu tun?!
Auch mit dieser Haltung wird man all die Menschen abschrecken, die inzwischen ernsthaft mit dem Zustand der Welt beschäftigt sind, den wir unseren Kindern und Enkel überlassen.

Das alles wird nicht dazu führen, dass es keine AfD-Wähler mehr geben wird. Es wird aber dazu führen, dass sich die Dinge noch klarer konturieren. In der AfD werden sich immer eindeutiger die Menschen sammeln, die man tatsächlich mit logischen oder moralischen Argumenten kaum noch erreichen kann.

Diese Menschen gab und gibt es immer, leider. Aber vielleicht muss man dann nicht mehr der Idee unterliegen, fast die gesamte Politik der anderen Parteien immer wieder auf diese Zielgruppe auszurichten.
Vielleicht kann man dann endlich etwas mutiger voranschreiten mit dem großen “Rest” der Bevölkerung, der bereit wäre, auch ambitionierte  Schritte in Richtung Nachhaltigkeit und Solidarität mitzugehen.
Vielleicht kann man dann endlich ein mutiges und positiv konnotiertes Leitbild entwickeln, für das sich eine gemeinsame Anstrengung lohnt. Von mir aus auch begründet mit wirtschaftlicher Vernunft (obwohl es nicht mein Hauptargument wäre).

Der Distelfink (nach einem Roman von Donna Tartt)

Es ist ein aktueller Film; er läuft noch in den Kinos (Stand 30.09.19).
Ich rate: Schaut ihn euch an!

Ist es sinnvoll – so könnte man sich fragen -, einen Film zu sehen, dessen Handlung man schon zweimal als Hörbuch genossen hat?

Ja, es ist sinnvoll. Literaturverfilmungen leben davon, sich an einer Vorlage zu orientieren. Für viele Menschen entsteht die Motivation zum Kinobesuch genau aufgrund der vorherigen Leseerfahrung. Man weiß, was kommt und wie es ausgeht. Aber man ist gespannt auf die filmische Umsetzung und darauf, wie eigene Fantasien mit den realen Kinobildern korrespondieren.
Aber natürlich haben auch diese Filme den Anspruch, für sich selbst zu stehen und einen Genuss auch für diejenigen zu schaffen, die unvorbereitet kommen.

Ich fand das Buch “Distelfink” grandios und habe das an anderer Stelle auch begründet. Auf den Film war ich entsprechend gespannt, habe aber versucht meine Erwartung in Grenzen zu halten. Man will ja allzu großen Enttäuschungen vorbeugen. Nach wenigen Minuten war klar, dass es nicht darum gehen würde, Frustration zu managen, sondern Begeisterung und Ergriffenheit.

An diesen Film stimmt (fast) alles. Die Atmosphäre, die Figuren, die emotionale Dichte, die Botschaft.
Und obwohl das Buch so unglaublich treffend wiedergegeben wird, hat man das Gefühl, dass das Medium Film voll zur Geltung kommt. Statt “nur” einen abgefilmter Roman zu betrachten, darf man eine eigene Kunstform genießen. Das gelingt insbesondere dadurch, dass der Aufbau der Geschichte in stark veränderter Form dargeboten wird: Aus der weitgehenden Chronologie der literarischen Vorlage wird ein durch Zeitsprünge kunstvoll aufgebautes Puzzle. So wird aus dem vermeintlichen Nachteil des Mediums (der Verkürzung und Komprimierung) ein geniales Stilmittel, mit dem man schrittweise in die inhaltlichen Zusammenhänge eingeführt wird.

Distelfink ist ein leiser Film. Es geht darum, die emotionale Dynamik der Figuren sichtbar und verstehbar zu machen.
Da ich die Versuchung des Mediums kenne, visuelle Effekte zu nutzen und zu zelebrieren, habe ich mit einiger Sorge den Handlungssequenzen entgegen gesehen, die sich dafür angeboten hätten.
Volle Punktzahl! Alles, was hätte Action-Kino werden können, wurde auf das zum Verständnis notwendige Minimalmaß reduziert. Sehr beeindruckend!

Ich bin kein Fachmann für Schauspieler oder Regie-Details. Mein Maßstab ist die Gesamt-Wirkung.
Ich kann nur sagen: Wer das Buch liebt (oder lieben würde), der/die wird auch diesen Film mögen. Sie sind aus gleichem Holz geschnitzt.

Leider kann ich nicht beurteilen, was dieser Film auslöst, wenn man nicht schon vorher so tief in die Distelfink-Welt eingetaucht war.
Ich würde es aber gerne von euch erfahren (z.B. durch einen Kommentar an dieser Stelle).
 

