“Inferno” von Dan BROWN

Bewertung: 3.5 von 5.

Ich habe jetzt drei Bände der Robert-Langdon-Serie in umgekehrter Reihenfolge gelesen, also vom aktuellen (“The Secret of Secrets“) über “Origin” (2018) zu dem hier besprochenen Inferno (von 2014). Wie alle – und es sind viele – Fans von Dan BROWN seit “Illuminati” wissen, weicht der Autor von seinem bewährten und erfolgreichen Strickmuster nicht mehr ab: Es gibt ein bis drei große Themen (so was wie Religion, alte Weisheiten oder menschliches Bewusstsein), eine verzwickte Reise zu Schauplätzen der Kunst- und Architekturgeschichte und die dringende Notwendigkeit einige verschlungene Rätsel zu lösen, um irgendein extrem wichtiges Problem zu lösen.
Zum Glück ist der Kulturhistoriker Robert Langdon stets zur Stelle, um mit Hilfe seines schier grenzenlosen Wissens und seines eidetischen Gedächtnisses die entscheidenden Hinweise zu entschlüsseln.
Das Ganze führt zu teils atemberaubenden Jagden, die – natürlich – in gnadenlosem Wettbewerb gegen übelwollenden Mitstreitern verlaufen.
Als Leser/in kann man sich diesen kunstvollen Spannungsbogen mit dem Gefühl ausliefern, jeweils gleich eine doppelte Portion Wissen zu tanken: über den Gegenstand der Story und über die Schauplätze. Man hat es also mit “Bildungs-Thrillern” zu tun.
Wie schön, dass die Bösewichter dieser Welt so ein skurriles Vergnügen daran haben, die Hintergründe ihrer Taten so super-intelligent zu verschlüsseln: als ob sie Herrn Langdon eine Freue machen wollten….

In “Inferno” geht es um die Gegenwartsprobleme “Überbevölkerung” und “Transhumanismus”. Kulturhistorisch geht es um Dante, diverse Darstellungen der Hölle und einige spektakuläre Locations in Florenz, Venedig und Istanbul:
Was will man mehr…

Ich interessiere mich speziell dafür, welche Positionen ein weltbekannter Autor für die von ihm gewählten Themen hat: Ob er sich wohl traut, sich vom gefälligen Mainstream zu entfernen, oder verfolgt er gar eine aufklärerische Mission?
Ich diesem Punkt war ich bei den oben erwähnten aktuelleren Werken ein wenig enttäuscht. Im Inferno zeigt BROWN vergleichsweise klare Kante: Er zeigt eine gewisse Offenheit und Sympathie sowohl für drastische Formen der Bevölkerungskontrolle, als auch für die Grundidee des Transhumanismus – also bzg. der Idee, dass der Mensch das Recht (oder gar die Pflicht) haben könnte, selbst mit biotechnischen oder digitalen Maßnahmen in die Evolution einzugreifen.
Durchaus bemerkenswert!

Ansonsten muss man schon einige Toleranz für die Kurven und Schleifen aufbringen, in denen BROWN uns – geleitet durch den Historiker-Held – durch die – insbesondere kirchlich geprägte – Kunstgeschichte der Renaissance hetzt. Es wirkt stellenweise doch ein wenig überladen, des Bildungsbürger-Trainings zu viel…

Die erwartbaren Spannungsbogen funktionieren zuverlässig; die ein oder andere überraschende Wendung ist eingebaut: So funktioniert das Markenzeichen “Dan BROWN”.
Ich habe die Lese-Zeitreise letztlich nicht bereut; jetzt ist aber auch genug. Mehr desselben ist nicht mehr nötig!

Du möchtest das Buch kaufen?
Mach Amazon nicht noch reicher und probiere mal den “Sozialen Buchhandel”, der aus jeder Bestellung eine kleine gemeinnützige Spende macht.
Der Preis für dich ändert sich dadurch nicht; die Lieferung erfolgt prompt. Klicke einfach auf das Logo.
Oder unterstütze einen kleinen Buchladen vor Ort.

