Fridays for Future / CO2-Steuer / Klimaziele

Jetzt kann ich nicht mehr ruhig bleiben; jetzt muss ich mich äußern. Einfach, weil es mir dann (hoffentlich) etwas besser geht.

Die GroKo hat gerade die CO2-Steuer abgeschmettert, ohne eine realistische, kurzfristig wirksame Alternative im Bereich Verkehr anbieten zu können.
Der einzige Grund: Es könnte zu Mehrbelastungen kommen, die gerade wirtschaftlich Schwächere und Pendler belasten könnten. Das könnte das Wahlvolk verärgern und möglicherweise in die Arme von Protestparteien (insbesondere der AfD) treiben. Also: lieber nichts tun!

Seitdem die Gelbwesten in Frankreich ihr Unwesen treiben, gibt es eine panische Angst vor den Protestbürgern, die vermeintlich jede politische Richtungsentscheidung ausschließlich unter dem Blickwinkel betrachten, ob damit irgendeine Einschränkung von “verbrieften” Rechten oder ungünstige Konsequenzen für das eigene Portmonee verbunden sein könnten.
Die Folge: Die Politik kann und darf nur noch Entscheidungen fällen, die grundsätzlich niemandem weh tun könnten! Weil alles, was man einmal hatte – sei es auch noch so schädlich, unverantwortlich oder gefährlich – innerhalb kürzester Zeit den Status von unverrückbaren Menschenrechten erhält:
Fleischberge zu Taschengeldpreisen, Rasen ohne Tempolimit, für 19 € quer durch Europa fliegen, Smartphone-Wechsel im Jahrestakt – all das und vieles mehr gehört inzwischen zum Standard – jede Abweichung davon bedroht Zufriedenheit und Lebensqualität.
Und vor allem die Freiheit!

Die Wohlstandsgesellschaften auf diesem Planeten haben inzwischen einen Freiheitsbegriff, der sich hauptsächlich durch die Möglichkeit zum ungehemmten Konsum definiert. Freiheit wird somit nicht bedroht durch die Klimakatastrophe, durch die Vermüllung der Meere, durch die schädigenden Folgen der industriellen Landwirtschaft oder die zunehmende Vereinsamung der Menschen in ihren technisch hochgerüsteten Single-Haushalten. Freiheit wird bedroht, wenn irgendein Konsumgut oder eine liebgewordene Gewohnheit knapper oder teurer wird!
Egal welche Fehlentwicklung man anpacken will: Es darf keine Nachteile haben! Für niemanden!

Damit haben wir inzwischen die verrückte Situation, dass ein Umsteuern über Verbote nicht geht (weil ein Wutgeheul über die bedrohte Freiheit entstehen würde) und eine Regulation über den Preis nicht geht, weil es ja  – logischerweise – auch spürbar sein müsste, um etwas zu bewirken.
Eigentlich könnten die Politiker nach Hause gehen. Es gibt nichts mehr zu tun!

Eine besondere aktuelle Facette ist dabei die Vermischung zwischen allgemeinen Zielen (Energiewende, Klimaschutz) und der Sozialpolitik.
Während auf der einen Seite seit Jahrzehnten hingenommen wird, dass die Schere zwischen Arm und (ganz) Reich immer weiter auseinander geht, fällt den Politikern ausgerechnet beim Umwelt- und Klimaschutz auf einmal auf, dass bei einer Steuerung über den Preis die Auswirkungen in den unteren Sozialschichten stärker spürbar wären.
Ja, das ist dann so! Es muss auch so sein, wenn es was bringen soll! Wir leben ja auch nicht in einer Gesellschaft, in der Mercedes-Limousinen verlost werden. Warum muss dann jeder das Recht haben, auch mit kleinem Einkommen Fernreisen zu unternehmen oder für ein Fußballspiel durch halb Deutschland zu fahren zu können?
Es gibt kein Menschenrecht auf alles für alle! Und wenn man den gesellschaftlichen Reichtum anders verteilen will: nur zu! Aber nicht plötzlich dann, wenn es um Spritpreise oder Massentierhaltung geht!
Klimaschutz ist auch dann alternativlos, wenn er unsozial sein sollte! Das traut sich nur niemand zu sagen!