Warum es die SPD nicht schafft

Das Problem der SPD ist, dass sie schon so etwas wie ihre eigene Koalition ist. Sie versucht – nach dem alten Schema der Volkspartei – verschiedene Themen und Strömungen in sich zu vereinen. Sie will den Kompromiss schaffen zwischen Ökonomie, Ökologie, sozialer Gerechtigkeit, nationalen Interessen und internationaler Solidarität, usw. Das berühmte “sowohl-als-auch”.

Das ist vom Prinzip her gar nicht dumm und hat eine Weile funktioniert.

Aber: Die Gesellschaft hat sich polarisiert! Die Klimabewussten wollen grüne Politik, die Umverteiler wollen die Linken, die Wirtschaftsnahen wählen FDP oder CDU. Und die Frustrierten, Unzufriedenen, Nationalisten, Nörgler und Dummen sind schon bei der AfD gelandet.
Die Leute wollen ihre Überzeugung “pur” wählen.
Der Ausgleich der Interessen wird dann auf die Regierungsbildung, also auf Koalitionsverhandlungen verlagert.
Eine Partei, die den Ausgleich und den Kompromiss vorwegnimmt, ist wegen der eingebauten Konturlosigkeit nicht mehr attraktiv.

Das gilt vor allem, wenn diese Partei, die ja schon alles miteinander abgewogen und verbunden hat, dann selbst noch in eine Koalition eintreten muss – womöglich dann als Juniorpartner.
Das kann dann eigentlich nur noch schief gehen! Den eingebauten Kompromiss von allem mit allem dann noch in einer Koalition abgeschliffen zu bekommen – daraus ist nur noch schwer ein großes Versprechen an die Wähler zu machen.

Das ist irgendwie ungerecht. Aber schwer zu ändern!

Schade, Jens Spahn!

Ich bin ja nun im Allgemeinen kein CDU-Anhänger. Aber ich mag Politiker, die “heiße Eisen” anpacken. So wie es Jens Spahn mit seinen Vorschlägen zum Organ-Spenden getan hat.
Dafür habe ich ihm schon Respekt gezollt.

Auch die Finanzierung der Homöopathie hat der Minister öffentlich in Frage gestellt, ob wohl das alles andere als populär ist.
Jetzt ist er eingeknickt. Es lohne sich – wegen der vergleichsweise “geringen” Millionensumme – nicht, einen Grundsatzstreit vom Zaum zu brechen.

Schade. In einer Zeit des Durchlavierens hätte man gerne mal jemanden erlebt, dem die Sache um des Prinzips willen so wichtig wäre, dass er Konflikte mit Lobby-Gruppen eingeht und einen Teil der Wählerschaft verärgert.
So gewönne man Glaubwürdigkeit!

Also dürfen die Kasse weiter Mittelchen finanzieren, für die es – trotz aller Bemühungen – keinen Wirksamkeitsnachweis gibt (über den Placebo-Effekt hinaus).
Die einschlägigen Firmen dürfen ihren unwissenschaftlichen Humbug weiter ganz offiziell im Rahmen des Gesundheitssystems vertreiben – schließlich zahlen es ja auch die Krankenkassen (zumindest viele).

Klimaschutz-Paket

Es gab in den letzten Tagen eine Menge sehr treffender Analysen und Kommentare zum Gesetzes-Paket der GroKo auf den von mir bevorzugten Plattformen (ZEIT-online und SPIEGEL-online). So entstand bei mir zunächst der Eindruck, als ob sich eine eigene Stellungnahme erübrigen könnte.
Alles war so eindeutig.
Dann wurde mir klar, dass ich über den vielleicht naheliegensten Aspekt dort noch nichts gelesen hatte. Vielleicht ist die größte Absurdität tatsächlich niemandem aufgefallen.
Also habe ich jetzt doch einen Grund, ein paar Zeilen zu schreiben.

Beginnen wir mit der weichgespülten und auf Selbstkritik getrimmten Öffentlichkeitsarbeit.
Die beteiligten Politiker übertrafen sich in ihren Erklärungen mit der Wertschätzung gegenüber den Klima-Aktivisten von Fridays for Future (FfF). Diese hätten durch ihr nachdrückliches Engagement den entscheidenden Anstoß dazu gegeben, dass jetzt ein solch umfangreicher – geradezu historisch zu nennender – Maßnahmenkatalog auf den Weg gebracht werden konnte.
Was ist nochmal genau das – sehr wahrscheinlich so nicht zu erreichende – Ziel der Gesetzesentwürfe?
Ach ja – es ging um ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen zur Begrenzung der Erderwärmung durch Reduktion der CO2-Emissionen (Paris, 2015).

