“Die Evolution der Gewalt” von Harald MELLER et al.

Bewertung: 4 von 5.

Dies ist eines der Bücher für Menschen, die alles ganz genau wissen wollen.
Den drei Autoren (Historiker, Archäologe, Verhaltensforscher) würde es leicht fallen, ihre Kern-Erkenntnisse und Basis-Aussagen in einem Thesenpapier oder in einem kurzen Artikel nachvollziehbar darzustellen. Tatsächlich tun sie genau das an mehreren Stellen Ihres Textes und letztlich auch in ihrem Manifest-artigen Schlusskapitel.
Warum schreiben sie stattdessen ein 360-Seiten-Buch?
Weil sie ganz offenbar ein leidenschaftliches Interesse daran haben, jede ihre Aussagen und Schlussfolgerungen mit möglichst vielen und detaillierten Indizien und Fakten zu untermauern. Es geht Ihnen darum, nicht nur Ergebnisse zur kriegerischen Natur des Menschen darzubieten (wenn das auch vermutlich das Hauptziel war), sondern sie haben sich der Mission verschrieben, auch den mühsamen Weg der wissenschaftlichen Erkundung in allen Facetten zu beschreiben.
Und weil sie alles so akribisch und faktenverliebt ausführen und dabei auch immer wieder in die größeren Zusammenhänge einordnen, setzen sich die einzelnen Bausteine Ihrer Argumentationskette dann letztlich – wie im Untertitel erwähnt – zu einer (themenspezifischen) Menschheitsgeschichte zusammen.

Auf zwei Haupt-Pfaden verfolgen die Autoren die Spuren von Gewalt und Krieg:
– Als evolutionäre Anthropologen erkunden sie die biologischen Wurzeln unserer Spezies, auch auf dem Hintergrund unserer Verwandtschaft zu anderen Primaten.
– Aus zahlreichen archäologischen (später auch kulturellen) Zeugnissen entwickeln sie eine (in sich kohärente) Theorie der Gewalt- und Kriegsbereitschaft des Menschen.

Wie schon angedeutet: Es werden keine fertigen Hochglanzbilder präsentiert. Stattdessen schaut man zahlreichen weltweit tätigen Spezialisten förmlich dabei zu, wie sie aus winzigen Bruchstücken (z.B. Skelettfunden, Grabbeigaben und ersten Zeichnungen) ein zunehmend feiner strukturiertes Mosaik über die Rolle spontaner oder organisierter Gewaltausübung in der Menschheitsgeschichte zusammenfügen. Im wahrsten Sinne eine “Knochenarbeit”!

Die eigentliche Arbeit der Autoren lag darin, die kaum zu übersehende Zahl von Einzel(be)funden zu einer stimmigen Gesamt-Theorie zu bündeln.
In aller Kürze könnte sie lauten:
Über den weitaus größten Teil seiner Evolutionsgeschichte war der Mensch zwar kein gewaltfreies Wesen, aber er lebte ganz offensichtlich in recht egalitären und kooperativen Gemeinschaften, weitestgehend ohne organisierte Gruppengewalt. In dieser Hinsicht unterschied er sich offenbar eindeutig von seinen Vettern, den Schimpansen.
Zu einer wahrhaft kriegerischen Spezies entwickelte sich der Mensch durch die Veränderung sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Strukturen im Rahmen von allmählicher Sesshaftigkeit, Arbeitsteilung, Eigentumsbildung, Machtkonzentration und patriarchalen Gesellschaftsregeln
. Das alles spielte sich in den letzten 10 000 Jahren ab – also einem winzigen Bruchteil unserer Entwicklungsgeschichte.
Die Autoren weigern sich hartnäckig, aus dieser “Momentaufnahme” auf die grundlegende – und damit unveränderliche- kriegerische Natur des Menschen zu schließen – zudem der teilweise atemberaubenden Grausamkeits-Verherrlichung auch gegenläufige kulturelle Strömungen entgegenstehen.