Und da sind wir dann endlich bei den Kids und ihren Freitags-Protesten. Was für eine Aufregung!
Da verlangen doch tatsächlich diese unreifen und verblendeten jungen Leute, dass man die eigenen Wissenschaftler (die meisten davon sind übrigens Erwachsene) und die eigenen politisch beschlossenen Klimaziele richtig ernst nimm! Also sozusagen wörtlich! Welch revolutionärer Übereifer! Wenn das jeder machen würde!
Kann man nicht ein wenig Einsicht und Kompromissbereitschaft verlangen? Reicht es nicht, dass die Gesellschaft im Prinzip dafür ist? Muss es dann auch noch verbindlich werden??

Ich würde mich als Jugendliche/r verarscht fühlen. Ich würde – gerade im Moment – denken, dass die “Alten” haben immer noch nichts kapiert haben. Die machen einfach weiter, weil sie sich nicht trauen, unbequeme Wahrheiten auszusprechen bzw. wahrzunehmen:
Wir werden Bequemlichkeit und Wohlstand opfern müssen, um langfristige Ziele zu erreichen! Fleisch darf und muss teurer werden, Sprit und Strom auch, Flugbenzin erst recht!
Es gibt Schlimmeres (was dann letztlich langfristig auch sogar noch teurer werden wird).
Und die Kids haben ein Recht darauf, uns immer wieder daran zu erinnern, dass sie die Konsequenzen zu tragen haben werden. Wir können nicht erwarten, dass sie dabei zuschauen, wie wir (unsere Generation) die Titanic auch deshalb sinken lassen, weil wir sowieso schon vorher abgetaucht sind  – nachdem wir bis zum letzten Moment aus dem Vollen geschöpft haben.

 

MTV unplugged 2 von UDO LINDENBERG

Bewertung: 4.5 von 5.

Nachdem ich kürzlich den Lebensrückblick von UDO  recht kritisch besprochen habe, geht es jetzt um sein neues musikalisches Werk. Nach dem sensationellen Erfolg seines ersten Unplugged-Albums (2011) wollte er es nochmal wissen: Gleiches Konzept, andere Lieder, andere Gast-Künstler.

Dies wird eine sehr persönlicher Blick auf diese Veröffentlichung. Sie ist geprägt davon, dass ich den Morgen des 4. Adventsonntags zur Verfügung hatte, um mich mit voller Aufmerksamkeit und hoher emotionaler Ansprechbarkeit dem kompletten Konzert in Blue-Ray-Qualität und in Dolby-Surround-Sound zu widmen.
Das Ergebnis: Ich war begeistert und angerührt. Und das will ich kurz erklären.

Zunächst zu den Rahmenbedingungen:
Das Ambiente ist aufwändig und liebevoll gestaltet. Das Thema: Seefahrer-Romantik. Es geht um Aufbrüche, um Abenteuer, um Unterwegs-Sein. UDO und seine Gäste bewegen sich in einer maritimen Bühnenlandschaft, ein Teil der Musiker ist in den Aufbauten eines großen Segelschiffes
untergebracht, die Schiffs-Bar darf natürlich nicht fehlen. Das ganze strahlt eine warme Atmosphäre aus.
Die musikalische Qualität der Darbietung ist wirklich über jeden Zweifel erhaben: Da sitzen und stehen ausnahmslos Spitzen-Musiker, denen die Unplugged-Arrangements wie auf den Leib geschnitten erscheinen. Es ist eine Freude, ihnen beim Spielen zuschauen und man hat durchweg den Eindruck, dass sie alle dieses besondere Ereignis genießen.
Das gilt übrigens auch für die Musiker vom Elbphilharmonischen Orchester, die sich ganz offensichtlich in diesem Moment als Teil der großen Lindenberg-Familie fühlen.