Heißt das etwa – man vermag es sich kaum vorzustellen – dass ohne die Massenproteste davon auszugehen gewesen wäre, dass man auch die Klimaziele für 2030 einfach ignoriert hätte? Kalt lächelnd?
Mussten Zigtausende tatsächlich auf die Straße gehen, um so etwas Revolutionäres zu erreichen, dass man sich jetzt zumindest überhaupt mal der eigentlich unverhandelbaren Herausforderung stellt?
Bedeutet das ernsthaft, dass es ohne FfF gar keine ernsthafte Absicht gegeben hätte, den selbst gesetzten Zielen gerecht zu werden?
Trauen sich unsere Politiker wirklich, uns das selbst vor laufenden Fersehkameras zu sagen und sich damit auch noch auf die Schultern zu klopfen – weil sie doch so einsichtig und lernfähig waren?

Ich weiß wirklich nicht, ob ich so etwas Selbstentlarvendes schon mal gehört habe.
Man lobt eine Protestbewegung dafür, dass sie so viel Druck aufgebaut hat, dass man irgendwann beginnen musste, sich selbst ernst zu nehmen.
Wozu genau braucht man dann eigentlich noch eine Regierung?
(Ich weiß, das ist polemisch).

Über die mutlose Halbherzigkeit der Vorschläge selbst ist schon alles gesagt/geschrieben worden…

Ich habe in meinen politischen Haltungen bisher immer Kompromiss und Augenmaß verteidigt, wollte auch dieser GroKo noch eine ernsthafte Chance geben.
Im Moment habe ich das Gefühl, dass diese Art Politik nicht nur den engagierten Teil der jungen Leute verliert…

“Der Gesang der Flusskrebse” von Delia OWENS

Ich stelle einen aktuellen amerikanischen Südstaaten-Roman vor.
Er erzählt die Geschichte einer sehr besonderen jungen Frau, die schon als recht junges Kind nach und nach von ihren Familienmitgliedern verlassen wurde und in weitgehender Isolation und eingebettet in unberührte Natur in einem Marschland an der Küste von South Carolina aufgewachsen ist.

Es geht zunächst um die Entwicklung dieses Mädchens zur jungen Frau unter Bedingungen, die man sich als verwöhnter Mitteleuropäer nicht ansatzweise vorzustellen vermag. Ihr Überleben beruht letztlich auf ein tiefes Eingebundensein in die umgebende Natur, deren ausführliche und emotionale Beschreibung einen Schwerpunkt der Darstellung bildet.

Zu den ganz wenigen Menschen, die in ihrem Leben eine Rolle spielen, gehören irgendwann zwei männliche Wesen, die im weiteren Verlauf viel mit ihrem Glück bzw. Unglück zu tun haben. Hier wird wird der Entwicklungs- bzw. Naturroman zum Liebesroman.

Wegen einem dieser Männer landet sie als Erwachsene schließlich vor Gericht, was dazu führt, dass diese Story sich – ziemlich überraschend – letztlich noch in Richtung eines Kriminal- bzw. Gerichtsromans entwickelt.

Soweit – in aller Kürze – die Fakten.
Ist es ein lesenswertes Buch?

Aus meiner Sicht eindeutig “ja”!
Die Autorin schafft es wirklich gut, ihre Leser in eine extrem fremde Welt eintauchen zu lassen. Wobei sich diese Fremdheit auf ganz verschiedene Ebenen bezieht: auf die sehr besondere Landschaft, auf die intensive Einbettung in die Natur und auf die geradezu unfassbaren Sozialisationsbedingungen eines jungen Menschen und deren psychischen Folgen.
Die bildreiche und emotionale Sprache spielt bei diesem “Einfangen” des Lesers sicher eine große Rolle. Wer sich davon – und den z.T. auch ausschweifenden Naturschilderungen – nicht abschrecken lässt, bekommt als Gegenwert einen echten Ausstieg aus dem bundesdeutschen Norm-Alltag.
Es ist eine echte Perspektiverweiterung.

Gibt es auch was zu meckern?
Ich war ein wenig überrascht (und vielleicht auch minimal enttäuscht), dass sich der Charakter des Buches in der zweiten Hälfte spürbar veränderte: Ging es zunächst scheinbar um eine ruhige und intensive Milieustudie über ein berührendes Einzelschicksal, mutierte der Roman dann doch eine wenig in “gewöhnlichere” Formen – bis hin zu einem eher krimitypischen Knaller am Ende.

Trotzdem: für mich ein besonderes Lese- bzw. Hörerlebnis!