Es soll nicht verschwiegen werden, dass der Text – obwohl gut lesbar und didaktisch gekonnt geschrieben – gelegentlich auch Herausforderungen beinhaltet. Nicht jeder Leser wird sich wiederholt für die exakten Ausprägung von Spuren interessieren, die vermeintliche Waffen in Knochenfragmenten hinterlassen haben. Nicht jede Leserin wird Gefallen daran finden, gezeichnete oder schriftlich überlieferte Grausamkeits-Rituale exakt geschildert zu bekommen. Manchmal hat Detailverliebtheit auch einen Preis…

Dass die Autoren sich nicht nur ihre wissenschaftlichen Fähigkeiten und Sichtweisen präsentieren wollen, zeigt sich in ihren abschließenden “Zwölf Lektionen”: Dort fassen sie nicht nur ihre Befunde zusammen, sondern leiten daraus auch den Appell ab, sich den erkannten Einflüssen und Dynamiken in Richtung “Normalisierung des Krieges” engagiert zu widersetzen. Aus ihrer Sicht stehen die Chancen für diesen Weg gar nicht schlecht – weil wir eben nicht gegen eine unveränderliche kriegerische Natur ankämpfen müssen.
So kann dieses Buch nicht nur Wissen erweitern, sondern im besten Fall auch zum Einsatz für eine friedlichere Welt ermutigen.

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“Neurowissenschaften in der Kritik” von Eileen WENGEMUTH

(Vorbemerkung: Ich vergebe in dieser Rezension keine Sterne-Bewertung. Das wäre in sofern unfair, als dass ich hier eine wissenschaftliche Publikation (Dissertation) mit den (unpassenden) Maßstäben eines populärwissenschaftlichen Sachbuchlesers betrachte.
Meine Ausführungen zu dieses Buch sind daher in keiner Weise als Kommentierung der wissenschaftlichen Qualität zu verstehen.)

In dem spannenden Forschungsfeld zwischen Philosophie, Psychologie und Biologie gibt es kaum eine vergleichbar faszinierende Disziplin wie die Neurowissenschaft. In den letzten 20 – 30 Jahren hat sie auch in der Öffentlichkeit ein großes Interesse auf sich gezogen; dabei sind gelegentlich auch Kontroversen um die Deutungshoheit in grundsätzlichen Fragestellungen bekannt geworden.

Die Psychologin WENGEMUTH hat sich die Aufgabe gestellt, die Kritik an den so populären Neurowissenschaften in systematisch-wissenschaftlicher Form zu untersuchen. Dafür nimmt sie zunächst eine Literaturanalyse vor, die sie nach den von HOLZKAMP (1983) im Rahmen seiner “Kritischen Psychologie” konzipierten Kategorien gliedert.
Sie führt dann Experteninterviews mit 13 Neurowissenschaftlern (davon vier Frauen) aus Deutschland (10) und England (3) durch, die sie entsprechend ihrer Fragestellung und der gewählten Methodik auswertet. In diesen Befragungen will die Autorin erkunden, welchen Stellenwert die gesammelten Kritikpunkte im Forschungs- bzw. Arbeitsalltag der Wissenschaftler haben.

Die Bereiche der Kritik wurden wie folgt unterschieden:
– philosophische Aspekte (unklare Beziehung bzw. Kausalitäten zwischen mentalen und neurologischen Prozessen, widersprüchliche Dualismus-Konzepte, ungeklärte Rolle der Willensfreiheit)
– gesellschaftstheoretische Fragen (implizite Verstärkung von Machtverhältnissen und Ungleichheit; einseitig naturalistische Konzepte, Ökonomisierung des Wissenschaftsbetriebs)
– Ebene der Konzepte und Begriffe (sprachliche und inhaltliche Unklarheit; mangelnde Güte der Operationalisierungen, salopper Umgang mit Metaphern)
– einzeltheoretische Punkte (insbesondere Methodenkritik)
Die einzelnen Themenbereiche werden von der Autorin mit einer bemerkenswerten Tiefe und Differenziertheit untersucht, die in dieser Genauigkeit von keinem “normalen” Sachbuch zu erwarten wäre. In dieser analytischen Aufarbeitung liegt ganz eindeutig die Stärke dieser Arbeit; sie lässt sich gut als Grundlage für zukünftige Diskussionen nutzen.