“Der neue Wohlstand” von Ezra KLEIN und Derek THOMPSON

Bewertung: 4 von 5.

Dieses amerikanischer Buch könnte so etwas wie die Betriebsanleitung für eine Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik der “vernünftigen Mitte” sein. Hier wird eine Perspektive vorgestellt, die von den realpolitischen GRÜNEN bis in die – noch von Populismus freien – Teile der UNION reichen könnte: pragmatisch, anschlussfähig, nachhaltig, zukunftsfähig, weitgehend unideologisch.
Das Ganze erinnert ein wenig an die positiven Visionen in der Startphase der Ampelkoalition: an den Versuch, Aufbruchstimmung und (digitale, mentale und ökologische) Transformation mit wirtschaftlicher Effizienz und Wohlstandsversprechen zu verbinden.

Das Autorenpaar nimmt in seiner Betrachtung nach und nach die Faktoren unter die Lupe, die – ihrer gut begründeten Einschätzung nach – für Fehlentwicklungen bzw. für die Verhinderung dringend notwendiger Veränderungsschritte verantwortlich sind:
– Selbst geschaffte Knappheiten (u.a. durch zu viel Regulierungen und Konzentration auf Verteilung, statt auf Erhöhung des Outputs)
– Trägheit von Systemen und Prozessen
– mangelnde Prioritätensetzung und Schwächen bei der Umsetzung von Projekten (bürokratischer Perfektionismus statt pragmatischer Kompromisse)
– ineffiziente Zuständigkeiten und fragmentierte Entscheidungsprozesse
– Selbstbeschränkung aus Angst vor Kritik und Widerständen
– ideologisch motivierte Ablehnung einer staatlich gelenkten zukunftsbezogenen Forschungs- und Innovationspolitik
– Leugnung und Bagatellisierung der objektiven Veränderungsnotwendigkeiten (insbesondere bzgl. Klimawandel)

Was schnell deutlich wird: Die Autoren halten nichts von einer Abkehr von der Wachstumslogik! Sie wollen intelligenten, effizienten Wohlstand für möglichst alle; aber unter stärkerer Berücksichtigung der ökologischen und sozialen Notwendigkeiten.
Auf Deutschland übertragen: Sie nehmen beiden politischen Lagern etwas weg!
Den ökologischen Aktivisten entreißen sie alle Gedanken an “Degrowth”, also an die Abkehr vom Wachstum (“unrealistisch, nicht durchsetzbar”); ebenso den Anspruch, auch die letzte Kröte noch vor Infrastrukturprojekten zu retten. Den neoliberalen Marktfetischisten schlagen KLEIN und THOMPSON alle Argumente aus der Hand, die gegen eine politische Steuerung in Richtung notwendiger Innovationen ins Feld geführt werden: Der Markt alleine kann und wird es nicht richten!

Klingt alles irgendwie ausgewogen und vernünftig. Man könnte es sich sogar als deutsche Realpolitik vorstellen (wenn zufällig die GRÜNEN statt der CSU in der Regierungskoalition gelandet wären). Es bleibt aber die grundsätzliche Frage offen, ob nicht auch ein solches GRÜNES Wachstum eine Mogelpackung mit begrenzter Laufzeit ist.
Die Autoren haben im Grundsatz ein zwar aufgeklärtes und modernes, aber letztlich doch technokratisch-optimistisches Weltbild. Echte planetarische Grenzen (z.B. bei Ressourcen) kommen nicht vor, prinzipielle Veränderungen im menschlichen Mindset sind nicht vorgesehen – weil sie nicht notwendig und/oder unrealistisch erscheinen. Weder ein wirklich alternatives Wohlstandskonzept, noch grundlegende Gerechtigkeits- bzw. Gemeinwohlperspektiven bekommen einen angemessenen Raum.