Da sind wir schon bei der Emotionalität:
UDO und sein Team schaffen es mal wieder, ein Grundgefühl von Herzlichkeit und Zusammengehörigkeit zu schaffen – eben die berühmte “Panik-Familie”. Wobei es inzwischen natürlich viel mehr ruhige und nachdenkliche Lieder gibt als den alten “Panik-Rock”.
Es sind nicht nur die Botschaften in und zwischen den Liedern, die auf Solidarität und Menschlichkeit setzen, es ist auch der demonstrativ liebevolle Umgang miteinander. Man mag sich und man zeigt es auch. Selbst wenn ein Teil davon Show-Business sein sollte – es ist ein liebenswerter Aspekt.
Auch die Einblendungen aus dem Publikum spiegeln mehr als nur die Begeisterung für einen verehrten Star wieder: Es ist zu spüren, dass man ein Lebensgefühl und eine Lebenshaltung teilt.

Die Grundthemen sind lindenbergisch klar: Es ist die Ambivalenz zwischen “großer Liebe” und dem Vagabunden-Dasein, es geht um empfundene Enge des Spießbürger-Daseins und die Flucht daraus, es geht um euphorischen Genuss und tiefen Absturz (im Alkohol-Exzess), es geht um den nie endenden Kampf gegen die zerstörerischen Kräfte: das gierige Kapital, das machthungrige Militär und die korrupten Politiker.
Ja – UDO hält seine Botschaft gegen jede Zeitgeist-Strömung aufrecht. Und er lässt wieder die Kinder auf der Bühne mitsingen, wenn er “in den Frieden zieht”. Das mag kitschig und naiv sein – aber es ist trotzdem um ein Vielfaches wertvoller als ein Großteil der inhaltslosen Konsum- und Promi-Welt, die sonst die Bildschirme vermüllt.

UDO hat sich mit diesem Album mal wieder selbst ein Denkmal gesetzt. Wirklich bemerkenswert. Und – das sei auch nicht unterschlagen – er selbst singt so gut und sauber wie niemals zuvor.
Hier tritt kein abgehalfterter Polit-Clown auf, um noch mal die schnelle Mark zu machen. Hier wird niveauvolle Unterhaltung auf allerhöchstem technischen und musikalischen Niveau geboten.

Wer in sich eine “UDO-Affinität” spürt, sollte sich dieses Konzert vielleicht mal gönnen. Ich würde stark dazu raten, es nicht beim bloßen Hören zu belassen, sondern auch optisch in die UDO-Welt einzutauchen.
Mir hat es einen intensiven und anrührenden Vormittag geschenkt. Was kann man von einer Silberscheibe mehr erwarten?!

(Übrigens: Wer wissen will, welche Künstler UDO diesmal um sich versammelt hat, kann das ganz schnell aus anderen Quellen erfahren).

Seehofer

Ich könnte es nicht ertragen, wenn jetzt monatelang darüber diskutiert und gestritten wird, ob und wann Seehofer auch als Innenminister zurücktritt.

Hat denn dieser Mensch überhaupt keine Selbstachtung und keinerlei Gespür dafür, dass die Menschen jetzt etwas anderes wollen und brauchen?

Es ist wirklich unfassbar!

“The Beatles” (Das weiße Album) von The BEATLES

Für Mensch wie mich, die seit ca. 50 Jahren bewusst und leidenschaftlich Popmusik hören, gibt es einen interessanten Trend: Die 50-jährigen Jubiläen von Gruppen-Gründungen oder stilbildenden Alben.
Soweit es die Gruppen noch gibt – und es gibt erstaunlich viele – gehen sie nochmal auf Tournee (ist gut für das eigene Rentenkonto); auf die “großen” Alben stürzen sich die Tontechniker mit dem Ziel, die bisherigen digitalen Remaster-Versionen noch ultimativ zu toppen. Dabei werden dann gerne aufwendig ausgestattete Luxus-Pakete zusammengestellt, die alle möglichen Alternativ-Takes und verschiedene Abmischungen beinhalten (oft einschließlich Vinyl und Dolby-Digital 5.1 ).