Es stellt sich insgesamt heraus, dass es keine einheitliche Haltung der Praktiker/innen zu den verschiedenen Kritikbereichen gibt. Je nach eigenem Wissenschaftsverständnis werden den Themen eine unterschiedliche Relevanz für den Arbeitsalltag zugeschrieben.

Wenn auch die Kritikpunkte von der Autorin sehr sorgfältig und mit Bezug zu vielen Einzelquellen herausgearbeitet werden, ruft die Publikation doch eine zentrale Enttäuschung hervor: Es findet keine eigene inhaltlich bewertende Auseinandersetzung mit den Vorwürfen an die Neurowissenschaften statt!
Wer also als Leser/in erwartet, dass die Kritik ihrerseits einer kritischen Bewertung unterzogen wird und sich aus dem Wechselspiel der Argumente eine eigene Meinungsbildung auf einem höheren Erkenntnisniveau ergeben könnte, bleibt ein wenig frustriert zurück.
Die interviewten Experten können dieses Manko nicht ausgleichen, da sie ja nicht vorbereitet in die Konfrontation mit den Kritikpunkten gehen. So wird den sorgsam formulierten und begründeten Thesen letztlich Spontanmeinungen entgegengesetzt – die dann wiederum von WENGEMUTH sortiert und eingeordnet werden.
So hat das Team “Neurowissenschaften” keine angemessene Chance auf Relativierung und Erwiderung und spielt in einer ganz anderen Liga als die “Kritik-Profis”.

Sprachlich bzw. stilistisch bewegt sich WENGMUTH ganz im Bereich der wissenschaftlichen Anforderungen. Daher kann man an diesen Text (natürlich) nicht mit den üblichen Ansprüchen eines gefälligen Sachbuch-Journalismus herangehen. Die vorgegebene strenge Gliederungsstruktur sorgt u.a. dafür, dass es zu einer gewissen Redundanz der inhaltlichen Aussagen kommt.

Die Arbeit von WENGEMUTH hat ihren Wert vorwiegend in der wissenschaftsinternen Analyse: Es wird exemplarisch gezeigt, welche Kritikpunkte an der eigenen Wissenschaft den Praktikern bekannt sind und wie sie dazu stehen. Zusätzlich wird durch weitere Erkundungen deutlich, wie sie die Rahmenbedingungen ihres Arbeitsfeldes wahrnehmen und bewerten.
Was leider nicht geboten wird, ist eine qualitativ ausgeglichene Auseinandersetzung über die so umfassend dargelegte Kritik. Dazu hätte die Autorin letztlich die Positionen derjenigen ins Feld führen müssen, die ihrerseits das ursprünglich Ziel der Kritik waren.
Das entsprach jedoch nicht ihrem Konzept und der Zielsetzung – und kann daher kein Grund für eine negative Bewertung sein.

(Nachbemerkung: Ich werde bei nächsten mal etwas sorgfältiger prüfen, ob eine wissenschaftliche Arbeit meine Erwartungen an ein informatives Sachbuch überhaupt erfüllen kann).

“Psychotherapie ohne Fachgedöns*” von Nike HILBER

Bewertung: 3.5 von 5.

Allgemeinverständlich über Psychotherapie aufzuklären, ist ein sinnvolles und lohnendes Unterfangen. Die sonst auf Instagram (22 Tsd. Follower) aktive Therapeutin hat sich entschlossen, nun auch das klassische Print-Medium für dieses Ziel zu nutzen.

Aufgrund der Affinität zur Social-Media-Szene erwartet man eine niederschwellige Heranführung an das Thema. Genau das wird von HILBER auch geboten: Sie holt die Interessenten und potentiellen Patienten in ihrem Alltagsleben und bei ihren Zweifeln, Ambivalenzen und Ängsten ab.
Perfekt ist in diesem Zusammenhang die lebensnahe Schilderung einer ersten Kontaktaufnahme im Rahmen einer psychotherapeutischen Sprechstunde. Sie nimmt die Perspektive des Patienten ein und zeigt so, dass sie als Therapeutin – stellvertretend für alle Fachkollegen – genau weiß, wie unsicher und ausgeliefert man sich in dieser ungewohnten Rolle fühlen kann.