Der Entwurf von KLEIN und THOMPSON stellt ohne Zweifel einen Fortschritt gegenüber der momentan festgefahrenen Situation dar und würde u.a. den erschreckenden Rückschritt in der Klima- und Umweltpolitik überwinden helfen.
Der Text hat stellenweise recht enge Bezüge zur amerikanischen (politischen und ökonomischen) Situation, sind seine Schlussfolgerungen und Anregungen aber durchweg auch für europäische Verhältnisse relevant.
Auch wenn die Schlussfolgerungen aus ökologischer Sicht in wesentlichen Punkten nicht mutig und konsequent genug ausfallen, wäre es ein Gewinn, wenn alle Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft sich wenigstens schonmal auf diese Basis einigen könnten.
Eine kluge und anregende Diskussionsgrundlage bietet das Buch allemal.

Du möchtest das Buch kaufen?
Mach Amazon nicht noch reicher und probiere mal den “Sozialen Buchhandel”, der aus jeder Bestellung eine kleine gemeinnützige Spende macht.
Der Preis für dich ändert sich dadurch nicht; die Lieferung erfolgt prompt. Klicke einfach auf das Logo.
Oder unterstütze einen kleinen Buchladen vor Ort.

“Umlaufbahnen” von Samantha HARVEY

Bewertung: 4 von 5.

Ein bemerkenswertes Buch, das auf einer sehr kreativen und emotional anschlussfähigen Grundidee fußt: Eine Gruppe von Astronauten (beiderlei Geschlechts und unterschiedlicher Herkunft) umrundet in der internationalen Raumstation viele Male unseren Planeten auf jeweils leicht verschobenen Bahnen.
Geschildert wird – dicht verwoben in einem Erzählteppich – sowohl der soziale und wissenschaftliche Alltag der Crew, als auch persönliche Reflexionen der Beteiligten. Diese Betrachtungen aus der Innenwelt beziehen sich wiederum einerseits auf die Wahrnehmung und das Erleben der spektakulären Aussicht auf die wechselvollen Tag- und Nachtperspektiven. Darüber hinaus entstehen aus den jeweiligen geografischen Verortungen der Beteiligten Einblicke in die individuellen Lebenssituationen – auch hinsichtlich der biografischen Wurzeln und bedeutsamer Angehöriger, die dort “unten” warten, lieben oder sterben.

Die Umlaufbahnen strukturieren nicht nur das Leben und Arbeiten der Astronauten, sondern auch den inneren Rhythmus dieses Textes. Alles ist eingebettet in und wird getragen von den Bahnen, die – aufgrund der Eigengeschwindigkeit des künstlichen Trabanten – in dem künstlich beibehaltenen 24-Stunden-Ablauf insgesamt 16 Wechsel zwischen Tag und Nacht umfassen.
Dieses beeindruckende Schauspiel wird immer wieder sprachgewaltig beschrieben, in immer wieder neuen Facetten und Nuancen. Gelegentlich spürt man die Grenze zur Redundanz – das bleiben aber kurze Momente. Eine zentrale Rolle spielt dabei auch ein mächtiger Sturm, der aus der Außen- und Innenperspektive beschrieben wird.

Die studierte englische Philosophin hat einen tiefgründiger Text verfasst, voller menschlicher Perspektiven und emotionaler Intensitäten. Es sind keine programmierten Automaten, sondern fühlende Wesen, die dort auf engstem Raum in einem Gemisch aus individueller und gemeinschaftlicher Identität ihren extrem ungewöhnlichen Alltag teilen. Sie sind sich einerseits ihrem Ausnahmestatus bewusst und müssen doch auch die banalsten Routinen bewältigen. Sie befinden sich in einer extremen Außenposition und fühlen sich doch aufs Intensivste mit der biologischen und sozialen Heimat verbunden – vielleicht mehr als jemals zuvor. Gleichzeitig sind sie damit konfrontiert, dass eine parallele Mondmission ihre so besondere Situation zu relativieren droht.
HARVEY hat aus dieser einzigartigen Konstellation ein einfühlsames und anrührendes Leseerlebnis gebastelt – Umlaufbahn für Umlaufbahn…

Du möchtest das Buch kaufen?
Mach Amazon nicht noch reicher und probiere mal den “Sozialen Buchhandel”, der aus jeder Bestellung eine kleine gemeinnützige Spende macht.
Der Preis für dich ändert sich dadurch nicht; die Lieferung erfolgt prompt. Klicke einfach auf das Logo.
Oder unterstütze einen kleinen Buchladen vor Ort.