Jetzt also das Weiße Album von den Beatles aus dem Jahre 1968.
Mit der Tournee ist es bei ihnen schwierig; Paul und Ringo wollen sich einfach nicht zusammentun; ohne John und George geht es wohl nicht.

Ich will mich hier nicht als kompetenter Beatles-Fachmann oder als Musik-Kritiker hervortun. Über jedes Album der Beatles gibt es fachkundige Ausführungen – mit allen denkbaren musikalischen und zeitgeschichtlichen Bezügen.

Ich will nur sagen: Die Sound-Qualität dieser Neuveröffentlichung ist wirklich umwerfend. Ich habe die komplette Platte über (meine besten) Kopfhörer gehört – es ist wirklich bombastisch klar, brilliant und transparent.
Natürlich wären aktuelle Produktionen weniger “höhenlastig” – aber es gibt nun mal ein bestimmtes Ausgangsmaterial.

Wer das Album vielleicht gar nicht kennt: Es ist in die Musikgeschichte eingegangen, weil die vier Musikgenies hier eine bis dahin für eine “Beat-Band” unfassbare Breite bzw. Vielfalt von Musikstilen nutzt, um die musikalischen Ideen der einzelnen Mitglieder auszudrücken.

Wenn man sich dafür mal interessiert: Es lohnt sich in diesem Fall wirklich, das 2018-Remaster als Quelle zu nehmen.

“Tumult” von Herbert Grönemeyer

Bewertung: 4.5 von 5.

Herbert liebt man – oder man kann ihn und sein Sprechgesang kaum ertragen. Unberührt lässt er nur wenige.
Mich begleitet Grönemeyer seit 1984 (4630 Bochum) durch mein musikalisches und emotionales Leben – allerdings in den letzten 20 Jahren mit absteigender Tendenz.
Das hat sich geändert. Gestern. Denn da habe ich “Tumult” gehört.

Ja – ich halte dieses Album für ein Meisterwerk. Es ist stimm- und textgewaltig, musikalisch abwechslungsreich und unglaublich emotional intensiv.
Wenn man sich denn auf den Grönemeyer-Stil einlassen kann…

Auch in den politisch stürmischen Zeiten sind Beziehungen und Liebe die zentralen Themen. Dass es möglich ist, auch im 15. Studioalbum noch neue und kreative Formulierungen für Liebesgefühle zu generieren, gleicht einem sprachlichen Wunder.

Doch es werden auch andere Themen berührt (ausländische Sexsklavinnen, Depression und Verzweiflung, Mut und Aufbruch, unerfüllte Sehnsucht, … ) und es werden Zeichen im Bereich Migration  gesetzt: Das Album enthält ein zweisprachiges Lied (deutsch/türkisch) mit dem sinnigen Titel “Doppelherz”.

Gibt es auch etwas zu meckern?
Nun ja – an ein oder zwei Stellen hätte man sich den  schmalzigen Hintergrundchor vielleicht sparen können. Geschenkt!

Gibt es für mich in diesem Album so etwas wie eine zentrale Botschaft? Ja, vielleicht sogar zwei:
Es gibt keine Trennung zwischen privater Empfindsamkeit und gesellschaftlicher Wachheit. Wer sich in seinem Inneren wirklich spürt, ist auch nicht blind für die Dinge, die sich drumherum ereignen.
Auch wenn man seelische Abgründe, Zweifel und Apathie kennt und als Teil des Lebens akzeptiert – es gibt immer noch gute Gründe für Aufbruch, Kampf und Lebenslust. Für Herbert ist der zentrale Grund – wie könnte es anders sein – die Liebe (auch wenn eines der Lieder davon handelt, das sie zwar ersehnt wird, aber ausbleibt).

Hört es euch an – und wenn ihr Lust habt, schreibt eure Meinung!