Diesen Weg, einige typische Störungsbilder und therapeutische Abläufe exemplarisch zu schildern, behält die Autorin bei. Auf dieser Ebene lädt sie ein, sich mit der Patientenrolle zu identifizieren und das gesamte Geschehen zu entmystifizieren und zu normalisieren.
Ihre Botschaft: “Es passiert nichts Schlimmes, wir sind alle nur Menschen…”
Gleichzeitig beinhalten die Fallbeispiele natürlich auch Informationen darüber, was typische Gründe für das Durchführen einer Psychotherapie sein können. Positiv anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass HILBER der Versuchung widersteht, die Eingangsschwelle zu einer “Psychotherapie als Teil der Gesundheitsversorgung” übermäßig zu senken: Es wird insgesamt deutlich, dass es in einer (von der Krankenversicherung getragenen) Psychotherapie nicht um alltagsübliche Befindlichkeitsstörungen oder um eine allgemeine Persönlichkeitsentwicklung gehen kann.

Doch dieses Buch hat auch noch andere Facetten:
Etwas überraschend ist zwischenzeitlich die Breite und Intensität, mit der die Autorin in die theoretischen Grundlagen der psychodynamischen Therapie einsteigt. Die Häufigkeit, mit der Sie einzelne Aussagen auf Literaturquellen bezieht, erinnert schon fast an eine wissenschaftliche Arbeitsweise. Das wirkt natürlich kompetent und seriös, spricht aber vermutlich eine andere Zielgruppe an.
Was wiederum besser in das (niederschwellige) Gesamtkonzept zu passen scheint, sind die Elemente aus Ratgeber- bzw. Selbsthilfeangeboten: Unter der Überschrift “#reflexionfürdich” schlägt HILBER kleine – jeweils zum Thema passende – Übungen vor und gibt ergänzende praxisnahe Informationen.

Auch wenn man der Autorin über weite Strecken zugute halten kann, sowohl gut verständlich, als auch seriös über Störungsbilder und Psychotherapie aufzuklären, muss man doch in einem Bereich deutliche Abstriche machen: Zwar verheimlicht HILBER nicht, dass sie über eine spezielle Therapieschule bzw. Therapiemethode spricht (über “psychodynamische” Therapie). Sie macht aber keinen Versuch, diese Ausrichtung in die Gesamtlandschaft der psychotherapeutischen Angebote vergleichend einzuordnen.
Man erfährt schlichtweg nichts über die Konkurrenzangebote “Kognitive Verhaltenstherapie” oder “Systemische Therapie”) – weder geht es um Gemeinsamkeiten, noch um Unterschiede. Genau dies würde aber ganz sicher die avisierte Zielgruppe im Rahmen einer Entscheidungshilfe interessieren.
So wie das Buch geschrieben ist, entsteht für die uninformierte Leserschaft letztlich doch – zumindest zwischen den Zeilen – der Eindruck, dass man all die beschriebenen Hilfen eben (nur) im Rahmen einer “tiefenpsychologischen” oder “psychoanalytischen” Therapie erhalten könnte: Nur da geht es schließlich um das “Unbewusste”, das “freie Assoziieren” , um “Abwehrmechanismen” und die “Traumdeutung”. Dass andere etablierte Therapierichtungen ohne diese Konzepte auskommen, sollte wenigstens eine Erwähnung wert sein.

Betrachtet man allerdings eher die Zielgruppe der potentiellen Leser, die sich genau über diese Therapierichtung informieren wollen, kann das Gesamturteil sicher noch positiver ausfallen. Allerdings hätte das dann fairerweise auch Eingang in die Titelgebung finden müssen.

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“Hör zu!” von Michel FABER

Bewertung: 4 von 5.

Wenn man über die Anschaffung eines mittleren Wälzers von ca. 550 Seiten zum Thema “Musik” nachdenkt, möchte man vorher eine Ahnung davon haben, auf was man sich einlassen würde.