“Origin” von Dan BROWN

Bewertung: 3.5 von 5.

Vorweg eine wichtige Information: Das Buch stammt aus dem Jahre 2017, diese Rezension aus 2025. Das ist deshalb so bedeutsam, weil eines der beiden thematischen Schwerpunkte des Romans sich um die Möglichkeiten eines futuristischen KI-Systems – heute würde man es Chat-Bot nennen – dreht. Da es wohl kaum in einem anderen Bereich in den letzten Jahren vergleichbare Innovationssprünge gegeben hat, stellt sich die utopische Perspektive von “damals” jetzt eher als weitsichtige und ziemlich realistische Vorhersage dar: So schnell können sich Zeiten ändern…
Doch es es geht daneben auch um ein wahrlich zeitloses Thema – nämlich um die Frage, ob die wissenschaftlichen Erkenntnisse und das darauf fußende rationale Weltbild inzwischen die Kraft entfalten, traditionelle religiöse Glaubensvorstellungen endgültig zu verdrängen.
Dan BROWN leidet also ganz offensichtlich nicht unter ausgeprägter Bescheidenheit: Die ganz großen Fragen sind für ihn gerade richtig!

Der Plot spielt in Spanien – insbesondere an zwei besonders spektakulären Orten: im Guggenheim-Museum von Bilbao und in der Sagrada Familia in Barcelona. Es geht aber auch um das spanische Königshaus und eine fundamental-katholische Gruppierung.
Getragen wird die Handlung von zwei Hauptpersonen, dem Geschichtsprofessor Robert Langdon und der Leiterin des Guggenheim-Museums (die passender Weise gleichzeitig mit dem Thronfolger des schwerkranken spanischen Monarchen verlobt ist). Langdon ist mit dem schwerreichen Zukunftsforscher Edmond Kirsch befreundet, den die Mission antreibt, die Menschheit aus den Fesseln des religiösen (Aber-)Glaubens zu befreien.
Eine weitergehende Schilderung der Handlung verbietet sich aus naheliebenden Gründen…

Man bekommt eine Menge Stoff geboten, auf diesen (ursprünglich) 670 Seiten: spanische Geschichte, das künstlerische Schaffen von Gaudi, innerkatholische Machtspiele, die Grundlagen des modernen, wissenschaftlich begründeten Atheismus, ein Ausblick auf (inzwischen weitgehend erfüllte) KI-Visionen und Computer-Technologie.
Natürlich gibt es auch jede Menge menschliche Konflikte und Intrigen, aus denen sich dann die bekannten Spannungsbogen basteln lassen. Dan BROWN weiß bekanntlich, wie so etwas funktioniert.

Je nach persönlichem Wertesystem der Leserschaft wartet am Ende des Romans eine beruhigende oder enttäuschende Überraschung: Während der Autor nämlich über weite Strecken der Handlung den Eindruck entstehen lässt, dass er der ausführlich geschilderten (und gut begründeten) rational-empirischen Weltsicht nahesteht, verlässt ihn am Ende wohl der Mut. Besonders stichhaltig erscheint das nicht – vermutlich wollte sich BROWN sich nicht zu weit vom gemäßigten Mainstream entfernen. Schade!

Wer sich gerne durch die skizzierten Themenbereiche in Form einer – nicht ganz Klischee-freien – Thrillerhandlung (zum Glück ohne massive Brutalität) führen lassen möchte, kann hier ohne Bedenken zugreifen. BROWN liefert auf jeden Fall mehr als belanglose Krimi-Unterhaltung.

Du möchtest das Buch kaufen?
Mach Amazon nicht noch reicher und probiere mal den “Sozialen Buchhandel”, der aus jeder Bestellung eine kleine gemeinnützige Spende macht.
Der Preis für dich ändert sich dadurch nicht; die Lieferung erfolgt prompt. Klicke einfach auf das Logo.
Oder unterstütze einen kleinen Buchladen vor Ort.