Die Texte gibt es z.B.  hier.
(Ich schicke auch gerne ein PDF)

Ein paar Gedanken zum PLURALISMUS

Als Vorbereitung auf eine Diskussion unter Freunden habe ich ein paar Thesen aufgeschrieben, die ich auf diesem Weg etwas breiter streuen möchte.
Letztlich geht es dabei nicht nur um ein abstraktes Thema, sondern um die konkrete Frage, ob und wie unsere demokratisch-pluralistisches System angesichts der Bedrohung durch autokratische Tendenzen überleben kann.

1)  Unsere pluralistisch angelegte Gesellschaft bietet einen sicheren Rahmen dafür, dass unterschiedliche Interessen, Weltanschauungen und Wertesysteme nebeneinander stehen können und dürfen. Damit entsteht Raum für individuelle Freiheit bzw. Weiterentwicklung und Schutz vor Bevormundung und Unterdrückung.

2) Pluralistische Gesellschaften weisen aber auch Schwächen auf: Ihnen fehlt ein einigender Bezugspunkt, der Identität, Zugehörigkeit und Orientierung schafft (wie es z.B. Staaten bieten können, die ihre Basis in Tradition, Religion, Ideologie oder Nationalismus definieren und zelebrieren). Dieses Problem verschärft sich noch zusätzlich, wenn die potentielle gemeinsame Basis (Grundgesetz) nur abstrakt vorhanden ist und nicht auch emotional verankert wird.

3) Ein extrem ausgebildeter Pluralismus kann in eine Beliebigkeit führen. Dadurch, dass alle denkbaren Lebensvarianten quasi gleichwertig nebeneinander gestellt werden (und dabei auch noch Abweichungen und Minderheiten besonders beachtet bzw. geschützt werden), geht das Gefühl für das „Normale“ (vielleicht auch das „Richtige“) immer stärker verloren.

4) Die Vielfalt und offensichtliche Beliebigkeit von Lebensentwürfen und Normen überfordert insbesondere Menschen mit eher geringen (intellektuellen, emotionalen) Ressourcen. Sie sind dann z.B. Einflussnahmen von Demagogen oder wirtschaftlichen Interessen ausgeliefert und werden so – unter dem Mantel einer vermeintlichen Autonomie und Freiheit – wirkungsvoll manipuliert (z.B. indem man die Neigung in Richtung Sensation und Extrem ausnutzt).

5) Angesichts der realen Menschheitsprobleme (Ressourcen, Klima, Migration, Rüstung…) können wir uns möglicherweise diese pluralistische Haltungen einfach rein objektiv nicht mehr leisten. So können z.B. unterschiedliche Vorstellungen zur Energieerzeugung oder zum Verkehrssystem dann nicht mehr dem freien Spiel pluralistischer Überzeugungen überlassen werden, wenn davon die Zukunft der Menschheit oder des Planeten abhängt.

6) Es wird sich in den nächsten Jahrzehnten vermutlich noch stärker als bisher erweisen, dass Gesellschaften, die weniger pluralistisch sind (insbesondere China und andere asiatische Staaten) effizienter, zielgerichteter und weitsichtiger handeln können und damit wirtschaftlich erfolgreicher sein werden.

7) Aus meiner Sicht läge die Lösung in einem „gebremsten“ Pluralismus. In so einem System, würden die Grundwerte der Gesellschaft (Verfassung, Menschenrechte, Gewaltfreiheit) viel stärker in das öffentliche und erzieherische Zentrum gerückt und dort auch emotional verankert. „Abweichungen“ würden zwar nicht unterdrückt, würden aber nicht mehr automatisch durch einen besonderen „Minderheiten-Bonus“ geadelt. Gewisse Basis-Tugenden (Anstand, Ehrlichkeit, Verantwortung für das Allgemeinwohl) würden im öffentlichen Raum nicht mehr ein unverbindliches Angebot bleiben, sondern zum gewollten Identitätskern des Zusammenlebens gemacht und verteidigt.
Inwieweit in diesem Zusammenhang auch der Einfluss der Medien auf die Entstehung von gesellschaftlich relevanten Wertsystemen zum Thema werden müsste, bedarf einer besonderen Diskussion.

