“100 Fake News von der Wissenschaft widerlegt” von CURILEUX

Bewertung: 3 von 5.

Ich sage es gleich am Anfang: Ich bin nicht richtig warm geworden mit diesem Buch.

Das hat möglicherweise mit den Erwartungen zu tun, die durch den Titel bei mir ausgelöst wurden. Der Begriff “Fake News” ist bei mir inhaltlich deutlich enger gefasst, als das in diesem Buch der Fall ist. Wo ich davon ausgegangen bin, dass es um – im weitesten Sinne – gesellschaftsrelevante oder politisch kontroverse Themen gehen würde, hat das Autoren-Kollektiv schlichtweg aus allen denkbaren Bereichen (vermeintlich) gängige Fehl-Annahmen zusammengetragen. Diese werden dann – jeweils auf wenigen Seiten – mithilfe wissenschaftlicher Befunde entkräftet.
Wie breit dieser Ansatz ist, vermitteln die Kategorien der Gliederung: Ernährung, Gehirn und Gedächtnis, Mathe und Physik, Umwelt und Klimawandel, Artenvielfalt, Weltall, Gesundheit, Sexualität.

Schaut man sich die einzelnen sog. “Fake News” an, merkt man schnell, welch unterschiedlichen Charakter die einzelnen Themen haben: Es reicht von “Spinat verleiht Superkräfte”, über “Frauen können kein Mathe” bis zu “Pornografie ist gefährlich”.
Um es klar zu sagen: Klassische Fake News sind eher in der Minderheit. Manchmal wirkt die Zuordnung tatsächlich ein wenig krampfhaft.

Was leistet nun dieses Buch?
Ohne Zweifel erweitert das Lesen dieses Textes auf eine lockere, humorvolle und unterhaltsame Art das Allgemeinwissen. Wenn auch der halbwegs gebildete Mensch wohl längst nicht allen hier angesprochenen Fehlannahmen unterliegt – es kann ja nichts schaden, es einmal etwas genauer erklärt zu bekommen.
Dankenswerter Weise sind die Texte allgemeinverständlich geschrieben, so dass sich für neugierige Menschen keine sprachlichen Schwellen auftun.

Interessant ist der Hintergrund der Autorengruppe: Es ist eine Vereinigung von Journalisten/Journalistinnen und Wissenschaftlern/Wissenschaftlerinnen, die in den französischen Social-Media-Kanälen seit Jahren aktiv sind. Ihr Ziel ist Aufklärung und Abbau von Desinformation und Vorurteilen.

Dieses Buch kann durchaus z.B. ein nettes Geschenk für neugierige Menschen darstellen; Genau das ist auch eine der Bedeutungen des Namens (und des Mottos) der Herausgeber/Autoren: (Curieux!).


“Sprich mit mir” von T.C. BOYLE

Bewertung: 4 von 5.

Nicht zuletzt die moderne Hirn- und Bewusstseinsforschung haben dafür gesorgt, dass die Grenzen zwischen Mensch und Tier deutlich unschärfer geworden sind. Einigen Tierarten werden inzwischen erstaunliche kognitive und soziale Kompetenzen zugeschrieben; ergänzend dazu sind die Spuren unserer biologischen Abstammung in unserem Fühlen und Denken immer deutlicher zu belegen. Da liegt es natürlich nahe, nach den “Berührungspunkten” zwischen uns und den nächsten Verwandten zu schauen, den Schimpansen. Das wird in der Verhaltensforschung auch gemacht, auch in Bezug auf die Möglichkeiten der (“sprachlichen”) Kommunikation.
Genau an diesem Punkt setzt BOYLE an: Was könnte alles passieren – so fragt er sich in diesem Roman – wenn bei einem Experiment zur Aufzucht in einer menschlichen (familiären) Umgebung eine tiefe emotionale Beziehung entstehen würde – über die Grenzen der Arten hinweg?

Als (eine mögliche) Antwort liefert der Autor eine lebendige, spannende und durchaus auch tiefgründige Romanhandlung, die das Thema in einer Intensität und Konsequenz auslotet, die den Leser/die Leserin immer wieder an Grenzen der Nachvollziehbarkeit führt. Es scheint das Ziel von BOYLE gewesen zu sein, genau diese Grenzen auszuloten und mit ihnen zu spielen.
Jede/r wird in dieser Tier/Mensch-Beziehungsgeschichte “Ausstiegs-Stellen” finden, an denen man nicht mehr folgen kann oder will. Die meisten allerdings werden höchstwahrscheinlich trotzdem weiterlesen; hier liegt wohl das Geheimnis dieses Romans.