Die Antwort darauf soll mit einer Aufzählung von Inhalten beginnen, die dieses Buch nicht ausmachen. “Hör zu” ist nämlich keine
– historische Reise durch die Geschichte der Musik
– Einführung in die Musiktheorie
– systemattische Darstellung von Genres oder Stilrichtungen
– Bewertung einzelner Interpreten oder Werke
– Analyse von psychologischen oder neurowissenschaftlichen Prozessen
– soziologische oder ökonomische Betrachtung.
Was bleibt dann, worüber man sich in dieser Breite auslassen kann?

FABER, der zuvor als Romanautor aktiv war, hat ein extrem persönliches Buch über Musik geschrieben. Er macht erst gar nicht den Versuch, aus einem Expertenmodus heraus den Anschein von Allgemeingültigkeit zu erwecken. Er schreibt – eher in einem assoziativen als systematischen Stil – über so ziemlich alles, was ihm als leidenschaftlichen Musikhörer bedeutsam erscheint – und dabei ist Subjektivität sozusagen seine Richtschnur.
Grundlage für seine Ausführungen ist – über seinen privaten Musikkonsum hinaus – seine jahrzehntelange Verbundenheit mit einer Kultur- und Musikszene, die sich wohl ohne Übertreibung als “links-alternativ-progressiv” charakterisieren ließe.
Nicht unerwähnt lässt der Autor auch seine Zugehörigkeit zu einer Spielart der “Neurodiversität” – aber “Normalität” ist für FABER sowieso wohl eher ein abschreckendes Konzept.

Das Buch handelt von den verschiedenen Facetten und Funktionen, die Musik sowohl im persönlichen Leben als auch in der Gesellschaft haben kann: Es geht um Gefühle, um Identität, um Gruppenzugehörigkeit, um Konsum, Geschäft und Marktgesetze, um Abgrenzung, um Selbstfindung, …
Der Versuch einer Gliederung bezieht sich auf Themen wie “frühste musikalische Prägungen”, “die Rolle der Musik in den eigenen Jugenderinnerungen”, “die vermeintliche Überlegenheit der Klassik gegenüber der Pop-Musik”, “die Rolle von Kritikern und Musikzeitschriften”, “die Geschichte und Bedeutung der jeweiligen Speichermedien”, “der (unangemessene) Umgang mit den kulturellen Ursprüngen der Pop-Musik”; “die Männer-Dominanz in der Musikwelt”, “die Bedeutung der Lautstärke”, “die Arroganz der vermeintlichen Experten”, “das Glück des Singens”, usw.

Alle diese Themen werden nicht in der Systematik eines journalistischen Sachbuchs abgearbeitet, sondern in einem rasanten Slalom-Parcours, in dem Hunderte von Interpreten und Songbeispiele zur akustischen Illustration genutzt werden.
Anders als in der Einleitung angekündigt, gibt es natürlich doch klare Präferenzen des Autors – auch wenn er gleichzeitig immer wieder darauf hinweist, dass niemand das Recht habe, anderen einen Musikgeschmack vorzuwerfen.
Es wird z.B. deutlich, dass FABER keinen Zweifel daran hat, dass die kulturellen Beiträge der Beatles, der Beach Boys, eines Bob Dylan oder eines Marvin Gaye hinter dem Vermächtnis der großen Helden der Klassik nicht zurückstehen. Aber natürlich kämpft FABER leidenschaftlich für die verkannten Underdogs der Musikszene, z.B. auch für die Frauen.

Wer sich und sein Leben selbst mit und über Musik definiert, wird früher oder später durch dieses Buch eingefangen – durch Themen, verehrte Interpreten oder Lieblingsstücke.
Man sollte allerdings realistische Erwartungen an diese Hymne an die Musik haben: Ohne persönlichen Bezug zu der Soul-, Beat-, Rock- und Popwelt der letzten 60 Jahre ist dieser große Happen Musikbegeisterung nur schwer zu verdauen. Man muss dem Autor seine manchmal exzentrischen und weitschweifigen Exkurse verzeihen können; man muss Gefallen an seiner ungebändigten Assoziationsdynamik finden.
Dann macht nicht nur Musik etwas mit einem, sondern auch dieses Buch!