 

Richterwahl in den USA

Ich mache es diesmal kurz:

Was auch immer damals bei der Wahl von Trump passiert ist – man konnte sich damit herausreden, dass es ja nur ein Protest war bzw. dass man ja davon ausgehen konnte, dass sich dieser Provokateur als Staatsmann zivilisieren würde.

Jetzt wissen die Amerikaner und die Welt seit fast zwei Jahren, wessen Geistes Kind dieser Trump ist. Und es gelingt ihm tatsächlich trotzdem, einen umstrittenen erzkonservativen Richter auf Lebenszeit in das höchste Gericht zu drücken.

Ich finde es trostlos, dass es nicht zumindest einige republikanische Senatoren gibt, die bei dieser Gelegenheit ein Zeichen gegen Trump zu setzen bereit sind.

Wie ist es möglich, dass sich dieser Mann nach diesen unseligen zwei Jahren noch so bestätigt fühlen kann?

Ich kann nur fragen – Antworten finde ich gerade nicht.

Gefühlte Politik im September 2018

Ja, es war nie so richtig gut. Man hatte immer was zu meckern. Deutsche Parteipolitik war immer auch ärgerlich – weil widersprüchlich, ungerecht, lobby-beeinflusst, inkonsequent, zu wenig nachhaltig, usw.
Aber: Was man in den letzten ein bis zwei Jahren erlebt, erscheint doch irgendwie unfassbar.

Ich spüre eine steigende Sehnsucht nach so etwas wie Respekt. Ich möchte eine gewisse Grundachtung haben vor den Menschen, die unsere politischen Geschicke bestimmen – selbst wenn sie nicht meine ganz persönlichen politischen Ziele verfolgen. Ich wünsche mir einen gewissen Standard: im operativen Bereich, in der Form der Auseinandersetzung, im Stil.

Ich habe vor einigen Monaten sehr auf die Medien und die aufgeregte öffentliche Meinung geschimpft, die scheinbar jeden Politiker (speziell der SPD) zu Fall bringen wollten.
Aktuell verstehe ich die miese Stimmung und die zynischen Kommentare.

Mir geht es nicht um eine konkrete Entscheidung. Ich denke nicht, dass man die GroKo um jeden Preis beenden sollte. Aber das Gewurschtele hält man wirklich nicht mehr aus.

Ich mache mir Sorgen wegen der fast täglich wachsenden Politikverdrossenheit. Können die beteiligten Menschen (und natürlich denke ich zuerst an Seehofer; auch an Lindner, der Jamaika vermasselt hat) nicht ein Minimum Verantwortung für das Ganze übernehmen? Muss wirklich innerhalb eines Jahres eine politische Stabilität, die über Europa hinaus modellhaft war, in dieser Rücksichtslosigkeit zerstampft werden?

Man schaut sich das an und denkt: “Schlimmer kann es ja nicht mehr kommen.” Aber sicher ist man sich inzwischen nicht mehr…

Ganz konkret fällt mir nur ein Ausweg ein: Wenn sich die CSU nicht von Seehofer trennen kann, dann sollte die Koalition mit den Grünen fortgesetzt werden. Noch ist Zeit bis zu den nächsten Wahlen…

Unser Verfassungsschutz

Ich bin ja wirklich ein extrem staatstragender Mensch. Bevor ich ernsthafte Zweifel am Funktionieren unserer Verfassungsorgane bekomme, muss schon einiges passieren. Für die üblichen Verschwörungstheorien oder platten Marxismus (“der ganze Staat ist sowieso nur ein Büttel des Kapitals”) bin ich nicht zu haben.

Aber was soll man denn nun davon halten, dass unser Verfassungsschutz offenbar von einem Menschen geleitet wird, der eine gewisse Neigung zu AfD-nahen Sichtweisen nicht nur in sich trägt, sondern diesen auch in seinen offiziellen Funktionen Raum gibt?

