Was sind Weltbilder?
Vielleicht kennen Sie das aus eigener Erfahrung: Da kommt plötzlich ein neues Thema auf – Impflicht bei einer Pandemie, Wohlstandsverlust durch Klimawandel oder das dritte Geschlecht für den Reisepass – und Sie haben ganz spontan und intuitiv eine Meinung dazu. Und das sogar, ohne schon die Kommentare in den Medien studiert und abgewogen zu haben. Wie kann das sein?
Ich selbst habe oft diese Erfahrung gemacht und mir ist nach und nach klargeworden, dass hinter meiner schnellen Meinung bzw. Bewertung einige recht breite und stabile Grundüberzeugungen stehen. Im Laufe meines Lebens haben diese sich zu grundsätzlichen Haltungen zusammengefügt, die man als Weltbild bzw. Menschenbild bezeichnen könnte; in dem Begriff „Weltsicht“ will ich beide Aspekte vereinen.
Mit dem Begriff „Weltbild“ fassen wir eine Vielzahl von Antworten auf grundsätzliche Fragen zur Beschaffenheit und Bedeutung unseres Lebensraumes in einer typischen Gesamtsicht zusammen. Dabei wird unterstellt, dass diese Antworten nicht zufällig nebeneinanderstehen, sondern deren Kombination einer gemeinsamen Logik folgt. Es ist also eine bestimmte allgemeine Perspektive, die meist auf tief verankerten Prägungen und Überzeugungen fußt – beispielsweise auf einem religiösen Glaubenssystem, auf einer politischen Ideologie oder auf dem Wissensstand einer bestimmten historischen Epoche.
Damit ist natürlich nicht gesagt, dass man sich diesem Überzeugungssystem üblicherweise auch bewusst (gewesen) wäre. Ganz im Gegenteil: Die Fähigkeit und Möglichkeit, seine eigene Sicht auf die großen Zusammenhänge von außen (oder von oben) zu betrachten und sie (nur) als eine von vielen Möglichkeiten wahrzunehmen, ist eine eher junge Errungenschaft. Wie wir später sehen werden, ist eine solche Distanzierung und Relativierung auch heute längst noch nicht für alle Menschen selbstverständlich.
Der Mensch ist mit Sicherheit das einzige Wesen auf diesem Planeten, dem sich die Frage eines Weltbildes überhaupt stellt. Und wenn man genauer hinschauen würde, könnte sich schnell herausstellen, dass wohl auch heute noch eher wenige Menschen sich jemals in ihrem Leben bewusst Rechenschaft darüber ablegen, ob sie ein explizites Weltbild haben, wie das aussieht und warum sie es anderen möglichen Weltsichten vorziehen. Das persönliche Weltbild ist für viele Menschen ein nicht weiter beachteter und wenig betrachteter Teil der eigenen Identität; gleichzeitig spielt es für bestimmte (religiöse oder politische) Gruppen eine extrem bedeutsame Rolle.