BOYLE bedient sich eines geschickten Mix verschiedener Genres: er schreibt gleichzeitig eine Liebesgeschichte, einen Krimi, einen Wissenschafts- und ein Tierschutz-Roman. So sorgt er dafür, dass jede/r einen Motivationsanker findet.
Eine durch und durch sympathische Figur bietet der allerdings Autor nicht an – nicht einmal der Affe (Sam) ist ohne Fehl und Tadel. Dafür gibt es aber den klassischen Bösewicht, den man zur Gegen-Identifikation, also als Feindbild, nutzen kann. Das kann man ein wenig klischeehaft finden (muss es aber nicht).
Lässt man sich lange genug auf die Story ein, wird es irgendwann fast egal, ob man den grundlegenden Ausgangsbedingungen (die hohe sprachliche Intelligenz des Schimpansen und die Intensität der Mensch/Tier-Beziehung), für realistisch hält. Ab diesem Punkt trägt einen die Geschichte als Selbstläufer weiter.

Einer Auseinandersetzung mit der kontrovers diskutierten Frage der Tier-Ethik kann man als Leser/in dieses Romans nicht ausweichen. BOYLE setzt dabei auf drastische Details, lässt die Geschichte für sich sprechen und verzichtet auf intensivere Grundsatz-Dialoge zu diesem Thema. Man kann davon ausgehen, dass der Autor den Extrem-Fall “Sam” nutzen will, um generell für die Problematik der Tierversuche zu sensibilisieren. Ob das der richtige Weg ist, muss wohl jede/r selbst entscheiden.

Letztlich wird hier ein gut lesbarer und unterhaltsamer Roman angeboten, der es dem Publikum überlässt, auf welcher Ebene es sich ansprechen bzw. berühren lässt.
Vielleicht ist das nicht das Schlechteste, was man über ein Buch sagen kann.

“Tun, was getan werden muss” von Alexander MacLeod

Bewertung: 4 von 5.

Der kanadische Schriftsteller und Literatur-Professor MACLEOD legt in diesem Band acht Kurzgeschichten vor, die allesamt einen ganz eigenen Charakter haben. Es sind nicht nur ganz unterschiedlichen Welten, in die uns der Autor führt – er schafft auch völlig verschiedene Atmosphären und löst damit sehr spezifische Gefühle aus.

Den inhaltlichen Rahmen bieten u.a. eine Elternschaft nach Trennung, die entscheidende musikalische Aufführung eines jungen Pianisten, die schwesterliche Solidarität in einer Ausnahmesituation, der Besuch bei einer älteren Dame und das absurde Verhalten eines notorischen Kofferdiebs. Besonderen Eindruck hinterlässt die zufällige räumliche und zeitliche Überschneidung zweier extrem gegensätzlicher Welten in einem Motel (“Die Schlüsselübergabe”).

MACLEOD spielt mit dem Unerwarteten. Er beobachtet und beschreibt vermeintlich unwichtige Details der realen physikalischen Umgebung, gestaltet genau damit aber eine jeweils ganz besondere Szenerie, in der sich manchmal banale, manchmal extrem absurde Dinge ereignen. Der sprachliche Aufbau der Geschichten liegt dem Autor offensichtlich vordringlich am Herzen. Spätestens nach der dritten oder vierten Story gewinnt man den Eindruck, dass für das Schreiben von MACLEOD die Inhalte und Orte letztlich beliebig austauschbar sein könnten: Es scheint, als könnte er aus jeder Ausgangslage eine besondere kleine Welt zaubern.

Man sollte mit diesen 8 Schätzen sorgsam umgehen, sie nicht wie Kapitel eines Buches hintereinander weglesen. Stattdessen sollte man jeder Geschichte die Zeit geben, ihren spezifischen Charakter zu entfalten und ihn nachklingen zu lassen. Anderseits wäre auch eine Unterbrechung des jeweiligen Gesamtprozesses nicht zu empfehlen.

Diese Sammlung ist etwas für Freunde der literarischen Erzählkunst, die das Spiel mit Details, mit künstlicher Verlangsamung von Abläufen und mit einer lebendigen Bildsprache genießen können. Trotz der ein oder anderen dramatischen Wendung sind es eher leise Geschichten, die feinfühlig darauf aufmerksam machen, was sich alles hinter der Banalität des Alltagslebens verbergen könnte.