Wie kann man es zulassen, dass in einer Zeit, in der mit dem Vorwurf der “Fake-News” an den Grundfesten der Presse gerüttelt wird, ohne jeden Beweis über eine möglicherweise manipuliertes Video schwadroniert wird. Vom Verfassungsschutz-Präsidenten – abgestimmt mit seinem Innenminister!

Ist es wirklich inzwischen wegen der politischen Abhängigkeit von der CSU möglich, dass hier jemand einen Posten behalten darf, der zumindest den Eindruck erweckt, den Schutz unserer Verfassung auf der Grundlage einer eher rechten Gesinnung zu betreiben?

Was haben wir für einen Innenminister, der das mitträgt – oder gar inszeniert?
Der den Regierungschef von Ungarn, dem gerade von dem EU-Parlament das Misstrauen ausgesprochen wurde, auf CSU-Treffen als guten Freund willkommen heißt?

Verschwimmen da gerade alle Maßstäbe?
Wo bleiben die anständigen Konservativen – die es zum Glück ja in der CDU in großer Zahl gibt?

Ich habe keine Lust auf die nächste Regierungskrise; ich will kein Ultimatum der SPD. Das soll bitte die CDU selbst lösen.
Tauscht endlich in der GroKo die CSU gegen die Grünen aus – damit das Land anständig regiert werden kann.

 

Chemnitz und das “wirsindmehr”-Konzert

Ja, es war gut, dass dieses Konzert stattgefunden hat und dass es so viele friedliche Besucher hatte. Und ich finde es auch kleinkariert, unseren Bundespräsidenten dafür zu schelten, dass er sich nicht vorher jede Textzeile durchgelesen hat, die von den dort auftretenden Gruppen jemals gesungen wurde.

Trotzdem wurde meinem Gefühl nach in Chemnitz eine Chance vertan.

Ein solches Konzert hätte ein viel stärkeres Signal für Integration und Solidarität senden können, wenn es ein breitere musikalisches und politisches Spektrum abgedeckt hätte. In der dargebotenen Form hat es ganz sicher die wichtigen Menschen, die weder rechts noch links fest verankert sind, genau nicht erreicht.
Es war ein Fest zur Selbstvergewisserung einer links-alternativen Szene. Das ist nicht verwerflich – aber ich hätte mir etwas anderes gewünscht. Ich hätte mir ein Konzertereignis gewünscht, bei dem auch Künstler/innen des gesellschaftlichen Mainstreams aufgetreten wären. Wäre das geschehen, hätte man eindrucksvoll unter Beweis stellen können, das “wirsindmehr” eben nicht bedeutet, dass es mehr linke Punk-Fans als Rechtsradikale gibt, sondern das sich eine breites gesellschaftliches Spektrum gegen einen menschenverachtenden Mob stellt.

Mir schein mehr und mehr das Problem zu sein, dass die Grenzen bzw, Unterschiede zwischen Unzufriedenheit, Sorgen, Abstiegsängsten und sozialen Problemen auf der einen und “Rechts-Sein” auf der anderen Seite zunehmend verschwimmen. Gegen etwas sein, bedeutet scheinbar im Moment für immer mehr Menschen, rechte Positionen einzunehmen oder sich zumindest dort mit anzusiedeln. Weil man sich da besonders gehört fühlt, weil es den Etablieren dort besonders wehtut.
Wir sollten Kontakt mit denen behalten, die diesen Weg (nach rechts) eigentlich nicht gehen wollen. Lasst uns im Gespräch bleiben mit den vielen Menschen, die tatsächlich ganz anders denken als wir, ohne deshalb gleich “unanständig” zu sein. Es sind viel mehr als wir dachten….

Mir ist nicht bekannt, ob sich die Veranstalter von Chemnitz um andere Darbietungen bemüht haben. Ich weiß nicht, welche etablierten Künstler (außer den Toten Hosen) so spontan gekommen wären.
Dass ein solcher breitere Rahmen nicht stattgefunden hat, finde ich jedenfalls bedauerlich.